Print-Ausgabe 16. Juni 2017
Norwegian Cruise Line verstärkt die Präsenz in Europa. Der Anker der US-
Reederei hat sich tief im hiesigen Kreuzfahrtmarkt festgegraben.
Die Kreuzfahrtindustrie erweist sich in politisch und wirtschaftlich turbulenten Zeiten als weitgehend krisensicher. Christian Böll, Managing Director EMEA, Norwegian Cruise Line (NCL), ist von weiteren Wachstumsmöglichkeiten überzeugt. Im T.A.I.-Interview hält er eine Verstärkung der Europaflotte von fünf auf sechs Schiffe für möglich. Neben der hohen Flexibilität des Produkts, sei vor allem die Einführung des Premium All-Inclusive-Konzepts ein wichtiger Erfolgsfaktor.
T.A.I.: Noch vor zwei Jahren bezeichneten Sie die Präsenz auf dem europäischen Markt als „Nische“, die besetzt werde. Angesichts der nun schon fünf Schiffe, die im Sommer nach Europa kommen: Welche Bedeutung hat Europa heute für NCL?
Christian Böll: „Europa ist ganz klar der wichtigste Markt außerhalb Nordamerikas für Norwegian Cruise Line. Und auch das Senior Management unterstützt unsere Wachstumspläne: Deshalb können wir 2017 erstmals fünf Schiffe im Sommer in Europa anbieten. Darunter die Norwegian Jade, das erste Schiff, das die gesamte Sommersaison über von Hamburg und Southampton aus Destinationen in Nordeuropa ansteuert und die Norwegian Getaway, eines unserer neusten Schiffe, die in der Ostsee kreuzt. Und auch unsere Produktumstellung auf Premium All Inclusive in den europäischen Märkten ist ein klares Bekenntnis zu unserer Wachstumsstrategie in Europa, denn mit Premium All Inclusive gehen wir ganz gezielt auf einen Trend aus den europäischen Märkten ein. Dass dieser Schritt, den wir im Januar 2016 auf den deutschsprachigen Märkten eingeleitet haben, der richtige war, bestätigen unsere Ergebnisse.“
T.A.I.: Gibt es weitere Expansionspläne in Europa?
Böll: „Zunächst einmal gilt es für uns, Premium All Inclusive weiter in den europäischen Märkten bekannt zu machen und auszubauen sowie unsere fünf Schiffe in Europa in diesem und nächsten Jahr weiterhin erfolgreich zu platzieren. Und wenn wir mit fünf Schiffen erfolgreich sind, dann macht es durchaus Sinn, auch an ein sechstes Schiff zu denken.“
T.A.I.: Wie zufrieden sind Sie mit der Buchungslage für die Sommersaison?
Böll: „Wir sind sehr zufrieden mit der aktuellen Buchungssitutation für die Sommersaison. Freie Kabinen haben wir insbesondere noch für die Herbstmonate verfügbar.“
T.A.I: Welche Routen sind die am meisten nachgefragten in Europa und durch welche Zielgruppe?
Böll: „Natürlich sind gerade die europäischen Routen bei europäischen Gästen sehr beliebt. Das gilt vor allem auch für unsere neuen Nordlandrouten an Bord der Norwegian Jade, wo wir für diesen Sommer nur noch wenige Kabinen verfügbar haben und schon voll im Verkauf für 2018 sind. Auch in der Ostsee haben wir in dieser Saison enorme Steigerungszahlen verzeichnet, was uns in unserer Entscheidung bestärkt hat, die Norwegian Getaway, eines unserer neuesten und modernsten Schiffe, zum Einsatz zu bringen. Diese bietet eine tolle Route zu den Highlights der Ostsee, unter anderem mit Übernachtaufenthalt in St. Petersburg. Im Mittelmeer haben wir in diesem Sommer unsere Routen ein bisschen breiter gefächert, gerade die längeren Kreuzfahrten ab/bis Civitavecchia mit der Norwegian Spirit werden sehr gut angenommen. Und über die europäischen Grenzen hinaus ist vor allem Kuba als ganz neues Reiseziel sehr gut gestartet. Auch die exotischen Routen der Norwegian Jewel Richtung Asien, Australien und Neuseeland sind auf unseren Märkten äußerst beliebt. Das Schöne an unserem flexiblen Produkt ist ja, dass wir eine Vielzahl an Zielgruppen ansprechen, darunter Familien – natürlich hauptsächlich in den Ferienzeiten, sowie Paare und Einzelreisende eigentlich zu allen Zeiten des Jahres.“
T.A.I.: Wie entwickelt sich die Nachfrage aus Österreich? Welche Angebote punkten besonders bei österreichischen Kunden?
