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Mitte März, kurz vor dem 1. Lockdown, kürte das Magazin „ATW“ (Air Transport World) WizzAir zur „Airline des Jahres 2020“. Erstmals in der ATW-Geschichte erhielt ein Ultra-Low-Cost-Carrier diese Auszeichnung. Acht Monate später sieht die Sache anders aus. Das zeigen die soeben von WizzAir kommunizierten Halbjahreszahlen 2020/2021 (April – September): Wizz performte dabei deutlich schlechter, als vermutet. Der direkte Vergleich mit Ryanair, Europas Billig-Arline Nummer 1, verdeutlicht dies extrem.
Restart mit unterschiedlichen Ambitionen
Langezeit sah es danach aus, als würde WizzAir all ihren Mitbewerbern – Low Cost und Netzwerk gleichermaßen – die Schneid abkaufen. So hatte Ryanair zwischen 25. März bis 20. Juni 2020 aufgrund des Lockdowns nahezu den kompletten Flugbetrieb eingestellt. Bei WizzAir war dies zwischen 7. und 30. April der Fall – also wesentlich kürzer.
Bis Ende Juni kletterten die wöchentlichen Flüge von WizzAir verglichen mit 2019 auf rund 40% des Vorjahresniveaus, danach ging es zügig nach oben (August um die 80%). Im September zog WizzAir jedoch die Reißleine. Aktuell ist sie wieder bei 40% des Vorjahresniveaus angelangt.
Ryanair ging es erheblich vorsichtiger an. Zunächst das längere Grounding, danach ein moderaterer Anstieg auf ein Niveau, das selbst im August deutlich unter jenem von WizzAir lag. Dort schwenkte man ab Oktober (Ausreißer um Allerheiligen) auf Ryanair-Niveau ein.
Ryanair dreimal so groß
In absoluten Zahlen trennen beide Carrier aber Welten: an den zwei Spitzentagen im August (Samstag 15. und Samstag 22.08.) belief sich das WizzAir-Angebot auf 598 Flüge (am dritten Spitzentag, Samstag 29.08., waren es 596). Zum Vergleich: bei Ryanair waren es an den fünf Verkehrs-stärksten Tagen im August (jeweils sonntags) zwischen 1.875 und 1.898 Flüge, das Dreifache des WizzAir-Volumens.
Mit 17,1 Mio. Passagieren von April bis Ende September beförderte Ryanair zudem knapp dreimal soviele Fluggäste, wie WizzAir, die auf 6,5 Mio. kam. Ryanair hatte allerdings ein größeres Pax-Minus zu verbuchen, als WizzAir. Doch die hatte diese Entwicklung teuer erkauft.
Zwei Strategien, gegensätzliche Auswirkungen
Denn so wie es aussieht, entspricht Ryanair mit ihrer Strategie deutlich mehr den Marktgegebenheiten im Corona-Sommer, WizzAir. Dies geht aus den Halbjahreszahlen (April bis September 2020), welche Ryanair CEO Michael O’Leary Ende Oktober und WizzAir CEO József Váradi Anfang November veröffentlichten.
Die Auslastung von Ryanair war mit 72% deutlich besser, als jene von WizzAir (64,3%), die diesbezüglich einen deutlicheren Rückgang hinnehmen musste, als der irische Konkurrent.
Noch extremer schlägt sich das definitive Missverhältnis zwischen WizzAir-Angebot und Nachfrage im Corona-Jahr bei den eingeflogenen Verlusten nieder: er ist bei WizzAir deutlich (um über 46 Mio. Euro) größer und macht extreme 52% des erzielten Umsatzes aus. Bei der ums Zweieinhalbfache größeren Ryanair erreicht der Verlust „nur“ 17% des Halbjahres-Umsatzes.
All dies sind harte Fakten. Schlussfolgerung: niemand kann dem Markt mehr abverlangen, als er hergibt, auch WizzAir nicht. Die nunmehr gezogene Notbremse war längst überfällig. Interessant und spannend werden die kommenden Winter-Monate. Die gelten in der Luftfahrt bekanntlich als die traditionell schwierigsten.
Erstellt am: 09. November 2020
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