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Interview Karl J. Pojer

Schnellster Hotelier der Welt setzt auf Entschleunigen

Print-Ausgabe 9. Februar 2018

Mit dem besten Ergebnis der Unternehmens-Geschichte, zwei innovativen Neubauten im Expeditionsbereich sowie den beiden Berlitz Cruise Guide Dauer-Siegern Europa und Europa 2 will Karl J. Pojer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Cruises, in Zukunft die Benchmark der weltweiten Kreuzfahrtbranche setzen. Im Interview mit T.A.I. verriet der „schnellste Hotelier der Welt“ (siehe Kurzportrait) Details zu diesem Vorhaben.

T.A.I.: Hapag-Lloyd Cruises hatte 2016/2017 eine sehr gute Entwicklung. Schlug sich das auch im Ergebnis nieder?

Karl J. Pojer: „Ja. Wir haben vor zwei Jahren eine klare Positionierung durchgeführt, mit Luxus und Expedition. Diese Strategie geht voll auf. Im Vorjahr hatten wir das beste betriebswirtschaftliche Ergebnis der Hapag-Lloyd Cruises-Geschichte, plus parallel dazu die höchste Weiterempfehlungs- und Gästezufriedenheitsraten ever. Die klare Zielgruppen-Positionierung hat den Markt durchdrungen, Vertrieb und Kunden wissen, wofür Hapag Lloyd Cruises steht.“

T.A.I.: Wie sieht diese Positionierung genau aus?

Pojer: „Die Europa 2 wendet sich an die moderne Leistungselite und steht für Lifestyle. Die Europa fokussiert auf die traditionelle gesellschaftliche Elite und mit unseren Expeditions-Schiffen sprechen wir die Bildungselite an. Wobei uns die gemeinsame DNA der Schiffe wichtig ist, denn die Zielgruppen überschneiden sich mehr und mehr. Alter ist jedenfalls kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Wir sehen das auf unseren Schiffen: die Menschen wollen lernen und aktiv erleben. Heute ist 70 kein Alter mehr, wir werden deshalb die Säule Sport noch mehr ausbauen.“

Die Hapag-Lloyd Cruises-DNA

T.A.I.: Worin liegt die gemeinsame DNA der Hapag-Lloyd Cruises-Schiffe?

Pojer: „Allen voran im guten Routing. Es ist das wichtigste Entscheidungskriterium für unsere Kunden und wir haben es neu durchdacht. An zweiter Stelle folgt das Schiff selbst und an dritter Stelle die Gastronomie. Dazu kommen das Ausflugsangebot und der Grad an individuellem Service. Wir haben deshalb die Qualität weiter nach oben gezogen, sowie Schlagkraft und Schnelligkeit unserer Entscheidungen verbessert.“

T.A.I.: Die beiden HANSEATIC Expeditionsschiffe nature und inspiration, die 2019 in See stechen, dominieren derzeit die Hapag-Lloyd Cruises-Kommunikation. Wie steht es um Europa und Europa 2?

Pojer: „Die beiden bilden den Schwerpunkt in unserem Luxusbereich. Sie gehen alle zwei Jahre in die Werft, um die Hardware auf hohem Niveau zu halten und auch um Neuerungen zu bringen. Im vergangenen Herbst erhielt die Europa einen neuen Spa, die restlichen Badezimmer wurden erneuert und die Belvedere Lounge gemacht. Wir haben vieles getan, damit unsere Lady jung bleibt. 2019 wird sie 20 Jahre, da wird es ein spezielles Programm geben. Auch die Europa 2 war in der Werft, um sie noch perfekter zu machen. Es wurde der Spa überarbeitet, – er ist jetzt noch moderner –, die Belvedere Lounge umgerüstet und wir haben einen zusätzlichen Sportbereich geschaffen. Diese Maßnahmen zahlen sich aus: sowohl die Europa als auch die Europa 2 erhielten im Berlitz Cruise Guide 2018 als einzige Schiffe die Bewertung 5-Sterne-Plus.“

Auslastung und Durchschnittsrate

T.A.I.: Laut Geschäftsbericht der TUI kletterte die Durchschnittsrate der Hapag-Lloyd Cruises-Schiffe um 15 Euro auf 594 Euro, trotzdem blieb die Auslastung mit 76,7 Prozent nahezu unverändert. Ist damit der Plafond erreicht?

