ANA
T.A.I. Werbe Grand Prix

Print oder online? Falsche Frage! Auf die richtige Mischung kommt’s an

Print-Ausgabe 25. Jänner 2019

Beim T.A.I. Werbe Grand Prix 2019, der seit dem Reisesalon auf Hochtouren läuft (die Print-Wertung erfolgte auf dem Reisesalon, seither und noch bis Ende März erfolgt auf www.werbegrandprix.at das Online-Voting), gibt es mit Stefan Schmertzing einen neuen Jury-Vorsitzenden. Der Chef und Gründer der auf Social Media spezialisierten Agentur „Wunderknaben“ folgte in dieser Funktion auf Helmut Zolles, der von nun an als Ehren-Vorsitzender fungiert.

Stefan Schmertzing startete seine Karriere in der Werbeagentur-­Szene, machte sich Anfang der 1990er-Jahre mit seiner eigenen Agentur „Tell“ selbständig, die er später an twba verkaufte, um als Geschäftsführer die tbwa/tell bis Mitte der 2000er-Jahre zu leiten. Zu den Kunden zählten unter anderem Gulet und Magic Life, später auch TUI. Er ist also in beiden Werbe-­Welten (klassisch und Online/Social Media) zu Hause. T.A.I. bat ihn um ein Interview.

T.A.I.: Von Henry Ford stammt das berühmte Zitat ‚I know at least half of my advertising budget works … I just don’t know which half‘. Hat das im Zeit­alter der Online-Werbung noch Gültigkeit?

Schmertzing: „Als Ganzes gesehen gilt das sicherlich immer noch. Ja, es stimmt, dass Online und Social Media sehr gut messbar sind – viel mehr als klassische Werbung. Aber Online und Social Media sind nur Teil des Ganzen. Sie können nicht alles.“

T.A.I.: Wie ist das konkret zu verstehen?

Schmertzing: „Man braucht immer noch Medien, die relativ schnell einen gewisen Grad an Bekanntheit und Awareness-Aufbau schaffen. Deshalb arbeiten alle großen Online-Versender mit TV, um dann in die Consumer-Journey hineinzugehen. Der ‚Call-to-­Action‘ kommt also weiterhin meist aus herkömmlichen Medien und Massenmedien. Das gilt auch für Anfragen über Google. Die werden in gar nicht so geringem Ausmaß über klassische Medien generiert. Deshalb ist selbst das gedruckte Plakat nach wie vor ein wichtiges Medium.“

T.A.I.: Worin liegt – abgesehen von der Technologie – der große Unterschied zwischen Werbung im digitalen beziehungsweise Social Media-Bereich und klassischen Massen­medien?

Schmertzing: „In den digitalen Medien kann man Zielgruppen gesondert bearbeiten. Das haben uns die Wahlwerbungen der letzten Jahre gezeigt. Barack Obama beispielsweise hat 30, 40, 50 verschiedene Zielgruppen mit jeweils eigenen Web­sites und Kanälen angesprochen. Das ist der große Unterschied zu klassischen Medien. Dort müssen ein bis zwei Aussagen für die gesamte Kampagne passen.“

T.A.I.: Was kann der Tourismus da konkret herausholen?

Schmertzing: „Viel. Der Tourismus war die erste Branche, die Social Media verwendet hat, wenn auch zum Teil noch unbewusst über die Bewertungen. Die KonsumentInnen schauen sich heute meist Bewertungsportale an, bevor sie buchen. Sie vertrauen nicht mehr auf Werbung mit lachenden Gesichtern, sondern möchten Empfehlungen haben von Menschen, die schon dort waren. Sie können genau unterscheiden, wer Jubelmeldungen macht oder was relevant ist. Sie sehen sich nicht nur die aktuellsten zehn Beiträge an, sondern gehen 30 bis 40 Beiträge zurück.

Hoteliers und Regionen wiederum haben die Chance, darauf zu antworten. Zwei, drei schlechte Bewertungen, dann muss man reagieren. Nicht schweigen, sondern reagieren. Social Media sind also wichtig für Hotels und Regionen. Sie können dadurch ihre Benefits besser darstellen und es gibt viele Möglichkeiten, diese Benefits auszuspielen.“

T.A.I.: Welche Relevanz hat da Ihrer Meinung nach ein Wettbewerb, wie der T.A.I. Werbe Grand Prix?

Schmertzing: „Eine hohe. Er richtet ausgezeichnet den Fokus auf neue Ideen und Zugänge zu ewig wiederkehrenden Produkten wie Prospekten, Katalogen, Printanzeigen oder Plakaten plus einen Mix von Digital und Print. Das ist ausgesprochen wichtig, denn wie ich bereits erwähnt habe, kann das eine ohne das andere nicht leben.“

T.A.I.: Die Bedeutung von Online scheint aber immer wichtiger zu werden …

Schmertzing: „Sie wird mit Sicherheit vielfältiger. Und aufwendiger. Wenn ich online auf mehreren Kanälen unterwegs bin, wie habe ich das dann belegt? Die Basis von Online funktioniert immer mit eigenen zufriedenen KundInnen. Das sind meine MarkenbotschafterInnen. Wichtig ist deshalb, bestehende KundInnen in neue Kanäle hineinzuziehen, um sie auch für neue KundInnen attraktiv zu machen. Glückliche KundInnen werden einiges für dich tun. Da geht’s ganz einfach um Mundpropaganda.

Den konventionellen Weg braucht man aber trotzdem, weil es eben nicht stimmt, dass alles nur noch online passiert. Man muss den KonsumentInnen die Chance und die Möglichkeit geben, sie dort abzuholen und anzusprechen, wo sie es wollen. Ich kann ihnen nicht verbieten, online zu bestellen und offline abzuholen oder online zu suchen und offline zu buchen. Das ist und bleibt die Entscheidung der KundInnen. Die Mischung ist wichtig. Und es ist längst nicht mehr die Frage, ob ich das tue. Das ist schon seit 10 Jahren klar. Entscheidend ist, dass es einen roten Faden gibt.“ 

Die T.A.I.-Fachjury: Vorsitzender Stefan Schmertzing (3.v.l.) mit (v.l.) Oliver Pichler (MEDIA in creation/­production), Ines Norden (T.A.I.), Mahmut Orucoglu (Oruvision), Claudia Wildeis (merkeffekt) und Simone Leonhardsberger (KOMO Grafikdesign); Ehren-Vorsitzender Helmut Zolles weilte zu dem Zeitpunkt für einen Gastvortrag an der Azerbaijan University of Tourism and Management University in Baku.

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Erstellt am: 25. Jänner 2019

Experte sowohl in klassischer als auch in digitaler Werbung: Stefan Schmertzing („Wunderknaben“)

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