Boat & Bike

„Flusskreuz-Radel-Tour“ als Reisevariante ohne Stress & Hektik

Print-Ausgabe 18. August 2023

Das niederländische Reiseunternehmen Boat Bike Tours bietet kombinierte Rad- und Schiffsreisen an – T.A.I. hat dieses grandiose Angebot getestet

Die letzten Meter rollt das stabile Hollandrad wie von selber. Vorbei die Hitze der letzten Stunden, vergessen die wenigen, aber mitunter recht hartnäckigen Steigungen, die kleine Schweißperlchen auf die Stirn gesprenkelt haben. Direkt am Ufer der Seine radeln wir auf die Schleuse von Evry zu, die „Fleur“ hat schon am Ufer festgemacht und wartet auf ihre Gäste. Steffie Kranz, Kapitänin und Eignerin des Schiffes, steht mit Bordhund Bas an der Reling, am Bug ordnet Matrose Mikael die Taue. Hinter uns liegen 30 km flotten, aber nicht allzu anspruchsvollen Radfahrens, vor uns eine gemütliche Fahrt mit der „Fleur“ die Seine hinab bis in den Port de Plaisance de Paris-Arsenal im Herz der französischen Hauptstadt. Notre Dame und die Bastille sind nur einen Steinwurf entfernt, und Parkplatzprobleme kennen sie nicht auf der „Fleur“.

Bei „Boat & Bike“ reist man tatsächlich an Bord des knapp 40 m langen Schiffes oder im Sattel eines der Fahrräder, wahlweise mit oder ohne elektrische Unterstützung. (Die meisten entscheiden sich übrigens für den Antrieb mit reiner Muskelkraft, man will sich ja keine Blöße geben.) Die Touren sind in vier Schwierigkeitsstufen unterteilt, man kann aber auch einfach das Rad stehen lassen und gemütlich an Bord weiterreisen, je nach Gusto.

Die Fahrt entlang der Seine ist eine Fahrt der Stufe 2, und statt „Boat & Bike“ könnte sie getrost auch „Natur und Kunst“ heißen. Die abwechslungsreiche Tour führt manchmal am Uferweg des Flusses entlang, manchmal durch verträumte Wälder oder über holprige Pfade querfeldein, dann wieder durch kleine Städtchen oder Dörfer, etwa das mittelalterliche Festungsstädtchen Moret-sur-Loing mit seinen alten Mauern und Wassermühlen. Oder das Künstlerdorf Barbizon mit seinen zahllosen kleinen Museen, nicht wenige davon scheinbar in irgendeinem Wohnzimmer. Einst traf sich hier die Créme der Landschaftsmaler aus Paris, denen der Schriftsteller Robert Louis Stevenson ironisch nachsagte, sie seien mehr dem Müßiggang als der Arbeit verpflichtet.

Marcel Fries kennt all diese Geschichten. Er führt seine Radwandergruppe mit der gleichmütigen Ruhe eines Mannes durch die französische Provinz, dem Stress und Hektik fremd zu seien scheinen. Ob es nun durch den schattigen Wald von Fontainebleau mit seinem Prachtschloss geht oder ob er seine Gruppe am Rande einer der Hauptstraßen führt („bitte stets hintereinander mit reichlich Abstand, damit die Autos einscheren können“), der 62-Jährige radelt stets mit dem Gleichmut eines Uhrwerkes vorneweg und weist den Weg. Früher saß der Niederländer am Schreibtisch der Finanzbehörde, 2019 hängte er den Job an den Nagel und heuerte bei „Boat & Bike“ an. Jetzt tut er das, was ihm Spaß macht. Er liebe halt das Radfahren und sei gerne mit Menschen zusammen, sagt er lächelnd.

Während Fries mit den Gästen Kilometer für Kilometer über Stock, Stein und Asphalt rumpelt, steuert Steffie Kranz das Binnenschiff gemächlich zum nächsten Treffpunkt. Die „Fleur“ wurde 1964 als belgisches Frachtschiff gebaut, ein 240 PS starker Dieselmotor treibt das 38,7 m lange und 5,07 m breite Schiff heute über die Flüsse und Kanäle Frankreichs, Belgiens oder der Niederlande. In den zehn Kabinen – jeweils ausgestattet mit zwei Betten, einer Dusche und sehr viel Abstellraum – finden bis zu 20 Gäste Platz. In den Kabinen stehen nur Einzelbetten, man könnte sie auf Wunsch aber zu einem Doppelbett zusammenstellen. „Allerdings muss dann einer über den anderen hinüber klettern“, sagt Steffie Kranz.

Die 51 Jahre alte Schiffsführerin wurde in Offenburg geboren, ihre Familie aber kommt aus Neustadt an der Ostsee. Der Großvater war Kapitän, erzählt sie, der Vater fuhr als Offizier zur See, bis die kleine Steffie geboren wurde. Auch Steffie wollte irgendwann ihr Kapitänspatent, aber das war damals in Deutschland undenkbar. Also ging sie nach Holland, fuhr als Matrosin auf einem Tankschiff und bekam 2004 ihr Patent. Außerdem traf sie an Bord den Mann fürs Leben, zusammen sind sie heute die Eigner der „Fleur“ sowie eines Großseglers, auf dem sie Fahrten durch das Ijsselmeer organisieren.

Auf der „Fleur“ herrscht nach der Radtour „laisser faire“, manche lesen etwas, andere trinken ein Glas und plaudern. Irgendwer erwähnt, dass man sonst eigentlich nicht so lange im Sattel säße und dass der Allerwerteste, nun ja, etwas schmerze, wofür er ein dankbares Lachen erntet. Schiffshund Bas lässt sich genüsslich das Fell kraulen.

Zeit für ein wenig Seemannsgarn also, schließlich sind wir ja auf einem Schiff? Steffie Kranz erzählt lieber eine wahre Geschichte, nämlich die von den Gästen aus Übersee. Die machten ohnehin keinen durchtrainierten Eindruck, nickten aber bei der Frage, ob sie 30 km am Stück oder 1 km bergauf schafften. „Nach der ersten Etappe haben sie sich dann beklagt, dass ihnen niemand gezeigt hat, wie so ein Velo funktioniert“, lacht Steffie Kranz. Sie hatten tatsächlich noch nie in ihrem Leben auf einem Fahrrad gesessen. Den Rest der Reise haben die Amerikaner dann an Bord absolviert – auch keine schlechte Wahl. www.boatbiketours.de, www.visitparisregion.com/en, www.parisbiketour.net/de

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