ANA
Corona & Cash

Liquidität sorgt für langen Atem Ryanair als Cash-King der Luftfahrt

Print-Ausgabe 24. April 2020

Kann den kommenden Monaten eher gelassen entgegen blicken: Ryanair-Chef Michael O‘Leary

Auswirkungen der Corona-Krise auf die Weltluftfahrt werden stärker sein als gedacht – im 2. Quartal 2020 wird mit einem Cash-Abgang von 61 Mrd. Dollar gerechnet

In seinem Interview für die April-­Ausgabe der ATW (Air Transport World) war Ryanair-Chef Michael O’Leary noch zuversichtlich: Er rechnete damit, dass die Corona-Krise noch ca. drei Wochen anhalten werde und während der Osterferien (in Großbritannien heuer von 3. bis 19. April) wieder mehr gereist wird. Als einzige Bedrohung sah O‘Leary, dass sich der Rückgang im Flugverkehr auch nach Ostern fortsetze und die Krise über den April hinaus andauere. 

Wie wir alle wissen, ist letzteres eingetreten. Die Weltluftfahrt muss sich auf eine längere Dürre­periode einstellen. Realistische Einschätzungen gehen davon aus, dass erst im dritten Quartal 2020 eine Erholung einsetzen wird. Bis die Vor-Krisen-Niveaus erreicht werden, dürften Jahre vergehen. 

Der Einschnitt durch Corona in der Airline-Branche ist jedenfalls gewaltig. Beispiele dafür sind die Zahlen von Eurocontrol (sie beziehen sich auf die täglich durchgeführten Flüge) und jene der US-amerikanischen TSA (Transportation Security Administration), die für ihre Statistik die täglichen Passagierzahlen heranzieht. 

Bei Eurocontrol (siehe auch T.A.I. Trend auf Seite 3 dieser Ausgabe) ist das Niveau der täglichen Flüge im April auf -88,8 Prozent abgesunken. Im Jänner lag es noch nahezu auf Vorjahresniveau (-1,3 Prozent), im Februar, als zahlreiche Airlines ihre China-Flüge eingestellt hatten (und Mitte Februar das Sturmtief „Sabine“ den Flugverkehr in Zentral­europa zum Teil lahmlegte), war es um -3,1 Prozent unter Vorjahr. Im März (-41,1 Prozent) kam es dann zunächst zu kräftigen Ausschlägen nach oben und unten, um ab Mitte des Monats regelrecht abzustürzen. Seither bewegen sich die täglichen Flüge unverändert auf dem Tiefstpunkt. 

Ähnlich die Entwicklung in den USA. Das Passagier-Minus zwischen 1. März bis inkl. 16. April beläuft sich auf -66 Prozent. Seit Anfang April bewegt sich das tägliche Minus um die 95 Prozent. Im Vergleichszeitraum 2019 (Anfang Mär bis Mitte April) waren in den USA 113,4 Millionen Flugreisende unterwegs, heuer sind es 37,1 Mio. Es wurden demnach in den USA bzw. von und in die USA seit Anfang März bis Mitte April um 76,3 Mio. Passagiere weniger transportiert. 

Die Auswirkungen auf die Airlines und die direkt bzw. indirekt von ihr abhängigen Branchen sind extrem. Weltweit finden rund 65 Millionen Menschen indirekt durch die Luftfahrt Beschäftigung, direkt sind es 25 Millionen, mit 5,6 Millionen mehr als ein Fünftel davon in Europa. 

Die IATA (International Air Transport Association) geht für 2020 mittlerweile von einem kumulierten Umsatz-Rückgang der Airlines im Ausmaß von 314 Mrd. US-Dollar aus (Ende März wurden noch 242 Mrd. Dollar genannt). Erwartet worden sind im IATA-Forecast Ende Dezember noch 872 Mrd. Dollar. Jetzt dürften es im besten Fall 558 Mrd. US-Dollar werden. 

Damit wird – wie in jeder Krise – die Liquidität zum Um und Auf. Alleine für das zweite Quartal 2020 rechnet die IATA mit einem Abgang an liquiden Mitteln für die gesamte Branche in Höhe von 61 Milliarden US-Dollar. Und hier kommt wieder Michael O’Leary ins Spiel: Ryanair verfügt seit Jahren über Cash-Reserven, wie keine andere Airline der Welt. Im Jahr 2014 erreichten die liquiden Mittel rund 29,9 Prozent des Jahres­umsatzes. Ende 2019 waren es mit rund 1,68 Milliarden Euro immer noch 21,7 Prozent.

Zum Vergleich: Die vom Umsatz her dreimal so große IAG (International Airlines Group) rund um British Airways, Iberia, Aer Lingus, Vueling und LEVEL bringt es auf Cash-Reserven in Höhe von 15,6 Prozent, der Lufthansa-Konzern auf 9,8 Prozent. Auch wenn sich die Zuversicht von Michael O’Leary bezüglich Erholung rund um Ostern nicht bewahrheitet hat, den kommenden Monaten kann er von allen Airline-Granden wohl am gelassensten entgegenblicken.  

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