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Seilbahnen

„Jetzt nicht Kopf in den Sand stecken, sondern weiterkämpfen!“

Print-Ausgabe 18. Dezember 2020

„Es wird auch in den kommenden Jahren hohe Investitionen geben“, so Martin Leitner im T.A.I.-Gespräch


 

Martin Leitner, Vorstand der LEITNER Gruppe, ist zuversichtlich, dass es 2021 wieder aufwärts geht – der Weg aus der Krise wird aber für alle schwierig

Als weltweit erster Komplettanbieter von Wintertechnologien (Seil­förderanlagen, Pistenfahr­zeuge und Beschneiungssystemen) war die Leitner Gruppe heuer ebenso vom starken Investitions-Rückgang der Seilbahnunternehmen betroffen wie diese selbst. Wie Leitner darauf reagiert hat, wie lange mit der Baisse gerechnet wird, wie es mit Innovationen aussieht und was 2021 auf dem Plan steht, darüber sprach T.A.I. mit Vorstandsmitglied Martin Leitner.

T.A.I.: Laut Fachverband Seil­bahnen sind die Investitionen heuer gegenüber dem Vorjahr um -44 % gefallen. Ab wann hat sich diese Entwicklung abgezeichnet?

Leitner: „Es war schon in der Mitte des heurigen Geschäftsjahres zu spüren, dass unsere Kunden bei neuen Investitionen immer vorsichtiger wurden. So wurden Aufträge entweder verschoben oder storniert. Mit der möglichen Schließung der Skigebiete, den Reisewarnungen und der Quarantänepflicht hat sich die Situation noch einmal verschärft. So haben Kunden Aufträge auf unbestimmte Zeit verschoben. Wenn es unseren Kunden schlecht geht, geht es uns natürlich auch schlecht. Es handelt sich hier um eine Pandemie, daher betrifft dies Aufträge in allen Märkten, und somit auch in Österreich.“

T.A.I.: Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach das Investitionstempo in den kommenden Jahren entwickeln?

Leitner: „Es ist für mich immer wieder beeindruckend, wie viel jedes Jahr investiert wird. Zwischenzeitlich haben wir gerade in Österreich einen hohen technischen Standard erreicht. Trotzdem wird es weiterhin hohe Investitionen geben, insbesondere was die Qualität und den Komfort der Anlagen anbelangt. Wir rechnen damit, dass auch 2021 schwierig wird. Ich bin aber alles andere als ein Pessimist!“

T.A.I.: Wie bewältigt LEITNER die aktuellen Herausforderungen?

Leitner: „Während der ersten Corona-­Welle im Frühjahr haben wir versucht, negative Auswirkungen durch Betriebsurlaube, Abbauen von Überstunden sowie Verzicht des Einsatzes von LeiharbeiterInnen abzufedern. Das ist auch gelungen. Jetzt, in der zweiten Corona-Welle, herrscht eine generelle Verunsicherung, da niemand weiß, wie es weitergehen wird, vor allem im Wintertourismus. Wir haben den Betriebsurlaub mit Urlaubsabbau ergänzt, werden die Produktion (seit 7. Dezember) bis 11. Jänner schließen, und danach Lohnausgleich bis Ende Jänner anwenden. Das betrifft nicht nur LEITNER, sondern auch PRINOTH und DEMACLENKO. In Österreich, der Slowakei und in Frankreich sind die MitarbeiterInnen teilweise in Kurzarbeit.“

T.A.I.: Durch die erwähnten Marken sind Sie weltweit der erste Komplettanbieter von Wintertechnologien. Ist das in der derzeitigen Situation eher ein Vor- oder ein Nachteil?

Leitner: „Grundsätzlich ist das ein Vorteil. Durch unsere Diversifikation und Innovation, wie z. B. durch unsere urbanen Seilbahnprojekte, die Kettennutzfahrzeuge und Desinfektionslösungen haben wir Produkte, die für uns gerade in solchen Situationen bedeutsam sind.“

T.A.I.: Welches waren heuer Ihre interessantesten Projekte?

