Print-Ausgabe 22. April 2016
Starke Investitionen in Mitarbeiter und Kataloge – Elisabeth Kneissl-Neumayer über ihr erstes, „nicht einfaches“ Jahr als Geschäftsführerin bei Kneissl Touristik
T.A.I.: Das erste Quartal 2016 in der Tourismusbranche war nicht gerade von Optimismus geprägt – vor allem was die beliebten Urlaubsdestinationen Türkei, Ägypten und Griechenland betrifft. Wie wurde das Ihrerseits, als Reiseveranstalter mit einem teils sehr spezialisierten Programm, wahrgenommen?
Elisabeth Kneissl-Neumayer: „Jammern bringt nicht weiter! Wir haben Ägypten schon letztes Jahr aus dem Programm genommen, weil unsere Studien-ErlebnisReise-Programme im Niltal und in die Westliche Wüste aufgrund der instabilen politischen Lage nicht mehr möglich waren. Griechenland ist jetzt im Frühling gut gegangen. Nachdem wir schon jahrelang gegen Dumping-Preise bei Türkei-Rundreisen gekämpft haben, ist der Markt nun eingebrochen. Bis dato mussten wir alle Reisen absagen. Ostanatolien aus gutem Grund: Der Ararat ist für Trekking gesperrt. Und selbst im Westen wollen die Kunden nicht mehr besichtigen oder genüsslich wandern. Meine Begeisterung für Orhan Pamuk steckt die Leute auch nicht stark genug für Istanbul an.“
T.A.I.: Hat sich diese Zurückhaltung auch auf andere Ziele übertragen?
Kneissl-Neumayer: „Wie immer gab es Länder, die unverdient in den Sog gerieten. Jordanien und Marokko werde ich nicht müde zu erwähnen, weil die Kunden dort auf Händen getragen würden, die Buchungsrückgänge sind sehr schade.
Wir erleben über die letzten Jahre ein permanentes Auf und Ab, ohne diese Bewegung rational begründen zu können. Warum läuft Island heuer wieder besser als Skandinavien? Warum begeistert Laos in dem einen Jahr und reizt im Folgejahr niemanden? Das kann man bei vielen Destinationen durchspielen.
Nur bei Kuba gibt es keine Buchungszurückhaltung und das fliegt jetzt endgültig raus: Nachdem die Ostergruppe wegen Obama und den Rolling Stones aus Havanna quartiert wurde, ex Santiago, weil man sechs Stunden zum Zählen der Kunden brauchte, nicht fliegen konnte, suche ich mir eine andere Form des Masochismus, die mehr Spaß macht (lacht). Aber alle wollen in ein Land, das zu wenige Hotelbetten hat und ein katastrophales System touristischer Leistungsvergabe. Die letzte Gruppe ist unterwegs – wenn die heil zurück ist, wird eine Flasche guter Wein geköpft!“
"Persönliche Beratung ist scheinbar für den Kunden noch immer wichtig"
T.A.I.: Konnten Sie von Ausweich-Gästen bzw. Kunden, die einmal etwas Neues ausprobieren möchten, profitieren?
Kneissl-Neumayer: „Viele Destinationen sind sehr gut gefragt. Das letzte Jahr hatten wir Rückgänge (das Geschäftsjahr geht bis Ende April 2016), für das kommende nicht.
Der ganze Norden und Nordwesten wird begeistert aufgenommen: Egal ob Island, Skandinavien oder Irland. Das Südliche Afrika ist zurück auf der touristischen Landkarte. China und Indochina, USA/Kanada-Ost und Südamerika sind stark gefragt und natürlich Europa. Es ist ehrlich schön, dass die Kunden Spaß am Erkunden des eigenen Kontinents haben.“
T.A.I.: Welche Ihrer Produkte beziehungsweise welche Form von Urlaub wird dabei besonders nachgefragt?
Kneissl-Neumayer: „Unsere klassische StudienErlebnisReise –egal wohin. Spannend, lebendig und abwechslungsreich gestaltete und geführte Reisen begeistern unsere Kunden immer wieder aufs Neue. Und hochkarätige Tagesfahrten wie zu 'Jedermann' bei den Salzburger Festspielen. Bei Städtetrips geht hingegen ein wenig die Unsicherheit um.
Wir sind jahrelang wegen unseres bunten Bauchladens belächelt worden: ‚Wie kann man nur so breit aufgestellt sein und nicht spezialisiert?‘ Wir versorgen aber einen bunten und liebenswerten Kundenstamm, der gerade unsere Programmvielfalt schätzt und liebt. Und uns vertraut.“
T.A.I.: Welche Trends erkennen Sie im Buchungsverhalten Ihrer Kunden?
Kneissl-Neumayer: „Kurzfristige Buchungen nach dem Motto: „Warten wir zu, ob eh nix passiert!“ Das Internet wird für Buchungen genutzt, aber sehr gern wird auch im Reisebüro gebucht: Persönliche Beratung ist scheinbar für den Kunden noch immer wichtig.“
"Ich musste mich ein wenig mehr zur ‚One Woman Show‘ entwickeln"
T.A.I.: Mitte 2015 haben Sie gemeinsam mit Hannes Schierl die Geschäftsführung von Ihrem Bruder Christian Kneissl übernommen. Wie verlief das erste Jahr an der Spitze?
Kneissl-Neumayer: „Ich habe in keinem einfachen Jahr übernommen und gemeinsam mit Hannes Schierl und meinem Team den Katalogen ein Facelifting verpasst (die frisch gestalteten Reiseseiten kommen mit den Katalogen Anfang Juni). Wir haben beide Häuser in Lambach umorganisiert, technisch aufgerüstet und den Arbeitsraum für jeden Mitarbeiter verbessert. Auch ökonomisch – mit dem Auf und Ab von US-Dollar und Britischem Pfund – war es nicht einfach.“
T.A.I.: Was hat sich dadurch für Sie persönlich am meisten geändert?
Kneissl-Neumayer: „Ich war davor für viele Jahre Prokurist – da steht man auch an der Front. Mein Bruder und ich haben uns seit Jahrzehnten ergänzt: Er ist naturbetont, ich der Kultur-Freak. Und wir haben uns gegenseitig angestachelt. Als Geschwister ist man einfach Sparring-Partner – nicht, dass ich jetzt mit Hannes Schierl in den Ring steigen will. Ich schätze seine ruhige überlegte Weise sehr. Aber ich musste mich ein wenig mehr zur ‚One Woman Show‘ entwickeln als vorher, was mich ja nicht stört. Aber es war und ist eine Herausforderung.“
T.A.I.: In welchen Bereichen unterscheiden Sie sich von Ihrem Bruder als Geschäftsführerin?
Kneissl-Neumayer: „Ich glaube, dass ich mehr teamorientiert bin, muss ich ja bei vielen Aufgaben sein. Aber das sollten Sie besser mein Team fragen, auf das ich ehrlich sehr stolz bin.“
T.A.I.: Wie lauten Ihre Pläne für Kneissl Touristik?
Kneissl-Neumayer: „Gesundes Wachstum, Erweiterungen im Sinne neuer Produktlinien, verstärkte Qualitätskontrolle in allen Bereichen, die Motivation im Team zu stärken und zu erhöhen.“
Erstellt am: 22. April 2016
„Erleben ein permanentes Auf und Ab“ - Elisabeth Kneissl-Neumayer
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