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Klimaneutrales Fliegen

SAF, Wasserstoff und E-Flugzeuge: Langer Weg zu mehr Nachhaltigkeit

Print-Ausgabe 14. Oktober 2022

„SAF könnte die größte Chance für eine Reduzierung der Kohlenstoffemissionen bieten“, so Felipe de Oliveira (Foto: © ACI World)


 

Die Versprechungen sind groß, die Realität sieht noch anders aus – 2040 dürften erst knapp 20 % der Flugzeug-Treibstoffe weitestgehend ohne CO2 auskommen

Das Thema ist in aller Munde und für die weitere Entwicklung der Luftfahrt entscheidend: CO2-neutrales Fliegen. Bis 2050 soll der Flugverkehr klimaneutral und nachhaltig sein, wie aus der vor einem Jahr auf der IATA (International Airlines Association)-Hauptversammlung verabschiedeten Resolution hervorgeht. Der Weg zu null Kohlen­stoffemissionen, – im letzten „Normaljahr“ hielt die Luftfahrt bei einem Anteil von rund 3 % an den weltweiten CO2-Emissionen –, ist allerdings weit und von vielen Fragenzeichen gespickt. Am wahrscheinlichsten dürfte eine Lösung sein, die je nach Einsatzgebiet aus einem Mix aus Biokerosin (Sustainable Aviation Fuel/SAF), Elektrizität sowie Wasserstoff besteht.

Aktuell haben die Biokraftstoffe die Nase vorn. SAF kann fossilem Treibstoff beigemischt werden, ohne dass Triebwerke dafür nachgerüstet werden müssen. Sogar 100 % SAF sind möglich, die dafür notwendigen technischen Feinjustierungen und Zulassungen gelten als machbar. „SAF könnte die größte Chance für eine Reduzierung der Kohlenstoff­emissionen im Luftverkehr bis 2050 bieten. Aber dazu bedarf es einer noch nie dagewesenen Ausweitung und Zusammenarbeit im gesamten Ökosystem der Luftfahrt“, betont der Generaldirektor von ACI (Airports Council International) World Felipe de Oliveira.

Für die Herstellung von SAF gibt es unterschiedliche Methoden. Sofern es aus Speiseresten, flüssigen Altfetten sowie Abfällen aus Agrar- und Forstwirtschaft gewonnen wird (HEFA-Verfahren, Hydroprocessed Esters and Fatty Acids), setzt es bei der Verbrennung 30- bis 100-mal weniger Schadstoffe frei als fossiles Kerosin. Allerdings ist SAF je nach Produktionsmethode und aktuellem Öl-Preis im Vergleich zu fossilem Kerosin noch zwei- bis fünfmal so teuer. Doch Expert*innen sind sich einig, dass SAF eine Schlüsselrolle zukommen wird, vor allem auf Mittel- und Langstrecken, denn kein anderer Energieträger weist eine günstigere Kombination von Eigenschaften fürs Fliegen auf.

Wasserstoff und E-Antrieb

Ein Vergleich der Energiedichte zeigt dies deutlich: So ist ein Lithium-­Ionen-Akku, der dieselbe Energie speichert wie der Kerosintank eines Passagierflugzeugs, um ein Vielfaches größer und schwerer als das Flugzeug selbst. Wasserstoff wieder­um enthält bei gleichem Gewicht zwar etwa dreimal so viel Energie wie Kerosin, nimmt aber verflüssigt dreimal mehr Raum ein. Als eine der Konsequenzen müssten Wasserstoff-Flugzeuge anders gebaut werden (Airbus experimentiert mit einem einer Flunder ähnlichen Modell) und eine entsprechende Infrastruktur an den Airports geschaffen werden. Die ersten Wasserstoffflugzeuge dürften nicht vor 2035 fliegen, mit einem kommerziellen Betrieb erst in den 2040-er Jahren.

Brennstoffzellen bzw. Batterien kommen eher auf Kurzstrecken zum Einsatz. Diesbezüglich markierte Ende September 2022 ein wichtiges Datum, als der Prototyp „Alice“ des von der amerikanisch-­israelischen Eviation Aircraft entwickelten kleinen Verkehrsflugzeugs mit Elektroantrieb zu einem Erstflug abhob. Rund 800 km weit soll die Propeller-betriebene „Alice“ bei bis zu 450 km/h Reisegeschwindigkeit fliegen. Sie bietet – ausgestattet mit zwei je 640 kW starken Elektromotoren – Platz für neun Passagiere und zwei Pilot*innen. Zudem soll es eine Frachtversion geben.

