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Österreichs Reisebüroverbände

Getrennt & doch gemeinsam! Wo ÖRV, ÖVT und Fachverband für 2022 ihre Hebel ansetzen

T.A.I. 24 TOP News

Es leben die Gegensätze. Einer davon ist, im „Kaffee Alt Wien“ in der Wiener Innenstadt über die Zukunft der Reisebranche zu sprechen. Das vor 99 Jahren eröffnete Traditionslokal in der Bäckerstraße hatten die Präsidentinnen von ÖRV (Österreichischer ReiseVerband), Eva Buzzi (sie ist Geschäftsführerin des Bahnveranstalters ÖBB Rail Tours), und vom ÖVT (Österreichischer Verein für Touristik), Phillies Ramberger (Chefin der auf Luxusreisen spezialisierten PUR Touristik), gewählt, um mit T.A.I. über aktuelle und künftige Herausforderungen der österreichischen Incoming- und Outgoing-Touristik zu sprechen. Dabei ging es nicht nur um gemeisterte sowie bestehende Aufgaben, sondern vor allem auch um künftige Perspektiven für die derzeit ihre größte Krise bewältigende Reisebranche.

Gelebte Bündelung der Kräfte

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie befinden sich alle drei, – ÖRV, ÖVT und Fachverband –, „in regelmäßigem Austausch“, wie Phillies Ramberger betont. Das habe schon mit Josef Peterleithner (Anm.d.Red.: bis Mai 2021 Präsident des ÖRV) begonnen "und geht mit Eva Buzzi auch intensiv weiter.“

Österreichs Reisebüro-Verbände hätten diesbezüglich einen anderen Weg eingeschlagen, als etwa jene in der Schweiz oder Deutschland: „Wir haben bezüglich Kooperation nicht lange herumgesprochen, ob es ein Arbeitspapier geben soll oder nicht, sondern sie wird gelebt. Wir sind ein hervorragendes Team – jeder Verband konzentriert sich auf die Bedürfnisse seiner Mitglieder“, so Ramberger. Seit Eva Buzzi im Mai zur Nachfolgerin von Josef Peterleithner gewählt worden ist, wird diese erfolgreiche, gute Zusammenarbeit fortgeführt: „Wir sind nicht ein Verband, aber wir kooperieren eng miteinander und stimmen uns bei allen wichtigen Themen ab.“

Diese Zusammenarbeit sei extrem wichtig, betonen sowohl Eva Buzzi als auch Phillies Ramberger. Ob es nur einen privaten Verband gibt (Anm.d.Red.: in der Schweiz unterzeichneten Ende August der SRV/Schweizer ReiseVerband, die Swiss Travel Association/STAR und die Travel Professionals eine Absichtserklärung, mittelfristig einen Gesamtverband der Schweizer Reisebranche mit Einbezug aller Verbände und unter Führung aller Präsidenten bilden zu wollen), oder mehrere, sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht entscheidend, da primär die Kapazitäten für aktuelle Themen genützt werden müssen. Ramberger: „Wir sind als Triumvirat seit 16 Monaten sehr erfolgreich unterwegs. Wir haben gemeinsam versucht, für unsere Reisebranche die bestmögliche Hilfestellung & Unterstützung zu erzielen in dieser größten Krise des Tourismus und dafür kämpfen wir weiter.“

Bestehende Herausforderungen …

Anfänglich seien alle in der Branche davon ausgegangen, dass das Umfeld Ende 2020/Anfang 2021 etwas leichter/klarer würde. „Jetzt stehen wir im September 2021 und haben noch immer keine Planungssicherheit“, so Ramberger. Der Ausfallbonus sei geringer (Unternehmen der Reisebranche werden diesbezüglich nicht mehr mit dem Gesamtumsatz, sondern mit ihrer 10% Marge erfasst), die Kurzarbeit mittlerweile in Phase 5, nach wie vor gibt es keine EU-einheitliche Einreiseverordnungen und es stelle sich die Frage, wie es gelingen kann, die MitarbeiterInnen aus der Kurzarbeit zurückzuholen - um nur einiges zu erwähnen.

… mit drei großen Themenfeldern

Welches sind nun die wichtigsten Themen, die es vom „Triumvirat“ in den kommenden Wochen und Monaten für die Branche abzuarbeiten gilt? Eva Buzzi und Phillies Ramberger nennen diesbezüglich drei Themenfelder, an denen bereits intensiv gearbeitet wird:

  • Margensteuer: Österreich ist verpflichtet, aufgrund eines Umsetzungsurteils des EuGH (Europäischer Gerichtshof) seine nationalen Bestimmungen zur Margensteuer bis 1. Jänner 2022 an geltendes EU-Recht anzupassen. Stark vereinfacht ausgedrückt geht es hier um eine Abkehr der bisher hierzulande gelebten Praxis der Margensteuer-Pauschalierung hin zu deren Einzelberechnung auf jeden Geschäftsfall. Kernfrage laut Buzzi und Ramberger sei, „wie man die Umsetzung in Krisenzeiten so formulieren kann, dass sie für den Einzelbetrieb handlebar ist.“ Es gehe hier nicht nur um eine finanzielle, sondern auch um eine administrative und technische Herausforderung.
  • Insolvenzversicherung: diese wird vom Pauschalreisegesetz (PRG) und Pauschalreiseverordnung (PRV) bezüglich verbunderer Reiseleistungen vorgeschrieben. In der Bundesrepublik habe der DRV (Deutscher Reiseverband) einer Fondslösung den Vorzug gegeben, die Mitte Juni 2021 vom Bundestag beschlossen wurde. Er wird ab November 2021 aktiv und soll bis Ende Oktober 2027 eine eine Gesamtabdeckung von 750 Mio. Euro gewährleisten. Genaue Details sind derzeit nicht verfügbar.

