ANA
Zukunft der Dash 8 Turboprops

Das Beste aus beiden Welten! Wirtschaftlich mit Jet-ähnlicher Leistung

Print-Ausgabe 18. Juni 2021

„Die Pandemie hat Herausforderungen geschaffen, aber darin liegen auch Chancen“, so Philippe Poutissou.

Auch wenn sie bei vielen Airlines ausgemustert wird, geht De Havilland davon aus, dass die Dash 8 bei der Markterholung eine wichtige Rolle spielen wird

Die Emotionen schwappten hoch, als Austrian Airlines am 31. Mai ihren letzten Dash 8-Q400 Passagierflug durchführte. Er markierte nach über 40 Jahren das Ende der Dash Turboprop-Ära beim National Carrier, der mit diesem Schritt nicht alleine dasteht: Nur noch etwas mehr als eine Handvoll in Europa, wie Croatia Airlines, LOT, Luxair, Olympic Air, die norwegische Wideroe und seit dieser Woche die Neugründung SkyAlps, setzen weiterhin auf den kostengünstigen 90-Sitzer, dessen Produktion seit Beginn der Corona-Krise laut Eigentümer, dem kanadischen Investmentfonds Longview Avia­tion Capital (er gehört Sherry Brydson, Kanadas reichster Frau) „temporär gestoppt“ wurde. Ob und wann die Produktion wieder aufgenommen wird, wie die Turboprop-Zukunft generell eingeschätzt wird und welche Marktchancen für die Dash 8 bestehen, darüber sprach Martin Dichler für T.A.I mit Philippe Poutissou, Vice President Sales Marketing von De Havilland Aircraft of Canada.

T.A.I.: Wie hat sich die COVID-19-­Krise auf das Dash 8-Programm ausgewirkt?

Poutissou: „Die Pandemie hat Herausforderungen für uns alle in der Luft- und Raumfahrtindustrie geschaffen, aber darin liegen auch Chancen, unsere Reise zu beschleunigen. Longview Aviation Capital und De Havilland Canada stellen mit strategischen Initiativen die langfristige Lebensfähigkeit des Unternehmens sowie den ununterbrochenen Support und Service für die weltweite Flotte der Dash 8-Flugzeuge sicher. Wir sehen eine glänzende Zukunft für De Havilland Canada und das Dash 8-Flugzeugprogramm und konzentrieren uns auf das, was wir tun müssen, um unser eigenes Schicksal zu steuern.“

T.A.I.: Stehen die gebrauchten Dash 8 der Airlines wieder weltweit im Einsatz?

Poutissou: „Die Dash 8-Flotten kehren wieder in den Dienst zurück und sind in einigen der Märkte, in denen der Inlandsverkehr bereits wieder zurückgekehrt ist, z. B. Australien und USA, voll ausgelastet. Die Dash 8-1/2/300 sind bereits wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurück, da sie mehr spezielle, nicht-kommerzielle Anwendungen bedienen. Die Dash 8-400 werden etwas länger brauchen, um in Europa und Kanada wieder in Betrieb zu gehen, aber wir erwarten, dass sie eine große Rolle bei der Markterholung spielen werden, da sie der kosteneffizienteste und nachhaltigste Flugzeugtyp für Kurz- und Mittelstrecken sind.“

T.A.I.: Wird die Dash 8-Q400 jemals wieder produziert werden?

Poutissou: „Unser Ziel ist es, die Produktion zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder aufzunehmen, abhängig von der Marktnachfrage. Die vorherrschenden Umstände in der Branche haben aber neue Flugzeugverkäufe erschwert. Deshalb werden wir an unserem Standort in Downsview keine neuen Dash 8-400 über die derzeit bestätigten Aufträge hinaus produzieren. Diese Produktionspause ist eine verantwortungsvolle und umsichtige Maßnahme, die die aktuellen Bedingungen in der Branche widerspiegelt und die Belastung des Marktes und der Lieferbasis von De Havilland Canada während der Erholung von der Pandemie begrenzen wird.“

T.A.I.: Wie wird sich der Markt für Turboprops ihrer Einschätzung nach in den nächsten Jahren entwickeln?

Poutissou: „Unsere Dash 8-400 bedient den Markt mit bis zu 90 Sitzen. Wir gehen davon aus, dass sich der Markt auf das Niveau vor der Pandemie erholen wird. In den bestehenden Märkten wird es einen Ersatzbedarf geben und in den sich entwickelnden Märkten wird es eine Rückkehr zum Wachstum geben. Die Pandemie hat die Flexibilität und die einzigartigen Fähigkeiten der Dash 8 ins Rampenlicht gerückt, und wir erwarten, dass ein größerer Teil der Flotte alternative Einsätze wie Brandbekämpfung, Frachtanwendungen und Spezialmissionen wie Seepatrouille und ISR (Intelligence, Surveillance & Reconnaissance) übernehmen wird.“

T.A.I.: Sind Turboprop-Flugzeuge weiterhin unverzichtbar, um regionale Märkte kostengünstig zu bedienen?

Poutissou: „Wir gehen davon aus, dass Turboprops für die Bedienung regionaler Märkte noch viele Jahre lang unverzichtbar sein werden. Generell ist die Dash 8-400 so konzipiert, dass sie die Anforderungen verschiedener Geschäftsmodelle erfüllt und viele Vorteile bietet. Das Beste aus beiden Welten: Turboprop-Wirtschaftlichkeit kombiniert mit Jet-ähnlicher Leistung zur Maximierung von Auslastung und Gewinn sowie höchste Rentabilität.“

T.A.I.: Und trotzdem flotten Fluglinien wie Austrian Airlines ihre Dash 8 Flugzeuge aus?

Poutissou: „Obwohl Austrian angekündigt hat, ihre Dash 8-400 in den Ruhestand zu schicken, glauben wir, dass diese Entscheidung nicht von den Fähigkeiten des Flugzeugs abhängt. Tatsächlich sehen wir bereits eine ‚Erneuerung‘ mit Betreibern, die in die Lücken eintreten, die die großen Netzwerk-Airlines aufgeben. Das wichtigste Beispiel ist die italienische SkyAlps, die Anfang dieser Woche ihren Flugbetrieb mit Dash 8-400 von Bozen aus nach Rom und Parma aufnahm, gleich hinter der Grenze in Südtirol.“ 

Kurzportrait Philippe Poutissou

Nach seinem Ingenieurs-Studium (Queens University) und Master in Aeronautics (Washington University) startete Philippe Poutissou 1995 als Aerodynamics Engineer bei Bombardier in Toronto. Bis 2014 stieg er bis zur Position des Vice President Marketing auf. Im Jahr 2015 folgte der Wechsel als Head of Strategy & Development zur Turboprop Leasingfirma Elix Aviation Capital. Seit Juni 2019 steht er bei De Havilland Aircraft of Canada als Vice President Sales Marketing vor.

Bislang wurden 1.409 Dash Turboprops produziert und ausgeliefert, 113 vom ersten Modell, der Dash 7 und 1.296 der Dash 8-100 bis Dash 8-400, dem mit Abstand erfolgreichsten Modell, auf das mit 625 Maschinen nahezu die Hälfte aller Dash 8-Modelle entfiel.

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