EU Emissionshandel

Luftfahrt verfehlt CO₂-Ziele Starkes Wachstum fordert Tribut

Print-Ausgabe 5. April 2019

Im EU-Luftfahrtbericht von Violeta Bulc wird eine Flug-Zunahme von 42 Prozent bis 2040 prognostiziert
Bild: © European Commission

Anstatt der geplanten Senkung wird bis 2040 ein Anstieg der CO₂-Emissionen um 20 Prozent prognostiziert – für die EU-Mitgliedsländer ist’s ein Milliarden-Geschäft

Die Welt-Luftfahrt ist nicht in der Lage, die von ihr selbst gesteckten Emissions-Ziele zu erreichen. Laut International Energy Agency (IEA) machen die CO₂-Emissionen des Luftverkehrs derzeit etwa 2,7 Prozent aller durch Menschenhand verursachten CO₂-Emissionen aus. Vor einem Jahr waren es noch 2,6 Prozent. „Aufgrund des absehbar weiter steigenden Bedarfs an Mobilität werden der Luftverkehr und damit einhergehend die Emissionen auch künftig zunehmen“, heißt es dazu im Mitte März publizierten Geschäftsbericht 2018 der Lufthansa.

Vor Jahren hatte sich die Airline-Industrie zum Ziel gesetzt, ihre Nettoemissionen ab 2020 zu begrenzen sowie bis 2050 gegenüber dem Stand von 2005 zu halbieren. Daraus wird wohl nichts. Dem zu Jahresanfang von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc veröffentlichten EU-Luftfahrt­umweltbericht zufolge wird statt einer deutlichen Reduktion bis 2040 ein Anstieg der CO₂-Emissionen um 20 Prozent prognostiziert.

>Zwar werden die Flugzeuge immer energieeffizienter (seit 2005 ist der durchschnittliche Treibstoffverbrauch pro 100 Passagierkilometer um nahezu 25 Prozent gesunken), doch ist das angesichts des massiven Verkehrswachstums in der Luftfahrt zu wenig. So wurden die Flieger zwischen 2014 und 2017 pro Jahr um durchschnittlich 2,8 Prozent verbrauchsfreundlicher, aber die angebotenen Sitzkilometer (ASK) legten in diesen drei Jahren zweieinhalb Mal so stark zu.

Im EU-Luftfahrtumweltbericht wird von einer Flug-Zunahme von plus 42 Prozent bis 2040 ausgegangen. Gleichzeitig werden die eingesetzten Flugzeuge größer (=höherer Verbrauch), ebenso die zurückgelegten Flugdistanzen. Letztere sind von 2005 bis Ende 2017 von 1.478 km um 16 Prozent auf 1.714 km gestiegen. Die Zahl der zurückgelegten Passagierkilometer wuchs in diesem Zeitraum sogar um 64 Prozent.

Unter dem Strich steigt die Umweltbelastung also weiter und das in erheblichem Ausmaß. 2016 war der Luftverkehr laut erwähntem EU Luftfahrtumweltbericht für 3,6 % der gesamten Treibhausgasemissionen der EU28 verantwortlich. 2012 lag dieser Wert noch bei 3 Prozent (=Anstieg um ein Fünftel bzw. 20 Prozent). Hand in Hand damit hat sich in diesen vier Jahren der Anteil der kommerziellen Luftfahrt der EU 28 an den Gesamtemissionen des Verkehrs von 13,0% auf 13,4% erhöht (=Anstieg um 3,1 Prozent).

Für die Staaten Europas sind die zunehmenden CO₂-Emissionen der Luftfahrt ein gutes Geschäft, denn seit 2012 unterliegen alle Flüge innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) bekanntlich dem European Union Emissions Trading System (EU ETS). Erfasst sind damit rund 40 Prozent aller in der EU und EFTA startenden oder landenden Flüge. 2017 beliefen sich deren Emissionen auf 64,2 Mio. Tonnen (=zwei Fünftel des Gesamtaufkommens von 163 Mio. Tonnen), ein Anstieg um 4,5 Prozent gegenüber 2016.

Zum Start des EU ETS im Jahr 2012 erhielten die betroffenen Airlines 85 Prozent ihres Bedarfs an benötigten European Aviation Allowances (EUAA), die übrigen 15 Prozent (rund 210,35 Millionen Zertifikate) werden seither versteigert. Die ersten fünf Jahre schlug dies noch nicht so sehr zu Buche (zwischen 2013 und 2017 bewegte sich Preis für eine Tonne CO₂ im Rahmen des EU ETS zwischen 4 Euro und 6 Euro), doch im Vorjahr verteuerte sich die Angelegenheit massiv von 7,70 Euro zu Jahresbeginn bis auf einen Spitzenwert von über 26,60 Euro Ende Dezember. Aktuell sind es rund 20,80 Euro. Die in Brüssel ansässige NGO „Transport & Environment“ geht davon aus, dass EU-Airlines aufgrund der erhöhten Anzahl an Zertifikaten 2020 Mehrkosten in Höhe von 738 Mio. Euro ins Haus stehen (rund 20 Euro pro Tonne), eine Verfünffachung gegenüber 2016. Damals erreichte das Volumen 150 Mio. Euro.

Die Erträge aus den Zertifikat-Auktionen fließen den EWR-Mitgliedstaaten zu, mit einer Zweckbindung für Klimaschutzmaßnahmen. EU-weit erreichten die Einnahmen aus allen dem EU ETS unterliegenden Wirtschaftsbereichen (also inklusive Luftfahrt) 2017 rund 5,6 Mrd. Euro, ein Anstieg um knapp 50 Prozent gegenüber dem Jahr davor. 2018 dürften es über 15 Mrd. Euro gewesen sein. Inwieweit sie tatsächlich zweckentsprechend verwendet werden, ist nicht genau bekannt. Laut Klimabericht 2018 der EU-Kommission war dies nur für rund 80 Prozent der Einnahmen der Fall.  

Grafik: Verbrauch und Emissionen bei einer Stunde Flug mit einem Flugzeug mit 150 Passagieren

CO₂-Ausstoß von IAG & Lufthansa Group

Laut jüngstem Geschäftsbericht der IAG (International Airlines Group) konnten ihre durch Flugzeuge verursachten Emissionen zwischen 2014 und 2018 von 97,5 gCO₂/pkm (Gramm pro Passagierkilometer) um 5,7 Prozent auf 91,9 gCO₂/pkm gesenkt werden. Der tatsächliche CO₂-Ausstoß stieg hingegen im selben Zeitraum von 25,22 Mio. Tonnen um ein Fünftel auf 29,99 Mio. Tonnen. Rund 3 Mio. Tonnen der im Vorjahr von der IAG verursachten CO₂-Emissionen wurden mittels EU ETS-Zertifikaten „kompensiert“.

Bei der Lufthansa Group erreichten die CO₂-Emissionen im Vorjahr insgesamt 32,6 Mio. Tonnen, um 7,2 Prozent mehr als 2017. Ein starkes Viertel davon (8,5 Mio. Tonnen, plus 11,8 Prozent) entfiel auf Flüge innerhalb des EWR, die dem EU ETS unterliegen. 62 Prozent bzw. 5,27 Mio. Tonnen dieser durch EWR-Flüge der LH Group verursachten CO₂-Emissionen mussten durch den Zukauf von Zertifikaten kompensiert werden.

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