Neue Ära in der Luftfahrt

Sparsamer, effizienter, weiter! MAX und neo schreiben Geschichte

Print-Ausgabe 29. Jänner 2016

Die Erstauslieferung des Airbus A320neo markiert den Start jener Flugzeug Generation, die in den kommenden Jahrzehnten das Geschehen dominieren wird

Die Bezeichnung „neue Ära“ ist fast schon inflationär in Anspruch genommen, doch im Falle der Auslieferung des ersten Airbus A320neo (new engine option) an Lufthansa Mitte voriger Woche trifft sie voll und ganz zu: die bisherigen Modelle dieser Kurz- und Mittelstrecken-Familie von Airbus bilden gemeinsam mit den Boeing 737 die „Arbeitstiere“ der Weltluftfahrt und stellen mit zusammen rund 14.000 der aktuell weltweit knapp 19.000 im Einsatz stehenden Flugzeuge mit mehr als 100 Passagieren deren Rückgrat dar.

An der Dominanz von Airbus und Boeing in diesem Bereich wird sich in den kommenden Dekaden wenig ändern, womit sowohl A320neo als auch der in einem Jahr folgenden Boeing 737 MAX (sie wird in den nächsten Wochen zu ihrem Erstflug abheben) eine herausragende Bedeutung in der Airline-Szene zukommt. T.A.I. hat sich angesehen, was sie besser können als ihre Vorgängerinnen und welche neuen Möglichkeiten sie den Airlines bieten.

Beide sind – so viel steht fest – sparsamer, erlauben größere Reichweiten und bieten mehr Komfort als die aktuellen Versionen der Boeing 737 (die in ihrer Ur-Form Ende der 1960er Jahre das Licht der Welt erblickte) und der Airbus A320-Familie, deren erster Jet 1988 ausgeliefert wurde (an Air France). Die Boeing 737 gilt mit mehr als 13.000 produzierten Stück als das bisher meistverkaufte Flugzeug der Welt, die A320 kommt auf knapp 6.900 erzeugte Jets, von denen allerdings noch mehr als 6.580 im Einsatz stehen. Bei der 737 sind es „nur“ noch etwas mehr als 7.000.

Den Schritt in die nächste Generation setzte Airbus Ende 2010 mit der Präsentation des A320 neo-Projektes und verbuchte im Folgejahr bereits mehr als 1.200 Bestellungen. Boeing geriet dadurch unter Druck und kündigte Mitte 2011 das 737 MAX-Vorhaben an. Den Vorsprung des Rivalen aus Europa konnten die Amerikaner nicht mehr einholen: derzeit vereinigt Airbus rund 60 Prozent aller Fixbestellungen der künftigen Flugzeug-Mittelklasse auf ihre A320neo (4.414 Bestellungen), Boeing kommt auf 2.931, wobei der Vorsprung 2015 nochmals ausgebaut wurde: Airbus erhielt im Vorjahr 796 neo-Orders, Boeing 268 Betellungen für die MAX.

Dieser extreme Zuspruch zum Airbus-Modell überrascht zunächst, spricht doch Boeing – wie zuletzt auf dem österreichischen Luftfahrtsymposium im September 2015 – bezüglich der MAX von einer mehr als 8 Prozent besseren Treibstoff-Effizienz, als jene des A320neo.

Bei Airbus gibt man sich diesbezüglich gelassen, denn unter den von den Airlines geforderten Einsatzbedingungen ist es genau umgekehrt: hier kommt die A320neo gegenüber der MAX auf einen Vorteil der Betriebskosten pro Sitz von rund 5 Prozent.

Einer der großen Pluspunkte der A320neo ist konstruktionsbedingt: während die Tragflächen der Boeing 737 wesentlich tiefer angeordnet und die Triebwerke von ihren Durchmessern her begrenzt sind, erlaubt die A320 größere und damit effizientere Motoren.

Sowohl Pratt & Whitney (P&W) als auch CFM haben neue Triebwerke entwickelt, die den Kerosinverbrauch der Jets im Schnitt um 15 Prozent im Vergleich zu den bisherigen Modellen senken sollen und dabei spielt Größe eine entscheidende Rolle. Die bisherigen CFM56-Motoren hatten einen Durchmesser von 1,74m, die neuen CFM-LEAP Triebwerke – sie setzen auf Weiterentwicklung der traditionellen Technik  kommen auf 1,98m. Die revolutionären Motoren von P&W – sie verfügen über ein Untersetzungsgetriebe, das den Fan in einer niedrigeren Geschwindigkeit laufen lässt – wuchsen noch extremer von 1,61m Fan-Durchmesser auf 2,06m.

Diese Zahlen gelten nur für die A320neo, denn die 737 MAX kann wie erwähnt nur erheblich kleinere Triebwerke unter ihren Tragflächen unterbringen und zwar ausschließlich die CFM LEAP-Version 1B. Diese hat 1,75m Durchmesser, ist also um ein Fünftel kleiner als die bei dem A320neo eingesetzte Version 1A.

Das P&W-Triebwerk – es erhielt im November die gemeinsame Musterzulassung durch die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA und die US-Luftfahrtbehörde FAA – gibt es nur für den Airbus. Es war allerdings auch dafür verantwortlich, dass Qatar für die Premiere einen Rückzieher machte und die für Ende 2015 geplante Auslieferung an Lufthansa um einen Monat verschoben werden musste. Probleme bereitete die „ungleichmäßige Kühlung“, die mittlerweile durch Änderungen an Hard- und Software dauerhaft behoben sein sollten.

Der große Vorteil des Airbus A320neo ist seine hohe Reichweite: der A319neo kommt auf knapp 7.800 km, der A321neo LR auf 7.400 km. Damit sind künftig Langstreckenflüge Wien – New York mit diesen Flugzeugen möglich, eine Distanz, bei der die 737 MAX in welcher Version auch immer passen muss (London – New York geht sich aber locker aus).

Die Zukunfts-Aussichten sind damit für beide rosig. Airbus und Boeing rechnen in den kommenden 20 Jahren mit einem Bedarf an 23.000 Flugzeugen dieser Kategorie (Ersatz bestehender Maschinen sowie zusätzlicher Bedarf aufgrund des weltweiten Passagierwachstums). Auch wenn Bombardier mit seiner C-Series (110 bis 160 Sitze; Erstauslieferung an Swiss 2016) und Chinas COMAC C919 (158 bis 174 Sitze; Erstflug 2016) Konkurrenten auf den Markt bringen, an der Dominanz von Boeing und Airbus wird sich auch in der neuen Ära nicht viel ändern: Bombardier hält bei 258 Bestellungen, COMAC bei 517.  

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