Print-Ausgabe 9. August 2019
Laut Gregor Kadanka zeigt die Branche zwar kein großes, aber spürbares Wachstum
Reisebüros behaupten sich zwar gegen Online, und Dienstleistung ist wieder gefragt, aber die wachsende Bürokratie nervt sowohl KundInnen als auch Unternehmen
Österreichs Reisebüros geht es – auch im Vergleich zu den Nachbarländern – gut: „Dass sie ‚abheben‘ ist zwar stark übertrieben“, meinte Fachverbandsobmann Gregor Kadanka vor wenigen Tagen im Rahmen einer sommerlichen Zwischenbilanz, „die Branche – Reisebüros ebenso wie Reiseveranstalter – zeigt aber ein spürbares Wachstum.“ Dass Online–Buchungen stationären Büros die Existenz abgraben, treffe nicht zu: Bei Urlaubsreisen (allen voran Pauschalreisen) läuft mehr als die Hälfte über Reisebüros; bei den besonders beratungsintensiven Kreuzfahrten sind es sogar drei Viertel.
Die stationären Büros konnten ihren Marktanteil also trotz Digitalisierungsdruck behaupten bzw. ausbauen. Gregor Kadanka, der die Funktion des Fachverbandsobmannes erst vor wenigen Monaten übernahm, führt dies vor allem darauf zurück, dass die aktuelle Entwicklung den Stellenwert ihrer Dienstleistung deutlich zur Geltung brachte: Die wachsende Komplexität der Angebote erhöhe kräftig den (Zeit-) Aufwand, der nötig ist, um die einzelnen Komponenten einer Reise im Internet zusammen zu suchen und etwa bei einem Familienurlaub durch den Irrgarten von Flugzuschlägen und Kinderermäßigungen zum gültigen Preis zu finden. Dass dieser grundsätzlich niedriger sein muss, als im Reisebüros, wurde inzwischen auch als Illusion erkannt.
Verstärkt wurde die Rückkehr zum Reisebüro auch durch das neue Pauschalreisegesetz, dass in seiner Handhabung zwar mühsam, aus der Sicht der KundInnen aber vorteilhaft ist: Im Vordergrund steht die Rechtssicherheit. Wer eine Pauschalreise bucht, hat im Problemfall den Reiseveranstalter als einzigen für alles haftbaren Ansprechpartner. Die neue gesetzliche Regelung habe dazu geführt, dass der Status des Reiseveranstalters schnell – auch unbeabsichtigt – erreicht sein kann: Hotelzimmer und Leihwagen gemeinsam zu verkaufen, kann schon ausreichen. Positiv für die KundInnen ist, dass sie auch dann die Rechtsicherheit einer Pauschalreise haben, wenn diese vom Reisebüro aus verschiedenen Komponenten nach den individuellen Wünschen zusammengestellt wurde.
Mangel an Fachkräften
Die positive Entwicklung der Branche zeigt sich auch daran, dass seit 2008 die Zahl der Gewerbeberechtigungen um 3 Prozent auf 2.658 gestiegen ist. Die Zahl der in die Liste der Reiseveranstalter eingetragenen Unternehmen ist von rund 650 auf 800 angestiegen. Gleichzeitig ist allerdings die Zahl der MitarbeiterInnen um 6,6 Prozent – also doppelt so stark – auf 9.900 zurückgegangen. Der Mangel an Fachkräften, unter dem auch die Reisebüros leiden, wird bei dieser Branche, wie der Fachverbandsobmann feststellt, dadurch verschärft, dass die Ansprüche an das Ausbildungsniveau besonders hoch sind: Die Kenntnis der Destinationen, Rechtsfragen und Verkaufstechnik sind wesentliche Themen.
Die aktuelle Marktsituation ist laut Gregor Kadanka stabil: Das Mittelmeer bleibt die Badewanne der ÖsterreicherInnen; ein Drittel verbringt seinen Urlaub allerdings in der Heimat. In den Reisebüros am stärksten gebucht sind im Sommer Griechenland, Spanien und die zurückkehrende Türkei. Die meistgebuchten Reiseziele mit Auto oder Bahn sind Italien, Kroatien und Deutschland. Im Winter dominiert Ägypten, gefolgt von Spanien und der Türkei. Auto- und BahnurlauberInnen bevorzugen Österreich, Italien und Deutschland.
Fernreisen nehmen deutlich zu (Thailand als ganzjährige Nummer 1, gefolgt im Sommer von den USA und Mauritius, im Winter von Mauritius und den Malediven). Die Klimadiskussion ändere daran bisher nichts.
„Ruinöser Preiskampf der Low Cost Carrier“
Einen Problembereich stellt hingegen der Airline-Sektor dar. Kadanka: „In den vergangenen zehn Jahren sind alleine in Europa 70 Airlines in den Konkurs geflogen. Es ist nicht einzusehen, warum Reiseveranstalter, aber auch die KundInnen die Folgen des ruinösen Preiskampfes der Low Cost Carrier ausbaden müssen.“ Die Reisebürobranche werde sich daher weiter dafür einsetzen, dass Airlines eine Insolvenzabsicherung vornehmen müssen, „wie sie auch dem kleinsten Reiseveranstalter vorgeschrieben ist“.
>Als besondere Belastung für Reisebüros haben sich, wie erwartet, die Pauschalreiserichtlinie und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) herausgestellt. „Der bürokratische Aufwand aufgrund der Informations- und Dokumentationspflichten ist enorm“, so Kadanka.
Besonders bedauerlich sei, dass das Ziel, die „Datenkraken“ Google oder Facebook unter Kontrolle zu bringen, total verfehlt wurde: Große Unternehmen haben es viel leichter, komplizierte Vorgänge in ihre Systeme zu integrieren. Kadanka: „Was online mit einem Klick auf ein Kasterl erledigt ist, wächst sich im Reisebüro zur riesigen Zettelwirtschaft aus, die bei den KundInnnen Unverständnis und bei den KMU unnötige Belastungen auslöst“. Mehr dazu auch im Kommentar „Durchgeblickt“ auf Seite 20.
Mit 14. September 2019 tritt nach 18 Monaten Übergangsfrist jener Teil der zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 (Payment Services Directive) in Kraft, der Kreditkarten-Transaktionen nur noch mittels TAN (Transaktionsnummer) zulässt. Die Kreditkartennummer als Sicherung einer Reservierung, wie es nicht nur im Tourismus üblich ist, reicht nicht mehr aus. Dies gilt auch für Reisebüros und Online Travel Agents, von denen aber – so Fachverbandsobmann Gregor Kadanka Ende Juli bei einem Pressegespräch – „kaum jemand darauf vorbereitet“ ist. Der Fachverband der Reisebüros bemüht sich, ebenso wie jener des Handels, um einen Aufschub.
Erstellt am: 09. August 2019
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