ANA
Lufthansa, Air France-KLM, IAG

Low Cost, Streiks und Brexit. Harte Nüsse für Europas „Big Three“

Print-Ausgabe 2. Dezember 2016

Während Air France-KLM mit „Boost“ eine Billigairline auf der Langstrecke startet, kämpft Lufthansa mit Streiks – British Airways leidet unter der Pfund-Schwäche

Europas Big-Three mischen ihre Karten einmal mehr kräftig auf. Nach der IAG (International Airlines Group) mit dem Kauf von Aer Lingus und Lufthansa mit dem Start ihrer Billigtochter Eurowings ist nun Air France-KLM an der Reihe. Deren seit Juli amtierender Chairman und CEO Jean-Marc Janaillac stellte rund um die Präsentation der Neun-Monats-Zahlen nach „Transform 2015“ (deutliche Senkung der Schuldenlast) und „Perform 2020“ (u.a. Forcierung der Billigtochter Transavia) das nächste Programm zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Europas zweitgrößtem Airline-Konzern vor. Unter dem Slogan „Trust Together“ sieht es als wesentlichen Punkt die Gründung einer weiteren Billigtochter mit dem Namen „Boost“ vor.

Boost soll auf der Langstrecke ab 2017 bislang defizitäre Verbindungen rentabel machen (als Hub dient Paris-Charles de Gaulle) und zu ca. einem Drittel neue Routen anbieten. Nach der aktuellen Planung soll die Boost-Flotte bis 2020 zehn Airbus A340 bzw. A350 umfassen. Die Piloten werden von Air France gestellt, das Kabinenpersonal wird zu günstigeren Tarifen von der neuen Gesellschaft eingestellt.

Air France-KLM folgt damit beim Beispiel Lufthansa, die seit heuer mit der Low Cost Tochter Eurowings auf der Langstrecke unterwegs ist (aktuell vier Airbus A330-200, die von SunExpress im Wetlease für Eurowings betrieben werden, demnächst werden es sechs). Doch während Lufthansa mit ihrer Billig-Airline sowohl die Mittel- als auch die Langstrecke abdeckt, ist Air France-KLM diesbezüglich künftig auf zwei Schienen unterwegs: Transavia und HOP! als Low Coster für den Point-to-Point-Verkehr auf der Mittelstrecke, Boost für die Langstrecke.

Bei der IAG gibt es keine derartigen Pläne, wie CEO Willie Walsh vor kurzem in einem Interview betonte. Als dynamischster unter Europas „Big Three“ (siehe untenstehende Tabelle) ist die IAG im Low Cost Bereich durch Vueling und Iberia Express gut aufgestellt. Auf der Langstrecke, wo die IAG-Tochter British Airways u.a. mit Norwegian konkurrieren muss, reagierte man durch die Erhöhung der Sitzanzahl in der Economy-Class der Boeing 777. Walsh: „Das reduziert unsere durchschnittlichen Kosten pro Sitz und erhöht unsere Wettbewerbsfähigkeit im Markt.“

Es gab zwar Überlegungen, mit Vueling auch Langstrecken-Operationen zu starten, aber „wir sind zu dem Schluss gekommen, dass dies wahrscheinlich nicht der richtige Weg ist. Es gibt andere Möglichkeiten für uns“, so Walsh. Größeres Kopfzerbrechen bereitet ihm das seit dem Brexit-Votum schwächer gewordene britische Pfund. Während der teure Dollar die Kosten für Treibstoff und Flugzeuge in die Höhe treibt, drückt die Umrechnung der Pfund-Umsätze in Euro durch den viel niedrigeren Wechselkurs auf die Ergebnisse (die IAG bilanziert in Euro).

Lufthansa CEO Carsten Spohr quälen andere Sorgen. Während Air France-KLM mit ihrer Transavia-Expansion gut vorankommt (Passagierwachstum von 20,8 Prozent in den ersten neun Monaten auf 10,44 Millionen, Umsatz plus 9,1 Prozent auf 973 Mio. Euro, operatives Ergebnis plus 850 Prozent auf 17 Mio. Euro) und Vueling ebenfalls stark unterwegs ist (Passagier-Plus von 13,5 Prozent seit Jahresbeginn auf 22,15 Millionen), kommt Eurowings nur langsam vom Fleck. Das Passagierwachstum Jänner-September war mit 8,3 Prozent auf 13,96 Millionen im Vergleich zum Mitbewerb verhalten, das Umsatz-Plus um 7,5 Prozent auf 1,562 Mrd. Euro nicht zuletzt von der Langstrecke getragen. Das EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) war hingegen mit -35 Mio. Euro stark negativ (Vorjahr plus 60 Mio. Euro).

Dazu kommt die in der Vorwoche neu aufgeflammte Streikwelle von Lufthansa. Dienstag und Mittwoch dieser Woche fielen erneut insgesamt 1.700 Flüge aus. Diesmal geht’s um die Forderung der Pilotengewerkschaft von 20 Prozent mehr Gehalt für den Zeitraum 2012 bis 2017, nachdem die Bezüge seit 2011 unverändert blieben. Pro Jahr entspricht dies einem Plus von 3,7 Prozent. Carsten Spohr hat 2,5 Prozent oder 0,38 Prozent jährlich bis 2018 angeboten: „Wir können die Forderungen der Piloten nicht erfüllen.“ Lösung ist vorerst keine in Sicht.

Jeder Streiktag verursacht laut Spohr einen „oberen einstelligen Millionenbetrag“ an Schaden (andere Quellen sprechen von 15 Mio. Euro pro Tag). Zu den finanziellen Einbußen addiert die inzwischen 15. Streikrunde erheblichen Imageschaden. Die Buchungsrückgänge bei Lufthansa seien „deutlich spürbar“. Insgesamt waren an den sechs Streiktagen Ende November 2016 mehr als 525.000 Passagiere von insgesamt 4.461 Flugausfällen betroffen.

Bei Air France-KLM wird zwar derzeit nicht gestreikt, doch bei KLM spitzt sich der Streit mit den Gewerkschaften zu, nachdem das Management einseitig einen Tarifvertrag aufgekündigt hat. Die Vertreter der ArbeitnehmerInnen verweigern seitdem Beratungen über ein neues Abkommen.

Allen drei Airline-Konzernen gemeinsam ist, dass die Tarife stark unter Druck stehen. Bei der IAG geht man für das Gesamtjahr von einem operativen Ergebnis in Höhe von 2,5 Mrd. Euro aus (etwas über Vorjahr). Air France-KLM CEO Janaillac nannte zwar keine konkreten Zahlen, das Neun-Monats Ergebnis hatte sich aber stark verbessert. Bis Jahresende sollte sich nicht viel an diesem Trend ändern. Bei Lufthansa ging Carsten Spohr von einem bereinigten operativen Ergebnis auf Vorjahresniveau aus (rund 1,5 Mrd. Euro). Das war allerdings vor der Streikwelle. 

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Erstellt am: 02. Dezember 2016

Leiten die Geschicke der „Big Three“ (v.l.): Carsten Spohr (Lufthansa), Willie Walsh (IAG) & Jean-Marc Janaillac (Air France-KLM)

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