Interview mit Christine Catasta

Es muss nicht alles immer der Staat machen: „Jede Krise bietet auch besondere Chancen!“

Print-Ausgabe 19. März 2021

Das Interview war lange geplant, der Termin am Weltfrauentag war allerdings ein Zufall. Aber er passte punktgenau: Christine Catasta ist eine der profundesten Führungskräfte in Österreichs Wirtschaft (siehe „Kurzportrait“). Seit Herbst 2020 gehört sie der Führungsspitze der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) an, ist Aufsichtsrätin bei Austrian Airlines, Casinos Austria, sowie im VERBUND (alle für die ÖBAG) und bei der ERSTE Bank, einem der wichtigsten Finanzpartner von Österreichs Tourismus (per Ende 2019 Kreditvolumen ca. 5,1 Mrd. Euro in Beherbergung und Gastronomie). „Trotz der aktuellen Herausforderungen ist es der ÖBAG bislang sehr gut gelungen, die heimischen Staatsbeteiligungen sicher durch turbulente Zeiten zu steuern“, stellte sie bei ihrem ÖBAG-Amtsantritt fest. Im Gespräch mit T.A.I. ging es um ihre Einschätzung, wie es jetzt damit aussieht, und darum, wie sie generell die Chancen von Österreichs Tourismus sieht.

T.A.I.: Laut European Institute for Gender Equality (EIGE) sitzen in den Vorständen von Österreichs börsennotierten Unternehmen nur 7,9 % Frauen, in Aufsichtsräten dank Quoten wenigstens 27,8 %. Allgemein fiel Österreich laut „Women in Work 2020 Report“ von PwC (PricewaterhouseCoopers) seit 2000 in der Rangliste vom 13. auf den 25. Platz zurück. Wie sehen Sie das? 

Catasta: „Es müssen mehr Frauen in Führungspositionen. Laut einer im Vorjahr vom Centre for Economic Policy Research (CEPR) publizierten Analyse kamen die 19 von Frauen regierten Länder erfolgreicher durch die Krise, als die 174 von Männern geführten Staaten.“ 

T.A.I.: Damals (also im Sommer 2020) glaubten viele, dass Corona weitestgehend ausgestanden wäre. Am Ende kam es viel schlimmer … 

Catasta: „Österreichs Wirtschaftsleitung ist durch den Tourismus im vierten Quartal 2020 mit -7,8 % stark eingebrochen. In der EU waren es -4,8 %. Das hatte nicht nur mit dem Wintertourismus zu tun, sondern auch mit dem Städte- und Konferenztourismus.  Anfangs hatte niemand damit gerechnet, dass die Corona-Krise so lange dauert. Die Amerikaner waren da schon realistischer: Bei PwC hatten sie schon im März 2020 beschlossen, dass alle USA-Büros bis Jahresende geschlossen bleiben. Die hatten eine bessere Einschätzung als in Europa. Wir dachten, dass wir im Sommer wieder zur Normalität zurückkehren können.

Ich wurde noch in meiner PwC-Zeit unmittelbar vor dem Lockdown von Austrian Airlines angerufen, wo sie angekündigt haben, dass sie ein komplettes Grounding planen. Im Sommer ist es dann ein bisschen nach oben gegangen. Aber es dauert alles länger, als man gehofft hat.“ 

T.A.I.: Seit November sind Sie nun Mitglied des Aufsichtsrates von Austrian Airlines. Wie sieht Ihre Einschätzung für die Luftfahrt aus? 

Catasta: „Die Luftfahrt ist mit enormen Kosten konfrontiert. Viele Unternehmen mussten staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, aber nichtsdestotrotz ist die Liquidität stark belastet. Entscheidend werden die Impfungen sein. Es wird auch eine Registrierung geben müssen, ob man getestet ist. China ist da ein Beispiel. Wir müssen bewusst nachdenken, ob wir so etwas wollen, aber wir sehnen uns heute danach, wieder halbwegs in die Normalität zurückzukehren und auch, um wieder reisen zu können. Man rechnet damit, dass die Erholung mit Impfungen und Tests einsetzen wird. Bis Sommer sollten die Impfungen weltweit so fortgeschritten sein, dass wieder Flugaufkommen dargestellt werden kann.“ 

T.A.I.: Sind weitere Staatshilfen notwendig? Wo ist der Horizont für Austrian Airlines? 

