Print-Ausgabe 20. Mai 2022
„Wir sind zuversichtlich, dass wir durch die Welt ziehen können“, so ÖRV-Präsidentin Eva Buzzi
Die Bandbreite der Themen beim Kongress in Linz war breit gefächert – emotionelles Highlight war die Auszeichnung von Ehrenpräsident Josef Peterleithner
Deutlich gelöster und entspannter als im vergangenen Herbst ging Ende April der diesjährige Kongress des ÖRV (Österreichischer ReiseVerband) über die Bühne – diesmal in Linz und zwar im OÖNachrichten Forum. Covid war kaum mehr ein Thema, weder bei der Generalversammlung, noch bei den Vorträgen oder den Side-Events und abendlichen Netzwerkgesprächen an der Bar. „2022 feiern wir die Feste, wie sie fallen“, meinte ÖRV-Präsidentin Eva Buzzi (ÖBB Trail Tours) gleich zu Beginn, wobei sie auch zu bedenken gab: „Bäume wachsen nicht in den Himmel.“ Die Pläne der österreichischen Touristiker*innen, heuer 70 bis 75 % des Vorkrisenjahres zu erreichen, seien trotzdem realistisch. Der Buchungsverlauf liege sogar zum Teil über dem Vorkrisenjahresniveau.
Einer der Höhepunkte des Kongresses Ende April unter dem Motto „Zeit wird‘s“ war die Ehrung von Eva Buzzis Vorgänger als Präsident, Josef Peterleithner durch die damalige (und vorige Woche zurückgetretene) Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (siehe Seite 16). Peterleithner hatte das in die Wege geleitet, was sich unter Eva Buzzi immer intensiver entwickelt: Die Zusammenarbeit mit dem Fachverband der Reisebüros in der WKÖ (dessen Obmann Gregor Kadanka /
Mondial auch dem ÖRV-Vorstand angehört und in Linz mit dabei war) sowie dem Schwesterverband ÖVT (Österreichischer Verein für Touristik), dessen Präsidentin Phillies Ramberger ebenfalls am Kongress in Linz teilnahm. Eva Buzzi: „Der Austausch (mit Fachverband und ÖVT) ist keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Wir stimmen uns einmal wöchentlich ab, wer sich wo einbringt.“ Denn es mache „keinen Sinn, sich auseinanderdividieren zu lassen. Wir sind eine Branche!“
An aktuellen Branchenthemen habe sich wenig geändert, weiterhin dominieren Insolvenzabsicherung (neues Absicherungsmodell in Ausarbeitung; die Grundabsicherung wird dabei durch eine darüberhinausgehende private Absicherung ergänzt), Margensteuer (seit Jahresbeginn in Kraft) sowie die Novelle der Pauschalreiserichtlinie (derzeit im Gang, auch unter Berücksichtigung der Erfahrungen während der Pandemie).
Besonders von den ÖRV-Ausschüssen zu erwähnen ist der Flugausschuss (er steht unter Leitung von Thomas Kreillechner / Verkehrsbüro Business Travel), wo das neue Geschäftsmodell der „Network Access Fee“ als zukünftige Basis der Zusammenarbeit mit den Kund*innen das Geschehen beherrscht. Ein weiterer wichtiger Punkt im Flugausschuss betrifft die Distributionspolitik der Airlines, wo die NDC (New Distribution Capability) seit mittlerweile 10 Jahren als Thema die Branche beschäftigt. Rund 100 Fluggesellschaften wenden die NDC bereits in der Praxis an (Anm.d.Red: der Luftfahrtverband IATA zählt aktuell rund 290 Mitglieder). Kurz vor seinem Start steht darüber hinaus das vom Flugausschuss entwickelte Gütesiegel „TMC-Businesstravel PLUS“ samt Kriterienkatalog.
Die Bandbreite der nachfolgenden Vorträge auf dem ÖRV-Kongress war wie immer breit gefächert. Sie reichte von allgemeinen, auflockernden Beiträgen (z.B. „Dummheit – ein Zeichen unserer Zeit“ der Psychiaterin Heidi Kastner oder „Mit Teamgeist zum Erfolg“ von Fußball-Legende Peter Stöger), über Klimawandel („Die Zeichen stehen auf Nachhaltigkeit“ von Prof. Harald Zeiss von der Hochschule Harz oder „Fakten gegen Fake“ vom Meteorologen Marcus Wadsak) und Branchen-spezifischeren Themen (wie z.B. „Reisen in digitalen Zeiten“ von Gerfried Stocker, Direktor des „Ars Electronica Center“ Linz oder „Die Menschen im Mittelpunkt“ von ÖBB-Personalchefin Barbara Schalk-Steiner) bis hin zu Referaten, die konkret auf Fragen der Reisebüros und Reiseveranstalter eingingen. Für diese war vor allem Tag zwei reserviert.
So stellten Jana Hofäcker und Judith von Minden von der Universität Passau in ihrem Vortrag auf „‚Back to normal‘ oder Makeover im Reisevertrieb“ die zukünftigen Anforderungen für den Reisevertrieb aus Kundensicht in den Mittelpunkt (laut aktueller Umfrage geben 77 % als Grund für die Buchung im Reisebüro die „persönliche Beratung“ an), während Laura Meyer, seit Jänner vorigen Jahres CEO der Hotelplan Group, über den „Veranstalter der Zukunft“ sprach. Die ehemalige McKinsey-Beraterin ist überzeugt: „Reiseveranstalter werden gebraucht – heute und in Zukunft.“
André Lüthi, CEO und Präsident der Globetrotter Group (das Geschäftsmodell des eidgenössischen Reisekonzerns basiert auf Tourismus jenseits der gewohnten Pfade, von Individual-Trips über Geschäfts-, Polit- und Studienreisen bis hin zum offiziellen Travel Partner des Schweizer Olympiateams), gestand zunächst ein, „am Anfang die Krise unterschätzt“ zu haben. Für 2022 geht er davon aus, beim Umsatz um 40 Prozent unter jenem von 2019 zu liegen zu kommen, was aber nichts an seiner positiven Grundhaltung ändert, wie Lüthi in seinem Vortrag „In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst“ betonte: „Setzen Sie auf Respekt statt Angst“, forderte er die ÖRV-Kongress-Teilnehmer*innen auf. Ebenso wichtig sei die Motivation der Mitarbeiter*innen. Bei Globetrotter sind alle – ebenso wie das Management – dazu angehalten, zu verreisen. Denn Reisen ist laut André Lüthi „eine Lebensschule, die vieles vermittelt: Respekt, Toleranz und Vertrauen.“
In diesem Sinne wird auch der ÖRV-Herbstkongress 2022 wieder außerhalb von Österreichs Grenzen führen: in die Schweiz. „Wir sind gemeinsam mit dem Schweiz Tourismus dabei, das Programm auszuarbeiten, inklusive Anreisemöglichkeiten mit der Bahn“, betonte ÖRV-Präsidentin Eva Buzzi. „Wir sind zuversichtlich, dass wir durch die Welt ziehen können.“ Der Termin steht bereits fest: 22. bis 25. Oktober 2022.
Foto: © TV 1 Oberösterreich
Erstellt am: 20. Mai 2022
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