Print-Ausgabe 24. Februar 2017
T.A.I. Vergleich unter Europas Top-Airports inkl. Prag, Budapest und Bratislava zeigt, dass Wien von der Pisten-Kapazität her bereits jetzt mit dem Rücken zur Wand steht
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) von Anfang Februar, den Bau der dritten Piste für Wien Schwechat wegen zusätzlicher CO2-Belastung zu untersagen, ist auf heftige Kritik gestoßen. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, die beiden Bundesländer Wien und NÖ (sie halten je 20 Prozent der Anteile) haben rechtliche Schritte angekündigt. Wobei sich die Frage stellt, wo und wie Wien mit seiner bestehenden Pistenkonfiguration im europäischen Umfeld dasteht. T.A.I. hat die wichtigsten Eckdaten erhoben und ist zu einem ernüchternden Ergebnis gekommen.
Denn aus dem Vergleich mit Europas Top-Airports geht hervor, dass neben Dublin, Irlands Hauptstadtflughafen, Wien der einzige (!) der großen Flughäfen ist, der sein Auslangen mit zwei gekreuzten Pisten finden muss. Die Iren haben längst die Weichen für eine dritte Piste gestellt, deren Bau im Dezember begonnen wurde und die 2020 eröffnet wird.
Gekreuzte Pisten
Das Problem zwei gekreuzter Runways besteht darin, dass sie aufgrund der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit im Realbetrieb nur 1,6 Pisten entsprechen. Auch Zürich muss mit dem Manko gekreuzter Pisten operieren, dort sind es aber drei, was mehr Spielraum zulässt. Zürich Kloten hat trotzdem nur rund 15 Prozent mehr Flugbewegungen pro Jahr.
Mit zwei gekreuzten Pisten, so wie Wien, auskommen müssen lediglich Prag und Bratislava, die aber in einer (vor allem im Falle von BTS komplett) anderen Liga spielen. Budapest, dessen Aircraft Movements pro Jahr nur zwei Fünftel des Wiener Volumens betragen, ist mit zwei parallel verlaufenden Pisten erheblich besser aufgestellt.
Flugbewegungen und Passagiere
Bezüglich der pro Jahr abgewickelten Flugbewegungen (Starts und Landungen) liegt Wien unter den für den Vergleich herangezogenen 27 Airports im Mittelfeld und bewegt sich damit in einer Größenordnung, in der ausschließlich Flughäfen mit drei Pisten bzw. zwei parallel angeordneten Runways agieren.
Aufschlussreich ist auch die Kennzahl „Anzahl der Passagiere pro Flug“ (Passagierzahlen dividiert durch Aircraft Movements). Die drei Londoner Airports markieren hier zusammen mit Manchester die absolute Spitze (Standsted kann dadurch mit nur einer Piste 24,3 Millionen Passagiere pro Jahr abwickeln, etwas mehr sogar als Wien), gefolgt von Barcelona, Paris CDG, Amsterdam und Dublin.
Diesbezüglich bildet Wien – Prag und Bratislava ausgenommen – mit durchschnittlich nur 103 Fluggästen pro Flug zusammen mit Zürich und Brüssel (98) das Schlusslicht. München und Stockholm stehen mit 107 Passagieren nicht viel besser da. Der Grund liegt darin, dass diese Flughäfen stark von kleinerem Fluggerät frequentiert werden.
Neue Projekte
Rund ein Viertel der für den Vergleich herangezogenen Airports beschäftigt sich mit dem Bau zusätzlicher Pisten, drei (darunter Wien) davon befinden sich im Entscheidungs-Stadium. Bei einem (Dublin) wird bereits gebaut. Dazu kommen noch die beiden komplett neuen Flughäfen in Berlin (letzter Stand der geplanten Eröffnung Mitte 2018) und Istanbul, der ebenfalls im kommenden Jahr in seiner ersten Ausbaustufe in Betrieb gehen soll.
Fazit: Mit seinen 1,6 Pisten (die dritte soll parallel angeordnet werden) nähert sich der Flughafen Wien vom Volumen her langsam aber sicher dem obersten Bereich des Möglichen. Dublin, das von der Ausganssituation mit jener von Wien am ehesten vergleichbar ist (gekreuzte Pisten, ähnliche Anzahl an Flugzeugbewegungen), hat die Weichen für die Zukunft schon gestellt.
Sinkender CO2 Ausstoß
Bleibt das Argument der zusätzlichen CO2-Belastung. Hier ist festzuhalten, dass sich „die Luftfahrt im Oktober 2016 als einzige Verkehrsbranche weltweit dazu verpflichtet hat, die Treibgasemissionen ab 2020 bis 2050 zu halbieren“, wie der Österreichische Luftfahrtverband in einer Aussendung festhält. Und weiter: „Selbst bei steigenden Luftfahrtraten durch eine dritte Piste wird sich der CO2-Ausstoss dadurch in jenen vereinbarten Grenzen halten, wie die Behörden – Österreichs Behörde mit eingeschlossen – auf globaler Basis festgestellt haben.“ Im BVwG-Entscheid wurde darauf mit keiner einzigen Silbe eingegangen.
Fakt ist, dass ab 2025 die Kapazitätsgrenzen am Flughafen Wien erreicht sein werden. Ohne dritte Piste wird es zu einem Anstieg CO2-verursachender Warteschleifen kommen und sich darüber hinaus der Flugverkehr verstärkt Richtung Bratislava, Budapest und Prag verlagern, was zwangsläufig zu steigenden CO2-Emissionen durch zunehmenden Flug- und Individualverkehr führt.
Erstellt am: 24. Februar 2017
Foto © Martin Dichler
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