Catasta: „Da geht es nicht nur um Austrian Airlines, sondern generell um die Luftfahrt. Die Planungen gehen davon aus, dass es (Anm.d.Red.: die Rückkehr zum regulären Flugbetrieb) im Sommer wieder beginnt, bei einigen schon ab Ostern. Die Airlines haben ja viele Kostensenkungsprogramme durchgezogen, ergänzt um staatliche Hilfspakete, Kurzarbeit und Verlustersatz etc. Natürlich bleibt aber Liquidität ein Thema. Im Sommer sollte es wieder losgehen, egal in welchem Land und welche Fluglinien.“ 

T.A.I.: Welche Relevanz hat Ihrer Meinung nach Austrian Airlines? 

Catasta: „Austrian Airlines ist ganz zentral für den Wirtschaftsstandort Österreich und sichert auch in Zukunft das Drehkreuz Wien im internationalen Flugverkehr. Wo sind denn von PwC die Konferenzen für den CEE-Raum geplant gewesen? In Wien, weil es von überall die besten Flugverbindungen gegeben hat.“ 

T.A.I.: Entscheidend werden also – wie Sie vorhin erwähnten – die Impfungen sein?

Catasta: „Ja. Es wird ganz wichtig sein, für Branchen, die sehr stark betroffen sind, durch Impfungen und Testungen zu unterstützen. Es haben sich auch die Prioritäten stark gewandelt: Vor einem Jahr stand im Global Risks Report 2020 des WEF (World Economic Forum) noch die Klimakrise als langfristiges Hauptrisiko an erster Stelle, gefolgt von Cyber-Crime. Das Risiko einer Pandemie hat vor zwölf Monaten noch niemand ernsthaft ins Kalkül gezogen. Durch die Pandemie ist der Gesundheitsbereich zur Nummer 1 geworden. Man wird Maßnahmen treffen müssen, damit man entgegenwirkt. Forschung und Entwicklung sind wichtig, ergänzt um Klimaschutz und Schutz der Biodiversität.“ 

T.A.I.: Als CEO bei PwC Österreich hatten Sie auch mit dem Bereich Hospitality & Leisure zu tun. In welcher Form? 

Catasta: „Es waren meist größere Projektentwicklungen, z. B. ob Skifahren auch für Indien ein interessantes Thema darstellt. Die haben dort keine entsprechende Infrastruktur. Es ging auch um Investorensuche für bestimmte Projekte, darunter auch einzelne Hotelprojekte.“ 

T.A.I.: Österreichs Beherbergungsbetriebe mussten von den zurückliegenden 12 Monaten acht zugesperrt bleiben und so wie es aussieht, wird dies noch länger andauern. Wie beurteilen Sie die Lage? 

Catasta: „Auch unsere Familie hat ein Hotel, das Inselhotel Faakersee. Es ist ein Saisonbetrieb und wir hatten 2020 die stärkste Saison, weil durch die späte Öffnung die üblicherweise schwächere Vorsaison entfallen ist und Kärnten dann insgesamt einen starken Sommer hatte. Auf die Sommer-Hotellerie hat Corona also weniger gravierende Auswirkungen. Der Winter- und der Städtetourismus sind umso stärker betroffen. Hart getroffen wurde auch der Konferenz- und Event-Tourismus. Viele Veranstalter sind auf Video und Streaming umgestiegen, in Zukunft wird sicher beides angeboten werden. Aber insgesamt wird es länger dauern, bis Konferenzen wie früher möglich sein werden.“ 

T.A.I.: Wie schlimm ist die nicht stattgefundene Wintersaison?

Catasta: „Durch den fehlenden Wintertourismus hat Österreich im vierten Quartal 2020, wie eingangs erwähnt, beim Wirtschaftswachstum im europäischen Durchschnitt nicht gut abgeschnitten. Der Tourismus ist hierzulande im Vergleich zu anderen EU-Ländern ein sehr essentieller Bestandteil. Das ist nicht mehr aufholbar.

Es hat unterschiedliche Maßnahmen gegeben, wo der Staat unterstützt hat. Mit der Kurzarbeit hat die Bundesregierung rasch ein Instrument zur Verfügung gestellt, das Unternehmen hilft, all diese Herausforderungen unter einen Hut zu bekommen. Natürlich hat die Sicherung der Liquidität und der Kapitalbasis Priorität zur Absicherung der Zukunft eines Unternehmens. Aber dank der Kurzarbeit kann die Kostenbasis temporär gut abgesenkt werden und gleichzeitig der MitarbeiterInnenstand gehalten werden. Das halte ich für sehr vernünftig.“ 

T.A.I.: Sie sind von der ÖBAG auch in den Aufsichtsrat der Casinos Austria entsendet worden. Die waren immer ein wichtiger Partner für Tourismus und Kultur. Wie wird das in Zukunft sein? 