Leitner:„Wir haben heuer einige sehr interessante Projekt abgeschlossen. Im Südtiroler Skigebiet 3 Zinnen Dolomites konnte LEITNER z. B. die neue Kabinenbahn Helmjet errichten, die eine 40 Jahre alte Pendelbahn ersetzt. Dabei erleben die Passagiere in den Luxus-­Kabinen Symphony 10 eine angenehme Fahrt. In Alta Badia hat LEITNER die neue 6er-Sesselbahn La Brancia ausgestattet und anstelle der alten 4er-Sesselbahn Costoratta eine moderne 8er-Sesselbahn mit Premium-Sesseln und Wetterschutzhauben realisiert. Am Nebelhorn in Deutschland wird derzeit an der neuen Zweiseilumlaufbahn gebaut. Bis 2021 wird damit auch dort eine technische Innovation von LEITNER ihre Premiere feiern: Erstmals wird die neu entwickelte Zweiseiltechnik von LEITNER mit den Luxus-­Kabinen Symphony 10 kombiniert.
In Österreich haben wir heuer die 8er-Sesselbahn Lärch­kogelbahn realisiert, die den Skibetrieb auf der Planai optimieren wird. Sie ist mit Premium-Sesseln EVO ausgestattet und die Stationen sind im Pininfarina-Design gestaltet. Im größten Skigebiet Serbiens, in Kopaonik, hat LEITNER eine neue 10er-Kabinenbahn gebaut. In Zermatt haben wir heuer nach der Eröffnung des „Matterhorn glacier ride I“, der höchsten 3S-Bahn der Welt, die Arbeiten für das zweite Projekt begonnen. Der „Matterhorn glacier ride II“ wird als baugleiche 3S-Bahn die letzte verbleibende Lücke zwischen dem Klein Matterhorn und Testa Grigia schließen und so zur höchsten Seilbahn-Überquerung der Alpen zwischen Zermatt in der Schweiz und Breuil-Cervinia in Italien werden.
Ab 2021 werden in Mexiko-Stadt zwei neue urbane Seilbahnen von LEITNER ihren Betrieb aufnehmen. Im Bezirk Iztapalapa, im Südosten der Stadt, wird die insgesamt knapp 11 km lange Anlage den PendlerInnen eine bessere Verbindung zu den U-Bahn-Stationen bieten.“

T.A.I.: Im Vorjahr flossen laut Geschäftsbericht an die 30 Mio. Euro in Forschung und Entwicklung. In welchen Bereichen wird am meisten geforscht? Und wie lange dauert es bis zur Marktreife?

Leitner: „Geforscht wird in allen Geschäftsbereichen, bei PRINOTH etwa an emissionsfreien Produkten, oder bei DEMACLENKO an Systemen zur Desinfektion. Bei Leitner arbeiten wir an neuen Produkten für den urbanen Bereich sowie an Komponenten, welche den immer längeren Bahnen mit höheren Förderleistungen Rechnung tragen. Wie rasch Innovationen Marktreife erlangen, ist ganz unterschiedlich. Bei Komponenten innerhalb eines Jahres, bei wirklich neuen Produkten kann es mitunter auch 3 Jahre und mehr dauern.“

T.A.I.: Gibt es noch große Innovations-Sprünge oder handelt es sich eher um kleine Fortschritte?

Leitner: „Es gibt auch Innovations-Sprünge. Derzeit arbeiten wir an neuen Systemen für den urbanen Bereich, wo wir nächstes Jahr mit dem Bau einer Versuchsbahn beginnen werden.“

T.A.I.: Welche Innovationen gibt es bei Schneeerzeugern, bei denen Sie heuer das 50-jährige Jubiläum feierten?

Leitner: „Titan 4.0 ist der Schneeerzeuger mit der besten Effizienz am Markt, was die Schneeleistung im Grenztemperaturbereich anbelangt. Dieser wurde im Frühjahr 2020 präsentiert.“

T.A.I.: Nochmals zum nächsten Jahr: Wie schätzen Sie 2021 ein?

Leitner: „Es wird eine Zukunft ohne Corona geben. Daher dürfen wir jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken und müssen weiterkämpfen. Ich bin zuversichtlich, dass es bereits im kommenden Jahr wieder aufwärts geht. Aber der Weg aus der Krise heraus wird für alle schwierig und es wird einige Jahre benötigen, um die Wunden zu heilen.“ 

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