Die Betriebskosten je elektrischer Flugstunde von „Alice“ ähneln jenen­ eines herkömmlichen Regional­flugzeugs. Bestellungen liegen von der DHL Express (12 Frachter mit 1.200 kg Zuladung) und der US-Regionalfluggesellschaft Cape Air (75 Stück) vor. Die Luftfahrtzulassung durch die US-Federal Aviation Administration (FAA) und die EASA (European Union Aviation Safety Agency) dürfte frühestens 2025 möglich sein.

Noch geringe SAF-Mengen

Auch wenn derzeit das Pendel in Richtung SAF ausschlägt, so ist die weltweit produzierte Menge noch extrem gering. Lediglich 125 Mio. Liter wurden 2021 hergestellt, was im letzten „normalen“ Jahr (also 2019) ausreichte, um die globale Luftfahrt für etwa 3 Stunden aufrecht zu erhalten. Die International Energy Agency (IEA) mit Sitz in Paris ging im Frühjahr 2019 davon aus, dass die SAF-Produktion bis 2025 auf rund 18 Mrd. Liter steigen soll. Das entspräche 4,9 % des damals errechneten Gesamtverbrauches der Luftfahrt von 371 Mrd. Litern.

Von diesen Zahlen ist die Luftfahrt aber noch weit entfernt. So forderte die IATA Regierungen in aller Welt dazu auf, durch Anreize den SAF-Anteil bis 2025 zumindest auf 2 % zu heben. Um dies zu erreichen, bräuchte es eine Produktionskapazität in 2025 von 5 Mrd. Litern jährlich. Dafür stehen die Chancen allerdings recht gut. Der finnische SAF-Marktführer Neste Oyj (15,15 Mrd. Euro Umsatz in 2021) will bis 2023 1,9 Mrd. Liter und ab 2026 rund 2,75 Mrd. Liter SAF produzieren. WorldEnergy, Markftührer in den USA, plant seine SAF-Kapazität bis 2024 auf 1,15 Mrd. Liter auszubauen und bis 2026 noch einmal auf 2,3 Mrd. zu verdoppeln.

Über den gesamten Lebenszyklus – vom Transport der Ausgangsstoffe bis zu ihrer Verbrennung in den Triebwerken – entstehen nach übereinstimmenden Angaben der SAF-Hersteller, die nach dem HEFA-­Verfahren produzieren (95 % Anteil an der Weltproduktion) bis zu 80 % weniger Emissionen als bei fossilem Kerosin. Das Endprodukt ist derzeit für eine Beimischung von bis zu 50 % auf kommerziellen Flügen zugelassen.

SAF aus Synthese und Sonnenenergie

Aufgrund der oben genannten Zahlen scheint klar, dass auch andere SAF-Produktionsmethoden als HEFA benötigt werden, um den weltweiten Bedarf zu decken. Dazu gehört neben dem Solar-Kerosin auch das Synthese-Kerosin (Power-to-­Liquid/PtL). Für letzteres eröffnete der CO2-Kompensations-Anbieter atmosfair vor einem Jahr in Deutschland die weltweit erste Produktionsanlage, die es ermöglicht, im industriellen Maßstab synthetisches Kerosin herzustellen. Zu den ersten Kunden gehört die Lufthansa. Errichtet wurde die atmosfair-­Anlage vom Startup INERATEC, ein Ableger des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Jetzt möchte INERATEC in Frankfurt eine fast 40-mal so potente PtL-Anlage in industrieller Größe realisieren und ab 2026 rund 4,6 Millionen Liter herstellen (dies entspricht nur rund 0,0123 % des dann weltweit geschätzten Kerosin­verbrauches).

Für die Herstellung von SAF nach der PtL-Methode ist darüber hinaus viel Energie nötig. Deshalb plant das Schweizer Unternehmen Synhelion SAF mittels Sonnenenergie zu erzeugen. Die Anlage soll 2023 in Betrieb gehen, ist aber für eine Massenproduktion zu klein. Bis 2025 soll deshalb die erste kommerzielle Anlage in Spanien eröffnet werden.

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