Pojer: „Es stimmt, bei der Rate gab es einen sehr guten Anstieg. Die Belegung ist wegen der Werftaufenthalte annähernd gleich geblieben. Wobei die von Ihnen erwähnten Preise nur die reine Seepassage widerspiegeln. Die Flüge für An- und Abreise, die Vor- und Nachprogramme oder die Ausflüge sind darin nicht enthalten. Ob der Plafond erreicht ist? Aufgrund der Größe unserer Schiffe sind wir bei 85 Prozent Auslastung zu über 100 Prozent belegt, da wir auch Einzelreisende haben und Kabinen für Künstler benötigen. Ein bisschen Luft besteht noch nach oben, aber wir haben bereits ein sehr, sehr gutes Niveau. 100 Prozent am Papier sind technisch nicht möglich. Die Buchungsvorlaufzeit liegt übrigens bereits bei fast acht Monaten.“

Flotten-Planung

T.A.I.: Gibt es Pläne für weiteres Flotten-Wachstum?

Pojer: „Jetzt bringen wir mal die beiden neuen Schiffe aufs Wasser und dann werden wir weitersehen. Mit der HANSEATIC nature und der HANSEATIC inspiration rücken Luxus und Expedition hardware- und softwaremäßig weiter zusammen. Beide sind auf 5-Sterne Niveau. Zusammen mit der Europa und der Europa 2 sind wir künftig die Benchmark.“

T.A.I.: Wie sieht es mit der Bremen aus?

Pojer: „Die 4-Sterne Bremen als drittes Expeditionsschiff bleibt. Sie fasst 156 Passagiere, ist unheimlich beliebt und hat einen hohen Stammkundenanteil. Es ist unser Love-Boat, sie kann aufgrund der Größe den Amazonas soweit hinauf fahren, wie kein anderer. 2016 ist die Bremen als erste auf der Nordwest-Passage durch den M‘Clintock Sound gefahren, 2018 reist sie in der Antarktis von Kap zu Kap und wagt später die legendäre Halbumrundung des sechsten Kontinents als derzeit einziges Expeditionsschiff. Im Jahr 2019 wiederum wird die BREMEN als erstes Schiff eine Halbumrundung der Arktis in 72 Tagen durchführen.“

Thema Umwelt

T.A.I.: Ein heikles Thema bei Kreuzfahrten betrifft die Umwelt. Wie sieht es diesbezüglich bei Hapag-Lloyd Cruises aus?

Pojer: „Das Thema Umwelt ist für uns sehr wichtig. Wir haben deshalb bei unseren beiden Neubauten HANSEATIC nature und HANSEATIC inspiration auf alle Marketing-Coups verzichtet, wie Helikopter oder U-Boote. Wir wollen entschleunigen und nicht beschleunigen. Wir haben die beiden auch ‚nature‘ und ‚inspiration‘ genannt, um vom Namen her bereits unser Bewusstsein und Routing zu dokumentieren.“

T.A.I.: War für die beiden Neubauten der Einsatz von LNG (liquefied natural gas) als Treibstoff keine Option?

