Print-Ausgabe 6. April 2018
Die Eurowings-Vorherrschaft im Punkt-zu-Punkt-Verkehr der deutschsprachigen Quellmärkte gerät unter Druck – im Hintergrund ziehen Lufthansa und Ryanair die Fäden.
Das Jammern rund um den vermeintlichen „Verrat“ an der „österreichischen Lösung“, die Niki Lauda durch Hereinnahme von Ryanair mit zunächst 24,5 Prozent, bald mit 75 Prozent an Laudamotion vorgeworfen wird, ist an Provinzialität kaum zu übertreffen. Denn an Genialität ist der Schachzug kaum zu überbieten. Jetzt geht es nicht mehr um rot-weiß-rote Sandkistenspiele, sondern um die Vorherrschaft im Punkt-zu-Punkt-Verkehr der DACH-Region. Dort gibt Eurowings seit der Airlberlin-Pleite als Marktführer den Ton an. Durch den Ryanair-Einstieg bei Laudamotion gerät diese Dominanz unter Druck. Es ist kein Kampf David gegen Goliath, sondern die Auseinandersetzung zweier Titanen: auf der einen Seite die Lufthansa Group – einer der Top-4 Airline-Konzerne der Welt – auf der anderen mit Ryanair der weltweit erfolgreichste Low Cost Carrier der Gegenwart.
Bereits zum Laudamotion-Start wird nicht gekleckert, sondern geklotzt: wie Niki Lauda und Ryanair CEO Michael O’Leary Mitte voriger Woche in Wien bekannt gaben, werden ab Juni 21 Laudamotion-Flugzeuge von neun Städten der DACH-Region auf 65 Strecken zu 44 Flughäfen unterwegs sein. Zu den bisher genannten Stützpunkten Wien, Zürich, sowie Düsseldorf, Frankfurt, München, Köln, Nürnberg und Stuttgart kommt jetzt auch Berlin Tegel (TXL), wo vier der sechs von Ryanair an Laudamotion im Wet-Lease vermieteten Boeing 737-800 stationiert werden.
Ursprünglich wollte Ryanair selbst in TXL Fuß fassen. In Berlin Schönefeld SXF ist sie bereits aktiv mit zuletzt neun Boeing 737-800 und rund 5 Millionen Passagieren. Laut Ryanair CCO David O’Brien plant die Airline für ihre Berlin-Offensive rund 800 Mio. Euro in neue Flugzeuge zu investieren. Die Passagierzahlen sollen sich binnen 18 Monaten auf 10 Millionen verdoppeln. Das angepeilte Volumen entspricht rund 30 Prozent des früheren Airberlin-Volumens in der deutschen Hauptstadt.
Ryanair hat mit Laudamotion, die als eigenständige Marke etwas höher positioniert wird, große Pläne. Ohne Ryanair-Partnerschaft wäre Laudamotion für LH/Eurowings bestenfalls ein Frühstücksgegner geworden. Jetzt wird sie zur beinharten Konkurrenz. Ryanair ist gemessen am Umsatz Europas größter Low Cost Carrier und übertrifft die Nummer 2, easyJet, um rund ein Fünftel. Gemessen an den Passagieren ist die Ryanair-Dominanz noch eklatanter: Sie transportierte 2017 um 45 Prozent (!) mehr Passagiere als der britische Mitbewerber. Damit nicht genug, beförderte Ryanair mit 128,8 Millionen Fluggästen im Vorjahr mehr, als die Low Cost Nummern 3 bis 7, Norwegien, Vueling, Wizz Air, Eurowings und Transavia, zusammen (128,09 Millionen).
Auch von den Kennzahlen her stellt Ryanair (IATA Code: FR) für die LH Group den denkbar unangenehmsten Konkurrenten dar. Die FR-Eigenkapitalquote ist rund um drei Fünftel höher, die liquiden Mittel in Relation um Umsatz übertreffen jene des LH-Konzerns um das Viereinhalbfache und der operative Cashflow in Prozent zum Umsatz überragt jenen des Kranichs um das Doppelte.
Die Auslastung von Ryanair ist die mit Abstand höchste der Welt, ebenso die operative Rendite. Von der MitarbeiterInnen-Produktivität übertrifft Ryanair den Lufthansa-Konzern um ein Fünftel, jenen der LH Point-to-Point Airlines (Eurowings und Brussels) um 4,4 Prozent. Und um die zuletzt rund 130 Millionen Passagiere zu befördern, benötig der LH-Konzern 711 Flugzeuge 19 unterschiedlicher Typen, Ryanair hingegen 420, ausnahmslos Boeing 737-800. Künftig werden es durch Laudamotion auch Jets der A320-Familie sein.
Bleibt der Ausblick auf die Zukunft: bis 2020 soll die Laudamotion-Flotte auf 30 bis 40 Stück anwachsen. Die Ryanair-Group inkl. Laudamotion wird dann gemäß aktueller Flottenplanung erstmals mehr als 500 Flugzeuge haben, im Jahr 2025 über 600. Wie viele davon mit OE-Kennzeichnung unterwegs sein werden, wird sich weisen. Für Spannung ist gesorgt.
Erstellt am: 06. April 2018
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