Dieses Modell lasse sich aber nicht 1:1 auf Österreich übertragen, da der österreichische Markt anders agiert als Deutschland: z.B. das Direktinkasso ist dort gang und gebe, in Österreich aber kaum (verbundene Reiseleistungen und der damit entstehenden Pflicht zur Insolvenzabsicherung kommen hierzulande damit eine größere Bedeutung zu).

Bereits im Jänner 2021 wurde unter Federführung des ressortzuständigen Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (unter Beteiligung des Tourismus- sowie des Sozialministeriums, der Fachverbände der Reisebüros und Hotellerie, sowie in weiterer Folge auch der ÖHT/Österreichische Tourismusbank) eine „Reformgruppe“ eingesetzt, die eine auf einem Trägermodell basierende, nachhaltig funktionierende, Lösung ausgearbeitet hat. Über die weiteren notwendigen Schritte zur praktischen Umsetzung dieses Modells laufen derzeit noch intensive Gespräche. Dringend notwendig ist auch eine Planungssicherheit und endlich EU-einheitliche Einreiseverordnungen!

  • Perspektiven geben: das dritte ist langfristig gesehen das wichtigste Thema für Österreichs Reisebürobranche. Wie Phillies Ramberger betont, sind „die Förderungen, die wir als Triumvirat in unzähligen Verhandlungen erzielt haben, wirklich sehr unterstützend und hilfreich gewesen.“ Es habe sich bald abgezeichnet, dass die Durststrecke für die Branche „länger dauern wird.“ Deshalb rieten die Reiseverbände ihren Mitgliedern stets, „die Mittel gut zu investieren – sprich MitarbeiterInnen halten – und gut hauszuhalten.“

Die Zeit der großen finanziellen Staatshilfen (Fixkostenzuschuss 800.000, Verlustersatz etc.) sei vorbei, die aktuellen Unterstützungen gingen nicht mehr vom Umsatz, sondern von der Marge aus, und auch die Kurzarbeitsphase 5 stelle eine größere Hürde dar.

Wichtig für die Reiseindustrie sei es jetzt, sich vermehrt mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Phillies Ramberger: „Digitalisierung darf nicht mit Buchungssystemen verwechselt werden, sondern es geht ums Sichtbarwerden im Internet, um Interaktion mit den KundInnen über Social Media.“ Nicht minder wichtig sei es, so Eva Buzzi, „MitarbeiterInnen zu motivieren und zu schulen – und das nicht nur 2022, sondern langfristig.“

Fit für die Zukunft

Beide Präsidentinnen sind bezüglich der künftigen Perspektiven für die Branche optimistisch: „Auch der klassische Reisebürovertrieb braucht sich vor der Zukunft nicht fürchten“, betont Phillies Ramberger, um gleich darauf hinzuzufügen: „Aber er muss sich neu aufstellen.“ Eva Buzzi sieht es genauso: „Jedes einzelne Unternehmen muss sich Gedanken machen, wofür es für seine Kunden da ist. Es gilt, den USP (Unique Selling Proposition, also das Alleinstellung- bzw. das herausragende Verkaufsmerkmal) herauszuarbeiten.“

Dieser USP liegt – egal, auf welchen Bereich sich ein Reisebüro spezialisiert – allen voran in der Beratung. Phillies Ramberger: „Dienstleitung wird immer ihren Wert haben.“ Dies sollte Reisebüros bewusst sein und gleichzeitig auch die Bereitschaft erhöhen, „ein Beratungshonorar zu verlangen.“ Buzzi und Ramberger abschließend: „Es geht ums Überleben der Branche und es geht ums Neuerfinden der Branche.“ ÖRV und ÖVT sowie Fachverband der Reisebüros werden sich weiterhin intensiv dafür einsetzen, dass beides erfolgreich gelingt.

Drei Verbände, ein Ziel

Gemeinhin gilt der ÖRV mit Präsidentin Eva Buzzi an der Spitze als der „große“ und der ÖVT als der „kleine“ private Reiseverband, wobei sich diese Titulierung auf die Umsatzgröße ihrer Mitglieder bezieht. Branchenriesen, wie TUI, Verkehrsbüro/Ruefa oder Kuoni sind im ÖRV gut aufgehoben. Kleine Spezialisten, wie Rhomberg Reisen, Elite Tours aber auch Raiffeisen RB und Geo Reisen sehen sich durch den ÖVT optimal vertreten, als deren Präsidentin Phillies Ramberger fungiert.

Der ÖVT zählt mit aktuell 200 Unternehmen mehr (ordentliche und außerordentliche) Mitglieder als der ÖRV, der auf 170 kommt. Dessen Mitglieder wiederum markieren die Umsatz-Krösusse von Österreichs Touristik.

Während ÖRV und ÖVT als private Vereine organisiert sind (deshalb auch die verpflichtenden, jährlichen Generalversammlungen), ist der „dritte im Bunde“, der Fachverband der Reisebüros, Teil der WKÖ (Wirtschaftskammer Österreich). Er kommt aktuell auf 2.078 aktive Fachgruppenmitgliedschaften (Mehrfachzählung; inkl. nicht aktiver sind es sogar 2.421), die sich auf 1.271 Unternehmen verteilen. Als Fachverbandsobmann fungiert Gregor Kadanka (Mondial), dessen Unternehmen auch Mitglied beim ÖRV ist.

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