EU-Twinning-Projekt

Tunesien setzt vermehrt auf Tourismus Know-how aus Österreich

Print-Ausgabe 12. Februar 2016

Qualitätsstrategie soll Gäste zurückbringen – Österreich und Frankreich helfen bei der Einführung eines Qualitätslabels nach europäischem Vorbild

Österreich und Frankreich greifen Tunesien bei der Modernisierung des Tourismus, des wichtigsten Devisenbringers des Landes, kräftig unter die Arme. Im Rahmen eines von der EU geförderten „Twinning Projekts“ sind Experten aus beiden Ländern für die Dauer von voraussichtlich zwei Jahren in dem Mittelmeer-Staat im Einsatz. Ziel ist eine Qualitätssteigerung in Tunesiens Tourismus, u.a. durch Anpassung der Gesetzgebung an internationale Standards, Verbesserungen der institutionellen Strukturen sowie Schulung der im Tourismus Beschäftigten. Das Programm wird seitens der EU mit 1,4 Mio. Euro dotiert. Projektpartner auf österreichischer Seite ist die Agency for Economic Cooperation and Development (AED).

Der offizielle Start erfolgte Ende Jänner in Tunis. Gleichzeitig fand der Besuch von Bundespräsident Heinz Fischer und einer österreichischen Wirtschaftsdelegation unter Leitung von WKÖ-Präsident Christoph Leitl, vor dem Hintergrund einer schwierigen Wirtschaftslage des Maghreb-Staates, statt. Der Tourismus, der rund 8 Prozent des BIP stellt, wurde von Terroranschlägen 2015 empfindlich getroffen (Rückgang der internationalen Ankünfte gegenüber 2014 um 25,2 Prozent auf 5,36 Millionen Gäste; die Zahl der Nächtigungen brach um 44,4 Prozent ein, die Einnahmen im Tourismus gingen um 35,1 Prozent zurück), was nicht zuletzt die Arbeitslosigkeit in die Höhe getrieben hat. Etwa 400.000 der gut zehn Millionen Tunesier finden Beschäftigung im Tourismusgewerbe.

Mit großem Engagement versuchen die Tourismusverantwortlichen jetzt, das Ruder wieder herumzureißen. „Trotz der Rückschläge investieren wir massiv in die Qualität“, umreißt die seit einem Jahr amtierende Tourismusministerin Selma Elloumi Rekik die Antwort der tunesischen Regierung auf die Bedrohung durch Terror. Mehr Qualitätsangebote, verbunden mit intensiven Sicherheitsvorkehrungen, sollen dazu beitragen, das europäische Publikum wieder verstärkt ins Land zu locken.

Ganz in diesem Sinne wird im Rahmen des EU-Twinning Projekts unter der Federführung Frankreichs ein touristisches Qualitätslabel entwickelt, das sich an Standards in Frankreich und Österreich orientiert. Das neue Label soll vorerst in zwei Pilotregionen eingeführt werden.

Partner der mehr als zwanzig an Ort und Stelle tätigen französischen und österreichischen Experten ist Tunesiens nationale Tourismusorganisation ONTT (Office Nationale de Tourisme Tunisien) unter dem seit März 2015 amtierenden Generaldirektor Abdellatif Hamam, die rund 1.300 Mitarbeiter zählt.

Teil des Projekts ist eine intensive Kommunikation mit den touristischen Repräsentanten der einzelnen Regionen. Dabei geht es um die praktische Umsetzung der Qualitätsstandards, die für Hotels, Reisebüros, archäologische Sehenswürdigkeiten und andere touristische Einrichtungen bis hin zu Transportverbindungen, Informationsstellen und den Stadtführern gelten sollen. Es ist dabei „die Zufriedenheit der Konsumenten“, die bei allen Vorhaben im Vordergrund steht.

Interessanterweise erlaubt die neue tunesische Verfassung eine gewisse Dezentralisierung, was auch für den Tourismus von Bedeutung ist. „Weniger bekannte Regionen, die jedoch ein hohes touristisches Potenzial haben, sollen stärker einbezogen werden“, erklärt Michael Raffling, Leiter des österreichischen Experten-Teams und zuständig für die legistische Seite des Twinning Projekts. Raffling – er war bis 2004 Geschäftsführer der Bundessparte Tourismus und der WKO und ist seither als Consultant selbständig – wird mit den Kollegen vom ONTT und dem Normungsinstitut auch ein Regelwerk für die Umsetzung des Qualitätslabels in den Pilotregionen entwickeln.

Die Kooperation mit Österreich wird auch durch eine Besuchsstrategie unterstützt. Von 17. bis 23. April 2016 werden auf Einladung der österreichischen Projektpartner tunesische Spitzenkräfte nach Österreich kommen und sich anhand von Best Practice-Beispielen und Gesprächen mit Regierungsstellen und Tourismusverantwortlichen weitere Anregungen für ihre Qualifizierungsoffensive holen. 

„Twinning Projekte“ im Tourismus

Österreich engagiert sich seit Jahren in Partnerschaftsprojekten zur Weitergabe von Tourismus-Know How. Nach zuletzt Georgien (2012/13) und Aserbaidschan (2014/15) – T.A.I. berichtete – ist diesmal Tunesien, Mutterland und bisher einziges Erfolgsbeispiel des „Arabischen Frühlings“, Ziel der Initiative. Die Projekte sind Teil der „Europäischen Nachbarschaftspolitk (ENP)“ der EU, bei welcher Experten aus EU-Mitgliedsstaaten über einen längeren Zeitraum an Ort und Stelle tätig sind.
Ziel ist jeweils die Heranführung der lokalen Tourismuswirtschaft an die Erfordernisse des internationalen Wettbewerbs. Partner Österreichs im EU-Twinning-Projekt für Tunesien ist diesmal Frankreich, das auch das Gros der Experten stellt.

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Erstellt am: 12. Februar 2016

Am Bild links: Michael Raffling bei der Rede

Am Bild rechts: Tourismusministerin Selma Elloumi Reki, die massiv in die Qualität investiert

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