Catasta: „Es besteht eine enge Verknüpfung von den Casinos mit dem Tourismus, nicht nur in den Städten, auch in den Tourismus-Orten, in denen sie mit Standorten und Restaurants vertreten sind. Sie wurden ebenfalls stark vom Lockdown getroffen, auch wenn die Casinos Austria im Online-Bereich gut durch die Krise gekommen sind. Man rechnet aber nur mit einer schrittweisen Öffnung.“

T.A.I.: Wie sieht es mit der Trennung von Glücksspielbereich und Politik aus?

Catasta: „Derzeit sind viele Aufgaben im Finanzministerium gebündelt, das soll sich künftig durch eine neu eingerichtete und unabhängige Glückspielbe­hörde ändern, die viele Aufgaben übernimmt. Diese Regelung ist sehr begrüßenswert. Mit der Beilegung des Aktionärsstreits, dem Abschluss eines zukunftsweisenden Syndikatsvertrages zwischen der ÖBAG und der Sazka-Group und der Einleitung einer Restrukturierung im Zuge der Corona-Pandemie gab es weitreichende Änderungen für die gesamte Unternehmensgruppe. Als Kernaktionär war es der ÖBAG wichtig, Ruhe und Planbarkeit in die CASAG zurückzubringen und die Expertise im Aufsichtsrat auszubauen. Beide Ziele konnten wir 2020 erfolgreich umsetzen.“ 

T.A.I.: Welche Möglichkeiten zeichnen sich für Wirtschaft und Tourismus ab? 

Catasta: „Jede Krise hat auch ihre Chancen. Es gibt viele Investoren, die überlegen, wo man mit neuen Geschäftsmodellen in die Zukunft startet, mit effizienten Strukturen oder auch digitalen Prozessen. Nach der Krise wird es ein traditionelles Geschäft gepaart mit neuen innovativen Ansätzen geben. Viele haben sich z.B. im Handel überlegt, einen Onlineshop zu eröffnen, Restaurants starteten Pick-up Services, Airlines setzen verstärkt auf Lieferung von Fracht – alle haben an der digitalen Transformation teilgenommen. Das geht nicht verloren, viele haben neben ihrem bestehenden Geschäftsmodell ein zweites aufgebaut. In der Hotellerie wird das allerdings nicht so leicht gehen, die kann zwar bei Buchungen und im Backoffice digitalisieren, aber sie wird immer von der physischen Anwesenheit der Hotelgäste abhängig sein.“ 

T.A.I.: Von welchen Hilfsmaßnahmen soll Ihrer Meinung nach der Weg zurück zur Normalität begleitet werden? 

Catasta: „Die COVID-19-Pandemie stellt alle Unternehmen gleichermaßen vor eine zentrale Herausforderung. Diese lautet: Mangelnde Planbarkeit. Hier braucht es starkes Leadership im Management, gepaart mit einem guten Maß an Erfahrung. Die Regierung hat mit zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen sehr gut reagiert. Wichtig war, dass die Liquiditätslücken in den Betrieben unseres Landes rasch geschlossen wurden. Das hat zur Wiederherstellung des Vertrauens beigetragen, auch wenn weitere Unsicherheiten bestehen bleiben. Liquidität wird 2021 wichtiger als Rentabilität. Naturgemäß trifft die Krise bestimmte Branchen härter als andere, wie eben den Tourismus oder die Kultur­betriebe.“  

Kurzportrait Christine Catasta

Die gebürtige Wienerin (geb. 1958) und Mutter von zwei erwachsenen Kindern, Mag. Dr. Christine Catasta (Hobbies: Golf, Tennis, Skifahren oder Paddeln auf der Donau), war nach ihrem – schneller als in der Mindestzeit absolvierten – Wirtschaftsstudium (Spezialgebiet Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung) sowie nach etlichen Auslandspraktika bei PwC über 38 Jahre in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung tätig. Von Juli 2018 bis Juni 2020 war Christine Catasta Seniorpartnerin und CEO bei PwC Österreich mit über 1.200 MitarbeiterInnen und stand damit als erste Frau unter den „Big Four“-Beratern in Österreich an der Unternehmensspitze.

Seit ihrem Abschied von PwC bekleidet Christine Catasta Aufsichtsrats-Positionen im Verbund (2. stellvertretende Vorsitzende), seit September 2020 in der ERSTE Bank. Seit Oktober ist sie im Direktorium der ÖBAG, von der sie in die Aufsichtsräte von Austrian Airlines und Casinos Austria sowie in den Vorstand der Österreichischen Luftverkehrs-­Privatstiftung (ÖLP) entsendet wurde.

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