Pojer: „LNG und Landstrom sind nicht der Weisheit letzter Schluss, schon gar nicht für Expeditionsschiffe. Für die beiden Neuen hätten wir fast ein Drittel des Decks für LNG-Tanks bereithalten müssen und dort wo wir hinfahren, wird es in den nächsten 20 Jahren kein LNG geben. Wir tun aber extrem viel für Umweltschonung. Wir setzen im Expeditionssegment rund 70 Prozent emissionsarmes Marine Gasöl ein. Wir setzen teilweise Elektro Zodiacs ein, und wir setzen ebenfalls auf Propeller- und Rumpf-Optimierung. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema bei Expeditionen und spielt generell eine große Rolle in der Kreuzfahrtindustrie. Ich sitze auch im Vorstand der CLIA (Cruise Lines International Association), in der Branche hat das jeder am Bildschirm. Es ist eine der Aufgaben in der Kreuzschifffahrt, darüber aufzuklären, was bereits passiert ist und es passiert sehr viel. Auch wenn nur 0,6 Prozent der Schiffe auf dem Weltmarkt Kreuzfahrtschiffe sind, entbindet das niemanden, nicht besonders auf das Thema Nachhaltigkeit zu achten.“

T.A.I.: Haben die Europa und die Europa 2 diesbezüglich konstruktionsbedingt nicht einen Nachteil?

Pojer: „Die Europa 2 ist laut NABU-Ranking bezüglich Umweltfreundlichkeit die Nummer 2 der Branche und es ist alles drauf, was damals (Anm.d.Red.: 2012) bautechnisch möglich war. Mit der Europa fahren wir so viel wie möglich mit Marine-Diesel – der ist schon sehr sauber – und beim letzten Werftaufenthalt haben wir den Antrieb neu gemacht. Wir verfolgen auf allen Schiffen eine umweltbewusste Abfallstrategie und fahren so Ressourcen-schonend wie möglich. die Routen sind mit einer ökologischen Durchschnittsgeschwindigkeit geplant. Der Verzicht auf die „letzten“ Knoten bringt eine Kraftstoffersparnis von 30 Prozent.“

T.A.I.: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Sie sind jetzt 63 Jahre. Wie sieht es mit Ihren weiteren beruflichen Plänen aus?

Pojer: „Solange es Spaß macht und ich gesund bleibe, habe ich vor, das Beste für die TUI-Welt zu geben. Wir sind auf Wachstumskurs und haben viel vor.“ 

Kurzportrait Karl J. Pojer

Der gebürtige Österreicher (aufgewachsen auf dem elterlichen Bauernhof in der Obersteiermark) Karl J. Pojer (63) absolvierte die HFL Bad Gleichenberg, startete seine Karriere in der Hotellerie (u.a. InterCont, Kempinski, Sheraton) und wurde 1996 Chef des TUI Premium Clubanbieters Robinson. Von 2003 bis 2013 zeichnete Pojer für die TUI Hotels & Resorts verantwortlich (zuletzt als Bereichsvorstand), bis er die Geschäftsführung der TUI-Tochter Hapag-Lloyd Cruises übernahm. Innerhalb kürzester gelang ihm der Turnaround, wofür er zum „Travel Industry Manager 2015“ gekürt wurde. 2017 wurde das beste Ergebnis der Hapag Lloyd-Geschichte erzielt.
Zu den Hobbies von Karl J. Pojer – er ist verheiratet und stolzer Vater einer Tochter – zählt der Motorsport, den er lange aktiv betrieb (u.a. Formel Ford, Opel-Lotus-Cup, Ferrari-Cup) und gegen Legenden wie Michael Schumacher, Rubens Barrichello oder David Coulthard fuhr – daher die Bezeichnung „schnellster Hotelier der Welt“ (BILD-Zeitung). Aus dem Motorsport zog Pojer auch seine Maximen fürs Management: „Nie aufgeben, durchhalten, durchsetzen, klar in der Sache, Respekt im Umgang miteinander.“

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Erstellt am: 09. Februar 2018

Bild oben: Karl J. Pojer, (c) Porsche AG; Bild unten: HANSEATIC nature & HANSEATIC inspiration, (c) Hapag Lloyd Cruises

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