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Eurocontrol

„2023 wird für Europas Luftfahrt das schwierigste Jahr der Dekade!“

Print-Ausgabe 20. Jänner 2023

„Es wird eine immense Aufgabe sein, die Verspätungen im Sommer gering zu halten“, so Raúl Medina Caballero (Bild: © Eurocontrol)


 

Laut Bericht der europäischen Flugsicherungsbehörde sind mit dem weiteren Anstieg der Nachfrage und Eindämmung der Verspätungen vor allem zwei Hürden zu meistern

Eurocontrol (European Organisation for the Safety of Air Navigation) mit Sitz in Brüssel geht davon aus, dass die Luftfahrt des Kontinents im neuen Jahr vor „potenziell großen Herausforderungen“ bezüglich ihrer weiteren Erholung nach Überwindung der Pandemiejahre steht. „2023 wird das schwierigste der letzten 10 Jahre werden“, so Raúl Medina Caballero, seit Jänner amtierender Generaldirektor der europäischen Flugsicherungsbehörde. Die zwei größten Hürden, die es zu überwinden gilt, stellen die Anpassung der Kapazität an die Nachfrage sowie die Eindämmung von Verspätungen dar. 2022 gab es auf Europas Himmel mit 9,3 Millionen Flügen zwar um ein Drittel (3,1 Millionen) mehr als noch 2021, aber diese Zahl lag noch immer um mehr als 17 % bzw. 1,8 Millionen Flüge unter jenen von 2019.

Trotzdem lag der Anteil der verspätet an ihrem Reiseziel ankommenden Passagiere mit 31 % (fast ein Drittel) signifikant über dem Wert von 2019. Damals waren es mit 24 % (nahezu ein Viertel) bereits unerträglich viele. Dabei waren 2019 in Summe 1,24 Mrd. Passagiere in Europa mit dem Flugzeug unterwegs, 2021 lag diese Zahl bei 795 Millionen. In den Hochsommermonaten 2022 kamen nur 40 % der Flüge pünktlich an und für das gesamte Jahr lag die durchschnittliche Verspätung der Ankünfte bei 17 Minuten und damit um ein Drittel (33 %) höher als 2019.

Fast die Hälfte aller von Eurocontrol 2022 verzeichneten Verspätungen waren laut ihrem Bericht auf „unvorhergesehene Personal- und Kapazitätsengpässe bei Airlines, Flughäfen, Bodenabfertigern und der Einwanderungsbehörden“ zurückzuführen. Die (zahlreichen) Streiks bei den Fluggesellschaften und an Flughäfen haben hingegen nicht dazu beigetragen, ebenso wenig wie die vollzogenen „System­implementierungen“ in den Eurocontrol-Kontrollzentren in Lissabon, Reims und Prag.

Bei Eurocontrol – ihr gehören 43 Mitgliedstaaten an, inklusive Israel, der Türkei und Marokko – geht man davon aus, dass sich die Flugpläne 2023 auf etwa 92 % des Niveaus von vor Covid erholen. Erst 2025 dürfte es wieder denselben Level erreichen bzw. überschreiten. Trotzdem wird es nach Ansicht von Raúl Medina Caballero und seinem Team „eine immense Aufgabe für alle Akteure sein, die Verspätungen im Sommer gering zu halten“. Als Stolpersteine erweisen sich dabei anhaltende Luftraumprobleme aufgrund von Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, mögliche Arbeitskampfmaßnahmen, der latente Personalmangel, System­änderungen und die schrittweise Wiedereröffnung der asiatischen Märkte. Gleichzeitig gilt es, mehr Flugzeuge im System abzuwickeln als in den Pandemiejahren.

Der Eurocontrol-Bericht enthält neben diesen Hinweisen auf die Herausforderungen 2023 auch eine Fülle von Daten und Statistiken über die europäischen Fluggesellschaften und Flughäfen im zu Ende gegangenen Jahr. So geht daraus hervor, dass Ryanair 2022 mit durchschnittlich 2.536 Flügen pro Tag die verkehrsreichste Fluggesellschaft des Kontinents war. Nicht nur das: Sie war damit sogar um 9 % mehr unterwegs als im Vor-Pandemie-Jahr 2019. An zweiter Stelle rangiert EasyJet mit tägliche 1.335 Flügen, was jedoch einen Rückgang von 20 % im Vergleich zu 2019 bedeutet. Auf Platz 3 lag Turkish Airlines mit 1.245 Flügen pro Tag (−7 % gegenüber 2019), vor Lufthansa (1.058 Flüge, −29 %) und Air France­ (953 Flüge, −20 %).

Top 10 aircraft operatora (avg. daily flights and % vs. 2019)

Als aufkommensstärkster Airport im Verantwortungsbereich von Eurocontrol erwies sich 2022 der Hauptflughafen von Istanbul mit 1.156 täglichen Starts und Landungen (Vergleich mit 2019 ist keiner möglich, da er erst im April jenes Jahres offiziell eröffnet wurde), vor Amsterdam Schiphol (1.140 Starts/Landungen, −18 % gegenüber 2019) und Paris Charles de Gaulle (1.122 Starts/Landungen, −19 %), Frankfurt (1.048 bzw. −26 % gegenüber 2019, als er der verkehrsreichste Flughafen im Zuständigkeitsbereich von Eurocontrol war) und London Heathrow (1.042 bzw. −20 %).

Unterschiedlich waren auch die Verkehrstrends in den einzelnen Mitgliedsländern. Griechenland verzeichnete beispielsweise 2022 um 1 % mehr Flugbewegungen als 2019 (nur die „Zwerge“ Alba­nien, Armenien und Bosnien­Herzegowina verzeichneten höhere Steigerungen). Mit leichten einstelligen Rückgängen kamen dagegen Portugal, Kroatien, die Türkei und Spanien über die Runden. Österreich schloss das Jahr mit −24 % an Flugbewegungen ab, Deutschland mit −25 %. Die Schweiz schaffte immerhin −15 %.

Der verkehrsreichste Inlandsmarkt Europas war Spanien, vor Frankreich, Italien und Großbritannien. Bei den internationalen Flügen innerhalb Europas lag die Verbindung zwischen dem Vereinigten Königreich und Spanien in Front, bei den Flügen von Europa in/aus andere(n) Regionen der Welt gab es die meisten Flüge in bzw. aus dem Mittleren Osten (−16 % gegenüber 2019), gefolgt von Nordame­rika (−9 %) und Nordafrika (−16 %). Im Vergleich zu 2019 gingen die Asien-Pazifik-Flüge um ein Drittel (−33 %) zurück.

Eurocontrol beschäftigt rund 1.900 Mitarbeiter:innen in vier europäischen Ländern. Neben dem Hauptsitz in Brüssel bestehen Niederlassungen in Maastricht (Upper Area Control Centre), im französischen Brétigny sur Orge (Experimental Centre) und in Luxemburg (Institute of Air Navigation Services).

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