ANA
IAG und Emirates

Das Erbe von Walsh und Clark Doppel-Abgang zweier Supermanager

Print-Ausgabe 16. Jänner 2020

Die Nachfolger von Willie Walsh und Tim Clark werden sich großen Herauforderungen stellen müssen
Bild Walsh: © Stuart Bailey, Bild Clark: © Simon Dawson/Bloomberg

Die Rücktritte von IAG-Gründer Willie Walsh und von Mr. Emirates Tim Clark markieren einen Wendepunkt in der Geschichte der weltweiten Airlines-Branche

Ende Juni 2020 erlebt die internationale Luftfahrt eine Doppel-Zäsur: Mit Tim Clark (70), President von Emirates Airlines, und Willie Walsh (58), CEO der International Airlines Group (IAG), werden gleich zwei absolute Spitzen-­Manager zurücktreten. Beide haben in den zurückliegenden Jahrzehnten die Airline-Branche entscheidend geprägt. Während Emirates noch keinen Nachfolger für Tim Clark nominiert hat, wird bei der IAG der bisherige Iberia-CEO Luis Gallego das Kommando übernehmen.

Auch wenn beide Rücktritte unabhängig voneinander erfolgen, so ist die Parallelität bzw. Zeitgleichheit doch bemerkenswert. Und die Herausforderungen, denen die Nachfolger von Clark und Walsh gegenüber stehen, erfordern andere Antworten, als es in der Ära der beiden der Fall war.

Tim Clark stand seit 35 Jahren an der Spitze des Golf-Carriers. Der frühere Gulf Air Manager hatte Emirates – von Scheich Ahmad ibn Sa‘id Al Maktum mit 10 Mio. US-Dollar Startkapital ausgestattet – von Null an aufgebaut. Aus zwei von Pakistan Airlines geleasten Flugzeugen wurden bis heute 259 Großraumjets (ausschließlich Airbus A380 und Boeing 777). Es ist die mit Abstand weltgrößte Wide-Body-Flotte. Vom Umsatz her liegt Emirates aktuell an achter Stelle der größten Airlines der Welt (2018/19 rund 23,97 Mrd. Euro).

Genie-Streich von Clark war, dass er die Möglichkeiten der geostrategischen Lage Dubais als Hub erkannte: Im Umkreis von 8 Flugstunden leben 5,6 Milliarden Menschen. Was folgte, war der exorbitante Aufstieg der Golf-­Carrier, wobei Emirates seine Mitbewerber diesbezüglich deutlich in den Schatten stellte und dem etablierten Mitbewerb aus Europa, Asien-Pazifik und Übersee, das Fürchten lehrte.<

Willie Walsh wiederum zeigte seine Qualitäten zunächst als Pilot und später im Management von Aer Lingus, die Anfang der 2000er-Jahre im beinharten Wettbewerb mit Ryanair vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stand: Walsh, der sie mit harten Einschnitten zurück in die Profitabilität führte, hatte dazu viele Rezepte der Billigflieger adaptiert und diente damit anderen Legacy Carriern als Vorbild.

Seit Mitte 2005 stand er an der Spitze von British Airways, die er – nachdem eine Fusion mit Qantas gescheitert war – 2010 mit Iberia in die neu gegründete International Airlines Group (IAG) einbrachte, eine Holding, an der BA mit 55 Prozent und Iberia mit 45 Prozent beteiligt ist. 2018 erzielte die IAG, zu der mittlerweile auch Aer Lingus sowie die Low Coster Vueling und LEVEL gehören (als sechste Airline wird heuer Spaniens Air Europa integriert), einen Umsatz von 24,4 Mrd. Euro. Der operative Gewinn kam bei 3,68 Mrd. Euro zu liegen. Es handelt sich – durch beinhartes Kostenmanagement und Serviceleistungen, die oft jenen der Low-Cost-Carrier ähneln – um eine der höchsten operativen Renditen der weltweiten Airline-Branche.

Emirates kann diesbezüglich nicht mehr wirklich glänzen. Das operative Ergebnis war 2018/19 mit umgerechnet 637 Mio. Euro zwar deutlich positiv, aber doch um Lichtjahre von jenen 2,03 Mrd. Euro entfernt, die noch 2015/16 erwirtschaftet wurden.

Grund: Die Luftfahrt-Drehkreuze der Golfregion sind zwar nach wie vor stark, doch die extremen Wachstumsraten früherer Jahre vorbei und Langstrecken-Jets der neuesten Generation (Airbus A350 und Boeing 787) ermöglichen Nonstop-Verbindungen, die zuvor aus Kostengründen nicht dargestellt werden konnten (wie z. B. San Francisco-Delhi). Jetzt fliegt einiges Geschäft an Golf-Hubs wie Dubai vorbei. Und auch die Ticket-­Tarife stehen unter Druck.

Das tun sie auch bei der IAG. Erst im November hatte sie ihr jährliches Kapazitätswachstum bis 2023 deutlich von 6 auf 3,4 Prozent reduziert, ebenso die Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr (u. a. Brexit, Arbeitskämpfe, Überkapazitäten, Treibstoffpreise). Auch bei der IAG sind die Herausforderungen demnach groß.

Antworten werden Clarks und Walshs Nachfolger finden müssen. Doch während bei Emirates noch keiner für Tim Clark ernannt wurde, macht die diesbezügliche Entscheidung bei der IAG deutlich, wohin deren weitere Reise geht: Der künftige CEO Luis Gallego kommt mit Vueling und Iberia Express aus der Low Cost-Schule. 

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