Hintergrundgespräch mit Stephan Linhart

Komplette Vergleichbarkeit adé! „Content-Partnerschaft ist das neue Öl“

Print-Ausgabe 5. April 2019

„NDC ist nichts Böses, sondern ein Vehikel, das Veränderungen vorantreibt“, so Stephan Linhart

Die LH Group wird ihren GDS-Content tendenziell nicht weiter reduzieren, dafür aber neue Produkte, allen voran Fare-Groups, nur noch in NDC abbilden

Ende März bat Stephan Linhart, Senior Director Sales Österreich & Slowakei der Lufthansa Group, Österreichs Fachmedien zu einem informellen Round­table. War vor zwei Jahren bei einem ähnlichen Event das Spektrum der an Linhart herangetragenen Fragen breit gestreut, drehte sich diesmal alles nur um ein Thema – und zwar die NDC (New Distribution Capability). „Das Thema wird nicht weg­gehen“, so Linhart.

Bei NDC gehe es den Airlines nicht darum, (Geschäfts-)Reisebüros als Vertriebspartner auszuschließen oder Firmenkunden direkt anzusprechen. Vielmehr arbeite die LH Group mit den TMCs (Travel Management Companies) „sehr eng zusammen. Dort sind auch die Themen und Problemstellungen am komplexesten.“ Von Seiten der Firmenkunden entstehe „zusätzlicher Druck auf die TMCs, dass sie Zugang zum gesamten Content der Lufthansa Group erhalten“.

Dieser ist bekanntermaßen nicht mehr komplett in den GDS (Global Distribution Systems) verfügbar, allen voran die „Light-Tarife“, die seit Jänner 2019 nur noch auf Direkt-Kanälen buchbar sind. Linhart zufolge wurden diese Tarife ohnehin „nur noch im mittleren einstelligen Bereich über GDS gebucht“.

Um den KundInnen „Light-­Tarife“ zu offerieren, können Reisebüros u.a. auf die gemeinsam mit Farelogix entwickelte kostenfreie B2B-Buchungslösung SPRK (ausgesprochen „Spark“) zurückgreifen. Das Problem: Speziell SPRK spricht nicht mit den Mid- und Backoffice-Systemen der Agenturen. Linhart ist sich dessen bewusst: „Es ist noch nicht das Gelbe vom Ei“, aber „als Vertriebsleiter habe ich das Ziel, möglichst viele Produkte in die Schaufenster zu bringen“.

Die Zukunft der Vergleichbarkeit

Damit ändert sich auch das Geschäftsmodell der Reisebüros. „Es basierte lange Jahre auf der kompletten Vergleichbarkeit –alles war drin. Jetzt gibt es zig verschiedene Systeme“, erklärt Linhart. „Ein Agent müsste theoretisch fünf bis sechs Bildschirme vor sich stehen haben.“ Deshalb gehe die Entwicklung in Richtung von Multi-Source-Systemen, um die Vergleichbarkeit wieder darzustellen. Der Content sollte GDS, NDC und .com umfassen.“

Es gebe bereits einige Systeme dafür. Das bekannteste davon ist  die Lufthansa City Center-Plattform LUCY, die in Österreich bereits ausgerollt wurde. Linhart: „Ein bis zwei testen noch, alle anderen sind abgeschlossen“ (zu den LCC in Österreich gehören Zuklin, Mondial und Blaguss in Wien, Gärtner in St. Pölten, Reisebüro Amadeus in Salzburg, Loacker Tours in Koblach/Vorarlberg, MCS Travel in Graz und Springer in Klagenfurt). Kompliziertere Dinge funktionierten laut Linhart „zwar noch nicht so wie bei den GDS“ – LUCY müsse also noch weiterentwickelt werden – aber er „glaube, dass Reisebüros derartige Lösungen brauchen werden“.

Wie sieht es bezüglich NDC mit Kreditkarten aus? Generell gilt, dass seit der Umsetzung der IATA-­Resolution 890 nur noch Kreditkarten akzeptiert werden, die den Namen der oder des Reisenden oder des Unternehmens tragen, sowie die UATP (Universal Air Travel Plan)-Card. Letztere ist aber, so Linhart „bei der einen oder anderen NDC-Lösung noch nicht möglich“.

Welche Airlines sind bei NDC vorne mit dabei? Stephan Linhart: „NDC ist bei allen Carriern angekommen.“ Bei einigen Airlines sind die GDS- gegenüber den NDC-Buchungen teurer (bei der LH Group etwa durch die DCC – Distribution Cost Charge), andere wiederum incentivieren die NDC.

Auch bei den GDS (Linhart: „Sie werden auch künftig bei der Distribution eine große Rolle

Hinterfragung der Geschäftsmodelle

Die zentrale Frage lautet, wie sich die Zusammenarbeit zwischen GDS, Reisebüros und Airlines entwickeln wird: „Wer kann den meisten Mehrwert für andere bieten? Alles befindet sich im Umbruch. Auch die GDS, die bisher einen Monopol-Status hatten, stehen unter Druck. Der ist auf allen drei Seiten da.“ Für alle gehe es „ums Hinterfragen des eigenen Geschäftsmodells: Welchen Mehrwert biete ich für die Kunden, welchen für die Systempartner?“ Für die Reisebüros entscheidend ist „wer zahlt mir künftig was, um mein Geschäftsmodell zu finanzieren“.

Der Weg, den die LH Group beschreiten wird, ist klar abgesteckt: „Wir werden den GDS-Content tendenziell nicht weiter reduzieren, aber neue Produkte, allen voran Fare-Groups, nur noch in NDC abbilden.“ Ein Beispiel dafür ist das „Continuous Pricing“. Linhart: „In der alten GDS-Welt können dem ABC entsprechend maximal 26 Tarif-Gruppen bzw. Buchungsklassen geladen werden. Ab der M-Klasse sind die Tarif-Sprünge mit über 100 Euro höher. ‚Conti­nuous Pricing‘ schließ diese Tariflücken, wodurch ein besserer Upsell möglich wird.“

Pilotprojekte mit Reisebüros laufen laut Linhart ganz gut und „Continuous Pricing wird heuer bezüglich Content-Differenzierung das größte Thema“. Für die LH Group sei der Vertrieb „ein wesentlicher Partner“. So wurde zum Jahreswechsel eine Website für das NDC-Partnerprogramm eingerichtet (www.lhgroupairlines.­com/ndc), das Reisebüros zeigt, welche Partner die erforderlichen technischen Lösungen anbieten und bei der Implementierung helfen. Die Lufthansa Group übernimmt nach gewissen Kriterien auch einen Teil der dafür nötigen Invest­ments.

Von den rund 70 IATA-Agenturen in Österreich sind derzeit knapp 50 NDC-fähig, darunter die für die non-IATA Agenturen wichtigen großen Consolidators (TUI Ticket Shop, Aer Ticket und FTI Ticketshop). Für Linhart steht fest: „NDC ist, auch wenn Vergleichbarkeit ein bisschen verloren geht, nichts Böses, sondern ein Vehikel, dass Veränderungen vorantreibt, den Content differenzierter und KundInnen orientierter macht, mit Preis- und Produkt-Garantie.“ Und: „Sobald die NDC-Entwicklung weiter voranschreitet, werden die Karten, wie die Gelder fließen, neu gemischt.“ Denn: „Die Content-Partnerschaft ist das neue Öl.“ 

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