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Stationärer Vertrieb

Hat das Reisebüro eine Zukunft? Was für eine Frage! Ja, aber anders

Print-Ausgabe 18. Februar 2022

Vier vom 150-köpfigen Columbus Team (v.l.): Mario Steinwedel, Uwe Hackl, Sabine Sperker und Harald Schoihsel-Zak


 

Das Reisebüro verzeichnet als Buchungskanal heuer die mit Abstand größten Zuwächse – Was es damit auf sich hat, darum ging es in einem T.A.I.-Interview mit Columbus

Das Reisebüro ist, anders als noch vor wenigen Jahren gedacht, alles andere als ein Auslaufmodell. Die Pandemie hat dies deutlich gezeigt. Doch wie sehen es die Betroffenen selbst? Um Antworten darauf zu erhalten, hat T.A.I. als Gesprächspartner Columbus gewählt, das vor der Pandemie zu den erfolgreichsten touristischen Retail-Unternehmen Österreichs zählte. Gesprächspartner waren Mario Steinwedel, Mitglied der Columbus Geschäftsführung, und Travel Consultant Harald Schoihsel-Zak.

T.A.I.: Wie gut hat Columbus die Hürde der zurückliegenden zwei Jahre gemeistert?

Steinwedel: „Vor allem durch den tollen Einsatz der Mitarbeiter*innen und natürlich auch durch die Zuschüsse des Staates, vor allem durch das Modell der Kurzarbeit, sind wir gut durch die Krise gekommen. Auch wir sehen jetzt das Licht am Ende des Tunnels, die Anfragen steigen.“

Schoihsel-Zak: „Noch nicht so sehr für den Sommer, aber sehr im kurzfristigen Bereich. In fünf Tagen nach Mauritius oder auf die Malediven abreisen zu wollen, ist keine Seltenheit. Alle wollen ins Warme.“

T.A.I.: Wie viele Filialen und Mitarbeiter*innen hat Columbus und wie viele waren es vor der Krise?

Steinwedel: „Unser Team besteht aus rund 150 Mitarbeiter*innen, vom Retail, über den Veranstalter bzw. die ‚Reisethek‘, Geschäftsreisen, Incoming und Kongress bis zur Buchhaltung. Rein im Retail sind es um die 70. Wir haben jetzt 14 Filialen, vor der Pandemie waren es 21. Es gab Zusammenlegungen und Schließungen, die sich schon vor der Pandemie abgezeichnet haben, durch diese wurden die Entwicklungen aber beschleunigt. Größere Einheiten können mehr Kompetenz anbieten, geballtes Knowhow. Da Retail zu einem unserer wichtigsten Standbeine zählt, wollen wir auch in diesem Bereich wieder wachsen.“

Schoihsel-Zak: „Ganz wichtig ist: Wir haben für jeden Kundentypen den richtigen Berater. Man muss als Team gut aufgestellt sein. Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Wir haben hier am Universitätsring ein exzellentes Team, das Reisen in allen Facetten anbieten kann.“

T.A.I.: Einer Umfrage der IMC Fachhochschule Krems für Corps Touristique Austria zufolge verzeichnet die persönliche Beratung im Reisebüro 2022 die mit Abstand größten Zuwächse. Wichtigster Buchungskanal sind aber weiterhin die Plattformen. Wie stark ist die Konkurrenz durch Portale?

Schoihsel-Zak: „Wir haben sehr vielen Kund*innen, die hochwertige Reisen machen, und wir haben viele ‚normale‘ Kund*innen. Dass sich alle vorab informieren, ist nicht schlecht. Ein Kunde, der nur Preis-fixiert ist, wird nur schwer ein Reisebürokunde. Preis-Shopper werden nie Stammkunden. Es ist aber sehr wohl möglich, durch Service, Kontinuität etc. Kund*innen auf unsere Seite zu ziehen, die nicht nur auf den Knopf drücken, um 30 Euro zu sparen, auch wenn‘s oft umgekehrt ist. Unsere Aufgabe ist es, klar zu machen, worin unser Mehrwert liegt und das offen zu kommunizieren. Es gab übrigens einige Kunden, die weg gegangen sind und durch die Pandemie wieder zurückgekommen sind.“

T.A.I.: Trifft das nur auf Kund*innen für kompliziertere Reisen zu oder auch für einfache?

