ANA
Reaktivierung geparkter Flotten

Hochfahren als Kraftakt! So kommen Flugzeuge & PilotInnen wieder auf Touren

Print-Ausgabe 19. Februar 2021

Gilberto Lopez Meyer, Senior Vice President Safety and Flight Operations bei der IATA


 

Das kontinuierliche Hochfahren der Flugbetriebe mit Beginn des Sommerflugplans 2021 bzw. nach Ostern wird für die Luftfahrt alles andere als einfach

Aktuell bewegt sich das Aufkommen in Europa laut Eurocontrol auf rund einem Drittel des Niveaus von vor einem Jahr (an Spitzentagen um die 10.000 Flüge gegenüber bis zu 30.000 im Vorjahres-Februar). In den USA, – dort werden nicht Flüge, sondern Passagierzahlen publiziert –, bewegt sich das Volumen laut TSA (Transportation Security Administration) bei rund zwei Fünftel (42 %) des Vorjahres-Levels.

Entsprechend viele Flieger sind damit langfristig geparkt und PilotInnen zum Nichtstun gezwungen. Beides gilt es in den kommenden Monaten wieder vermehrt in den aktiven Dienst zurückzuführen. Eine Herkules-Aufgabe für alle Betroffenen, geht es doch allen voran um das Erreichen der von den Gesetzgebern verlangten hohen Sicherheitsstandards, bei Top-Airlines wie Lufthansa sogar darüber hinaus.  

Beim Restart nach dem ersten Lockdown 2020 waren weltweit von den rund 30.000 im Einsatz stehenden Flugzeugen ca. 17.000 geparkt. Die allseits getragene Hoffnung, dass damit ein Großteil der Krise überwunden wäre, entpuppte sich bald als falsch: Spätestens seit Ende Dezember ist klar, dass die ohnehin vorsichtig prognostizierte Erholung der Luftfahrt durch jüngste Corona-Mutationen einiges länger dauern wird.

Rund um den Globus sind weiterhin Flugzeuge eingemottet, selbst in China, wo Corona nur noch ein Rand­thema ist: Die dortigen „Big Three“ (China Southern, China Eastern und Air China) halten zwischen 10 % und 20 % ihrer Flotten am Boden. In den USA sind es bei American, United und Delta zwischen 22 % und 30 %. Die Nummer 1 unter den Golf-Carriern Emirates hat derzeit 43 % ihrer 266 Jets gegroundet. Der US-Low Cost Riese Southwest kommt auf 18 % geparkter Jets, ebenso wie Europas größter Low Coster Ryanair. Bei Lufthansa sind derzeit mit 179 der 265 Flugzeuge zwei Drittel (67,5 %) der Flotte geparkt, bei Swiss 53 % (konkret 49 von 92 Maschinen), bei Austrian Airlines 43 von 79 (das sind 54 %). Beim Low Cost Carrier der LH Group Eurowings stehen sogar 74 der 93 Maschinen am Boden (rund 80 %), bei Eurowings Europe 10 der 12 Jets (83 %).

Die Reaktivierung eines Flugzeuges, das über Nacht oder ein paar Tage geparkt ist (Abdeckungen auf Triebwerken und Staurohren), geht rasch über die Bühne. Aber selbst da müssen TechnikerInnen die Überprüfung vornehmen.

Wird eine Maschine länger geparkt, dann geht’s in die „Deep Storage“: Sämtliche Öffnungen müssen geschützt und Betriebsmittel abgelassen werden. Die Reaktivierung erfordert viele Mannstunden und oft – je nach Dauer der Einlagerung – sind zum Teil auch Testflüge (ohne Passagiere) erforderlich.

Piloten wiederum müssen regelmäßig innerhalb von 90 Tagen zumindest drei Landungen absolvieren (dies geht auch am Simulator), nach sechs Monaten steht eine behördliche Simulator-Überprüfung an. Beides sind Minimum-Anforderungen. Airlines, die besondere Sorgfalt an den Tag legen, – ExpertInnen nennen in diesem Zusammenhang an vorderster Stelle immer wieder Lufthansa –, schreiben ihren Cockpit-­Crews mehr Trainingsprogramme vor.

Bei Austrian Airlines stehen die PilotInnen der noch aus acht Turbo­props bestehenden Bombardier DHC 8-200-Flotte (sie werden ab Ende März ausgemustert) sowie der 17 Stück umfassenden Embraer 195 Flotte (zwei sind geparkt) rund um die Uhr im Einsatz. Bei den großen Boeing 777-200ER (drei der sechs Jets sind geparkt) macht eine Kerntruppe weiter Dienst, ebenso bei den Boeing 767-300 (drei von sechs geparkt, die drei ältesten werden ab März bis Ende Sommer verkauft). Bei der OS Airbus A320-Familie sind nur drei von 26 A320 im Einsatz, ebenso vier von sieben A319 (alle sieben werden ab Sommer im Monatstakt die Airline verlassen). Die sechs A321 sind komplett gegroundet. Konkret bedeutet dies, dass von den rund 1.000 Austrian-PilotInnen um die 450 im Einsatz stehen (pro Maschine auf der Kurz- und Mittelstrecke ca. 10 PilotInnen, auf der Langstrecke sind es pro Flieger 20 bis 24).

Geschult werden müssen nach längeren Pausen neben den Bord-Crews auch Bodenpersonal und Flug­sicherung. Dabei geht es, wie bei der Reaktivierung der Maschinen, um Einhaltung der in der Luftfahrt erforderlichen Sicherheits-Standards. Denn eines steht laut Gilberto Lopez Meyer, Senior Vice President Safety and Flight Operations bei der IATA (International Air Transport Association) fest: Die Luftfahrt kann sich beim bevorstehenden langsamen Hochfahren alles leisten, nur keine Unregelmäßigkeiten punkto Sicherheit. 

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