ANA
Air Europa – Globalia Group

Spanischer Erbfolgekrieg 4.0: Kräftemessen von IAG und Globalia

Print-Ausgabe 20. August 2021

IAG und SEPI ernannten Valentín Lago (r.) zum CEO von Air Europa, Globalia machte Richard Clark (l.) zum Generaldirektor


 

Die Übernahme von Air Europa durch die IAG hängt weiterhin in der Luft – zuletzt sorgten Rochaden im Top-Management für Aufsehen – Spanien und die EU reden mit

Um die spanische Air Europa ist ein Machtkampf ausgebrochen. Auf der einen Seite befindet sich der spanische Tourismuskonzern Globalia (bisher bzw. noch immer Eigentümer von Air Europa), auf der anderen die IAG (International Airlines Group) sowie der spanische Staat, der im Zuge der Corona-­Pandemie Air Europa über ihre SEPI (Sociedad Estatal de Participaciones Industriales) mit einem Nothilfe-Kredit in Höhe von 475 Mio. Euro unter die Arme gegriffen hat, rückzahlbar bis Ende 2025. Spanien bzw. SEPI hat seither ein Mitspracherecht im Air Europa-Verwaltungsrat. Am Rande spielt auch die Europäische Kommission eine Rolle, welche erst Ende Juli die Frist ihrer Untersuchung der Übernahme von Air Europa durch die IAG bis 3. Dezember 2021verlängert hat.

Konkret geht es um die (vor der Krise) Nummer 4 Spaniens. Gemessen an beförderten Passagieren lag Air Europa 2019 (also vor der Krise) mit 19 Mio. Fluggästen hinter Ryanair (50 Mio.), Vueling (42,7 Mio.) und Iberia (20,7 Mio.). Die beiden letztgenannten gehören zur IAG.

Spanien war vor Corona zudem mit 51,4 Mio. aufgelegten Sitzen Europas größter Domestic-Markt. Den dominierten die beiden IAG-Töchter Vueling (31,8 % der Sitzkapazität) und Iberia (26,1 %), vor Air Europa (15,0 %) und Ryanair (13,3 %). An dieser Dominanz stößt sich übrigens die Übernahme-­Kommission der EU.

Zunächst zur Vorgeschichte des nunmehrigen Kräftemessens: IAG und Globalia (Umsatz vor der Krise rund 3,85 Mrd. Euro, 48,74 Mio. Euro Nettogewinn) hatten sich im November 2019 auf den Verkauf der Air Europa geeinigt (sie sorgte mit 2,12 Mrd. Euro für mehr als die Hälfte des Globalia-Umsatzes). Der Deal sollte innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden. Dann kam Corona, womit sich alles verzögerte und die Bedingungen veränderten: Waren ursprünglich 1 Mrd. Euro als Kaufpreis vereinbart, so sank diese Summe auf 500 Mio. Euro, zahlbar bis 2026. Zuvor muss der Nothilfe-Kredit an den spanischen Staat zurückgezahlt werden.

Im Frühjahr 2021 hievten schließlich die ungeduldig gewordene IAG sowie SEPI mit dem Ex-Vueling- und Iberia-Express-Manager Valentín Lago einen Mann ihres Vertrauens als CEO an die Spitze der Air Europa. Lago wiederum ersetzte Ende Juli COO (Chief Operating Officer) Andrés Bello Navarro gegen den Willen der Hidalgo-Familie durch seinen engen Vertrauten, José Guardiola.

Jetzt holte der Noch-immer-Air Europa-­Eigentümer Globalia zum Gegenschlag aus und ernannte seinen langjährigen Top-Mann Richard Clark (er ist seit 2016 Mitglied des Globalia Management Committees) überraschend zum Generaldirektor der Air Europa. Diese Position hatte bisher María José Hidalgo inne, Tochter des Globalia-Gründers Juan José Hidalgo, der weiterhin alle Zügel fest in seinen Händen hält. Er erwartet, dass Richard Clark ein stärkeres Gegengewicht zu Valentín Lago darstellt.

Die bei Air Europa abgehalfterte Gründer-Tochter María José Hidalgo wird dem Vernehmen nach weiterhin als CEO von Globalia tätig sein. Die Gruppe ist neben der Air-Divison (=Air Europa) und der mit ihr eng verbundenen Groundhandling-Division auch als Veranstalter (Umsatz vor der Krise 594 Mio. Euro), im Incoming und Retail-Bereich (Business und Lei­sure) sowie in der Hotellerie (Umsatz vor der Krise 132 Mio. Euro; 32 Häuser, darunter sieben eigene, acht geleast und 17 gemanaged) tätig.

Kein Wunder also, dass das Luftfahrt-Portal „Avio-News“ angesichts der Top-Management-Ro­chaden von einem Erdbeben spricht. Valentín Lago wird als „eine der umstrittensten Figuren in dieser ganzen Affäre“ bezeichnet. Er will trotz allem seinen Anpassungsplan mit befristeten Maßnahmen für die Belegschaft durchziehen, die wieder aufgehoben werden sollen, sobald sich die Nachfrage erholt.

Abschließend noch zur Rolle der Europäischen Kommission: Diese ist dem Ansuchen der IAG nachgekommen und hat die Frist für ihre Untersuchung zur Übernahme von Air Europa um einen Monat bis Anfang Dezember 2021 verlängert. Die Kommission hat das Recht, die Übernahme zu verhindern, wenn sie der Ansicht ist, dass diese den Wettbewerb in Spanien einschränkt. Dies dürfte tatsächlich der Fall sein: Rechnet man die weiter oben angeführten Domestic-Anteile von Vueling, Iberia und Air Europa zusammen, ergeben sich 72,9 %. Das letzte Wort ist also mit Sicherheit noch nicht gesprochen. 

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