Schoihsel-Zak: „Die Kund*innen fragen auch immer mehr einfache Piont-to-Point-Verbindungen an, um im Falle des Falles einen Ansprechpartner zu haben. Das ist für sie wichtiger, als der billigste Preis. Es wird zwar immer auch extrem preissensitive Kunden geben, aber das Gros ist dankbar für immerwährende Erreichbarkeit.“

T.A.I.: Erübrigt sich durch diese „immerwährende Erreichbarkeit“ nicht das Reisebüro als Standort?

Schoihsel-Zak: „Ich sehe das zweigeteilt. Es gibt Kund*innen, die ich schon seit Jahren betreue, die kommen nicht mehr ins Reisebüro, sondern kommunizieren mit mir nur noch bei Telefon, Skype, E-Mail etc. Aber: Der Standort, wie die Columbus-Zentrale im ersten Bezirk, ist wichtig, um Präsenz zu zeigen und neue Kunden zu gewinnen. Die physische Präsenz gibt den Kund*innen auch zusätzlich Sicherheit. Wir sind heuer seit 90 Jahren an diesem Standort.“

Steinwedel: „Das will ich doppelt und dreifach unterstreichen! Der Standort ist wichtig, wo ich Kund*innen kennenlernen kann. Es ist eben etwas anders, wenn man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzt. Die Pandemie hat aber auch gezeigt, wie toll die Branche Kund*innen auch virtuell betreuen kann … vor allem die ersten Wochen waren die herausforderndste Zeit ever. Der persönliche Touchpoint ist wichtig!“

T.A.I.: Nochmals zur „immerwährenden Erreichbarkeit“: Wie verträgt sich die mit den Arbeitszeiten?

Steinwedel: „Das Wichtigste ist: Wir wollen alle aus der Kurzarbeit raus und sind sehr zuversichtlich, dass wir die Pandemie hinter uns lassen können. Wir machen uns aber natürlich Gedanken wie die Arbeitszeit-Gestaltung in Zukunft aussehen könnte. Was erwarten die Kund*innen? Wie können wir Erreichbarkeit über Öffnungszeiten hinaus gestalten und zwar nicht nur in den einzelnen Filialen, sondern Unternehmens-übergreifend? Der Business-Bereich hat das sehr gut mit seiner 24/7 Betreuung schafft. Für den reinen Touristen ist das aber eine andere Frage, auch von den Kosten her. Fest steht: Es wird neue Arbeitszeiten geben müssen.“

Schoihsel-Zak: „Für mich ist der Wunsch des Kunden nach Befriedigung der Urlaubsbedürfnisse oberste Prämisse. Das eine schließt das andere nicht aus. Und wir befinden uns nicht in der Situation, auch nur eine einzige Anfrage liegen zu lassen, sondern wir müssen sie alle zeitnah befriedigen. Wie das für die Zukunft aussieht, nach ‚back-to-normal’, steht auf einem anderen Stern.“

T.A.I.: Hat das Reisebüro also Zukunft?

Steinwedel: „Was für eine Frage! Wenn wir nicht das glauben würden, wären weder Harald Schoihsel-Zak noch ich da.“

Schoihsel-Zak: „Vielleicht werden wir den einen oder anderen Kunden an das Internet verlieren. Auch der eine oder andere Veranstalter kooperiert nicht mit uns. Aber es wird immer Kund*innen geben, die auf Knowhow zurückgreifen wollen und da kann man nur mit Service uns Wissen punkten. Jedes Verlaufsgespräch ist anders. Extrem wichtig sind Bedürfnisanalyse, dem Kunden zuhören und die Schlüsselwörter zu erkennen, was der Kunde eigentlich möchte. Mir macht das Verkaufen extrem Spaß!“

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