ANA
Flottenpolitik

Kleinere werden größer, die „Arbeitspferde“ noch dominanter

Print-Ausgabe 19. März 2021

Boeing CEO Stanley A. Deal (l.) & Airbus-­CEO Guillaume Faury rechnen mit einer langfristigen Veränderung am Markt

Der Anteil der Airbus A320- und Boeing 737-Familien an der weltweiten Linien-Sitzplatzkapazität ist binnen Jahresfrist um 6 % gestiegen – Trend dürfte weiter anhalten

In der Airline-Industrie kam es durch die Corona-Pandemie zu einer Veränderung der Flotten­strukturen, wie sie noch nie zuvor erfolgte. Laut einem aktuellen Bericht des OAG (Official Airline Guide) geht der Trend künftig in Richtung kleinere Maschinen. Erkennbar ist dies an der Anzahl der weltweiten Sitzplatzkapazitäten der Linienfluggesellschaften, die im Februar 2021 gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres um -47 % gesunken ist, während die Anzahl der durchgeführten Flüge um -45 % niedriger war. Der Februar 2020 war der letzte (fast)-Normalmonat vor dem nahezu kompletten Grounding.

Die durchschnittliche Flugzeuggröße auf globaler Ebene ist laut OAG von 146 Sitzen im Februar 2020 auf heuer 141 gesunken. Laut OAG sei es „nicht überraschend, dass die Fluggesellschaften die Zusammensetzung ihrer Flotten, die sie in die Luft bringen, angepasst haben.“ Die Entwicklung sei von sinkender Nachfrage, Überkapazitäten und der Tatsache geprägt, dass sich die Airlines im Spagat zwischen Kosteneinsparung und dem Bemühen befinden, so viele Flugzeuge wie möglich im Umlauf zu halten. 

Vor der Pandemie dominierten zwei Flugzeug-Modelle die Airline-Flotten: die Airbus A320­-Familie, die im Vorjahr (Februar 2020) für 38 % der weltweiten Linien-Sitzplatzkapazität sorgte, und die 737-Familie von Boeing, die auf 29 % kam. Der Anteil ist binnen Jahresfrist bei beiden gestiegen: Die „Arbeitspferde“ von Airbus kommen auf nunmehr 41 %, jene von Boeing auf 32 % (zusammen also um +6 %). Durch die seit wenigen Wochen stattfindende Reintegration der Boeing 737MAX in die aktiven Flotten wird sich dieser Trend noch weiter verstärken. 

Kaum verändert hat sich hingegen der Anteil jener Maschinen, die sich im Marktumfeld der Embraer E170/195-Klasse bewegen. Ihr Anteil liegt laut OAG bei 4 % gemessen an der weltweiten Sitzplatz-Kapazität und 7 % bei den Linienflügen. 

Besser entwickelt haben sich die kleinen Turboprops vom Schlage einer ATR oder De Havilland Canada DHC-8 (Dash 8), die ihren Kapazitäts-Anteil von nur 2% vor einem Jahr leicht erhöhen konnten. Ähnlich erging es den Canadair Regional-Jets sowie den modernsten Langstreckenjets der Gegenwart, der Airbus A350 und in geringerem Maße dem Boeing 787 „Dreamliner“. 

Zu jenen Flugzeugen, die am meisten in Ungnade gefallen sind, zählen die größeren, älteren Modelle à la Boeing 777 und Airbus A330. Sie tragen heuer um jeweils rund zwei Drittel weniger zur weltweiten Linienkapazität bei, als noch vor einem Jahr. 

Einen Sonderfall stellt das größte Passagierflugzeug der Welt, das Airbus Modell A380, dar. Die Strecken, für deren Einsatz sie konzipiert wurde, sind am stärksten durch die vom Corona-Virus verursachten Veränderungen in der Luftfahrt betroffen. Derzeit steht die A380 mit Emirates, Asiana, Korean Air und China Southern nur bei vier jener 14 Airlines im Einsatz, die den Riesen in ihren Flotten haben. 

Ebenso weichen die großen US-Airlines American, Delta, Southwest und JetBlue vom weltweiten Trend ab. Deren durchschnittliche Flugzeuggröße ist sogar gestiegen. Dies liegt im Falle von American Airlines nicht am Flugzeug-Typ, sondern vor allem an der geänderten Sitzkonfiguration (die B737-800 wurde mit 172 statt mit zuvor 160 Sitzen aufgerüstet). Die anderen US-Airlines setzen vermehrt auf die Airbus A321 (bis zu 220 Sitze) und weniger auf die A320 (bis zu 186 Plätze) und die A319 (bis zu 150 Sitze). 

All dies verändert auch die Produktionsplanungen von Airbus und Boeing. Bei künftigen Flottenentscheidungen der Airlines werden die Vorteile des Betriebs neuerer, treibstoffeffizienterer Flugzeuge noch stärker in den Vordergrund treten. Ältere Flugzeuge werden früher ausgemustert bzw. früher gegroundet. Airbus-CEO GuillaumeFaury geht davon aus, dass der Markt für Verkehrsflugzeuge erst bis 2025 auf das Vor-­Krisen-Niveau zurückkehrt. Für den CEO von Boeing Commercial Airplanes, StanleyA.Deal, wird die Covid-19 Pandemie „die Flottenstrategien der Fluggesellschaften bis weit in die Zukunft hinein prägen.“ Im Fokus dabei stünden Netzwerkflexibilität, maximierte Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig minimiertem Risiko sowie die Effizienz und Nachhaltigkeit.  

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