Print-Ausgabe 31. Jänner 2020
1932 von Tata gegründet könnte der größte Konzern des Subkontinents wieder Air India-Eigentümer werden – im Hintergrund mischt Singapore Airlines mit
In ihrer heißen Phase gelandet ist der Verkaufsprozess von Air India: Potentielle Käufer haben bis Ende Jänner Zeit, eine „Expression of Interest“ (EOI) abzugeben. Die Privatisierung des National Carriers hat für Indiens Regierung oberste Priorität, nachdem vor zwei Jahren ein Verkauf mit 24-Prozent Staatsbeteiligung gescheitert war. Jetzt soll die schwer defizitäre Airline zu 100 Prozent veräußert werden. Die weitere Zukunft von Air India ist auch für Österreich wichtig: Sie verbindet seit April 2018 Delhi mit Wien (aktuell viermal pro Woche), nachdem sich Austrian Airlines komplett aus Indien zurückgezogen hatte. Indien ist mittlerweile die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Der Verkaufsprozess fällt in eine für die indische Luftfahrt schwierige Phase. Ende Dezember 2019 schätzte das Beratungsunternehmen CAPA (Centre for Aviation) die konsolidierten Nettoverluste der indischen Luftfahrtunternehmen im Zeitraum 2019/20 auf rund 600 Mio. US-Dollar. Den dicksten Brocken davon dürfte Air India zu verdauen haben. Erst im Frühjahr 2019 musste Jet Airways – zuvor noch Indiens Nummer zwei hinter der weiterhin profitablen IndiGo –mit einem Schuldenberg von rund 3,5 Mrd. US Dollar ihren Betrieb einstellen.
Entsprechend verhalten war die Resonanz potenzieller Investoren im Zuge einer Präsentation von Indiens Department of Investment and Public Asset Management (DIPAM) im November 2019 in Singapur und London.
Profitiert vom Jet Airways-Grounding hat neben IndiGo (deren Inlands-Marktanteil binnen Jahresfrist per Juli 2019 von 42 auf 49 Prozent hochschnellte) vor allem SpiceJet, die als neue Nummer 2 ihren Marktanteil von 12 auf über 16 Prozent ausbauen konnte, während Air India mit etwas mehr als 12 Prozent auf der Stelle trat.
Immer besser ins Spiel kommt – hinter GoAir – Indiens nunmehrige Nummer 5 Vistara Airlines. Das 2015 gestartete Joint Venture von Singapore Airlines (49 Prozent) und der Tata Group (51 Prozent) – Indiens größtem Mischkonzern, über 100 Mrd. US-Dollar weltweiter Umsatz – ist als Full-Service Carrier konzipiert und betreibt mittlerweile eine Flotte von 40 Airbus A320 und Boeing 737 Jets. Vor einem Jahr waren es erst 23. Demnächst kommen bis zu sechs Boeing 787-9 „Dreamliner“ hinzu, mit denen erstmals auch Langstreckenflüge nach London, Tokio und in die USA angeboten werden sollen. Der innerindische Vistara-Marktanteil schnellte binnen Jahresfrist (bis Juli 2019) um zwei Fünftel nach oben. Seither hat Vistara AirAsia (an der die Tata Group ebenfalls 51 Prozent hält, 49 Prozent gehören der AirAsia Holding) deutlich überholt.
Vistara steht noch aus einem anderen Grund im Rampenlicht: Die Tata Group gilt als chancenreichster Kandidat für den Kauf von Air India, für die es – sollte Tata den Zuschlag erhalten – ein Vorgang „back to the roots“ wäre. Denn Air India wurde vor bald 90 Jahren von Tata gegründet (zunächst als Tata Aviation, seit 1946 Air India), bis der Konzern Anfang der 1950er-Jahre gezwungen wurde, die Airline an den Staat zu verkaufen. Air India galt damals als eine der besten Fluggesellschaften der Welt.
Tata Chairman N Chandrasekaran macht die Zustimmung für den Kauf letztendlich vom Visitara-Management rund um CEO Leslie Thng (vor seinem Wechsel an die Spitze von Visitara CEO der Singapore-Tochter Silk Air) abhängig. „Ich werde keine dritte Fluggesellschaft zusätzlich zu Vistara und AirAsia betreiben, es sei denn wir verschmelzen“, betonte Chandrasekaran vor kurzem.
Graue Eminenzen im Hintergrund sind Ratan Tata – von dem angenommen wird, dass er Air India gerne wieder zurück in die Tata Group holen möchte – und Singapore Airlines (SIA). Sollte es zur Übernahme und Verschmelzung mit Vistara kommen, wäre SIA mit an Bord. Damit würde Air India nicht nur in der Holding ihres einstigen Gründers landen, sondern auch – mit Singapore Airlines Know-how – zu einer wesentlich schlagkräftigeren Airline werden.
Im indischen Heimatmarkt würden die Karten ebenfalls neu gemischt werden: Zusammen kämen Vistara und Air India innerhalb Indiens auf einen Marktanteil in Höhe von knapp 20 Prozent, womit sie die Nummer 2 Position einnehmen würden.
Beste Chancen auf die Position des CEO in der künftigen Air India „neu“ werden Leslie Thng eingeräumt. Er hat bereits vor zwei Jahren betont, Vistara zu einem globalen Full Service-Carrier formen zu wollen. Mit der Fusion könnte er dieses Ziel erreichen: Vistara startete erst im August des letzten Jahres am internationalen Parkett zu aktuell fünf Zielen, bei Air India sind es 45. Und wie man Geld verdient, hat der frühere langjährige Singapore Airlines-Manager bereits bei Silk Air gezeigt.
Erstellt am: 31. Jänner 2020
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