Böll: „In Österreich haben wir ein starkes Gruppengeschäft. Erfreulich entwickeln sich aber auch die Passagierzahlen im Einzelplatzverkauf. Hier liegen wir deutlich im Plus, was vor allem auf Premium All Inclusive zurückzuführen ist. Zielgebiet Nummer 1 bei unseren österreichischen Gästen ist ganz klar das Mittelmeer, aber auch die Abfahrten ab Hamburg verkaufen sich sehr gut.“
T.A.I.: Erste Details über die neue Leonardo-Schiffsklasse wurden bekannt gegeben. Welche Überlegungen standen hinter dem Konzept? Worauf wurde besonderer Wert gelegt?
Böll: „Wie mit jeder neuen Schiffsklasse bauen wir auf den Erfolgen der bestehenden Schiffe auf und entwickeln sie weiter. Insofern werden unsere Gäste sicherlich viele der Einrichtungen der Breakaway-Klasse an Bord der neuen Schiffe wiederfinden, kombiniert mit einigen neuen Angeboten, zu denen wir aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Details bekannt geben können. Ein Schwerpunkt ist aber ganz klar die Energieeffizienz mit dem Ziel, den Kraftstoffverbrauch zu optimieren und die Umweltbelastung weiter zu reduzieren. Die Größe der Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von 140.000 Tonnen und Platz für 3.300 Gäste ermöglicht uns viel Flexibilität und vielfältige Möglichkeiten in der Destinationsplanung.“
T.A.I.: Aktuell ist viel von Unsicherheit im wirtschaftlichen sowie politischen Klima zu hören. Wie krisensicher ist die Kreuzfahrtindustrie?
Böll: „Wir sehen nach wie vor Wachstumsmöglichkeiten für die Branche – Kreuzfahrten werden immer beliebter und trotzdem ist der Anteil der Bevölkerung, die bereits Kreuzfahrten unternommen hat, mit um die 2 Prozent in den Märkten nach wie vor recht gering und lässt viel Raum für Wachstum. Was die politischen Krisen auf der Welt angeht, hier hat ein Kreuzfahrtschiff sicher einige Vorteile, denn wir können die Schiffe dorthin bringen, wo die Nachfrage ist“.
Seit Mai 2017 ist der neue Katalog von Norwegian Cruise Line mit allen Abfahrten ab sofort bis April 2019 erhältlich. Auch in der kommenden Sommersaison sind fünf Schiffe auf europäischen Routen unterwegs: Die Norwegian Breakaway fährt in der Ostsee ab Warnemünde; die Norwegian Jade ist erneut ab Hamburg oder Southampton u.a. zu den Norwegischen Fjorden, ans Nordkap sowie nach Island und Großbritannien im Einsatz. Die Norwegian Epic kreuzt im Westlichen Mittelmeer ab Barcelona oder Civitavecchia und die Norwegian Star ab Venedig in der Adria und entlang der griechischen Inseln. Die Norwegian Spirit bietet ebenfalls ab Civitavecchia eine größere Routenvielfalt mit neuen längeren Mittelmeerkreuzfahrten an.
Erstellt am: 16. Juni 2017
Sieht am Markt noch einigen Raum für Wachstum: Christian Böll von Norwegian Cruise Line
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