ANA
Europäische Reiseversicherung

Ertragsfaktor Reiseversicherung wird im Reisebüro weiter wachsen

Print-Ausgabe 11. September 2020

„Die Reiselust der Menschen ist ungebrochen“, so Wolfgang Lackner (r.) und Andreas Sturmlechner


 

Das zunehmende Sicherheitsbedürfnis wird zu höheren Abschlussquoten führen – davon sind die beiden Vorstände der Europäischen Reiseversicherung überzeugt

Die Auswirkungen von Corona auf Reisebüros, Reiseveranstalter, Airlines, Hotellerie und Destinationen sowie die sich daraus ergebenden Herausforderungen sind hinlänglich dokumentiert. Doch wie sieht es bei Reiseversicherungen aus? Um Antworten darauf zu finden bat T.A.I. die beiden Vorstände des Marktführers Europäische Reise­versicherung, CEO Wolfgang Lackner und Vorstandsmitglied Andreas Sturmlechner, zu einem Interview.

T.A.I.: Ab Mitte März, als die WHO Covid-19 als Pandemie einstufte, erbrachten Reiseversicherungen für Ereignisse in Zusammenhang mit dem Virus keine Leistungen. Hat das nicht bei KundInnen und im Vertrieb viel Glaubwürdigkeit gekostet?

Lackner: „Die medizinische Leistung für den Fall einer Erkrankung an Covid-19 während der Reise war immer gegeben, dafür gab es nie einen Pandemieausschluss. Was die Stornodeckung anbelangt, ist zwar richtig, dass auch wir ab Mitte März einige Stornofälle hatten, die im Hinblick auf den Pandemieausschluss abzulehnen waren. Gleichwohl gab es eine entsprechende Anzahl von Stornierungen, die nicht unter den Pandemieausschluss fielen und von uns normal abgewickelt wurden.“

Sturmlechner: „Im Mai haben wir – als erste Reiseversicherung und viele Wochen vor den Mitbewerbern – offiziell auf vollen Versicherungsschutz und den ausdrücklichen Verzicht auf einen Pandemieausschluss hingewiesen. Unsere Partner und KundIn­nen wurden mit einem immer aktuellen ‚Informations­blatt zum Coronavirus‘ informiert, sowohl auf der Website als auch mittels Mailings.“

Lackner: „Unsere Leistungen waren und sind also immer transparent und daher gehen wir davon aus, dass wir keine Glaubwürdigkeit verloren haben. Ganz im Gegenteil!“

T.A.I.: Jetzt gilt wieder vollumfänglicher Stornoversicherungs- und Reiseabbruchsschutz. Auch Stornofälle im Zusammenhang mit COVID-19 sind gedeckt. Was hat zum Umdenken geführt?

Lackner: „Ab Anfang Juni haben die meisten Reisebüros, wenn auch eingeschränkt, wieder geöffnet. Airlines haben für Mitte Juni einen neuen Flugplan angekündigt. Da war klar, dass wir ab sofort einen uneingeschränkten Versicherungsschutz bieten wollen, damit möglichst sorgenfrei gebucht werden kann. Wir wollten damit den Reisevertrieb von Anfang an unterstützen.“

T.A.I.: Bei TUI geht man davon aus, dass 2021 ein Übergangsjahr wird und sich das Geschäftsvolumen erst ab 2022 normalisiert. Decken sich diese Einschätzungen mit jenen der Europäischen Reiseversicherung?

Lackner: „Nicht ganz. Wir rechnen mit einer etwas günstigeren Entwicklung, weil wir einen erfreulich hohen Anteil an JahresversicherungskundInnen haben. Diese wollen auch bei eingeschränkter Reisetätigkeit, für Reisen und Aufenthalte in kürzeren Distanzen sowie im Inland vollumfänglichen Reiseversicherungsschutz genießen. Ein Missgeschick, ein Ausrutscher oder eine plötzliche Erkrankung sucht sich die Destination ja nicht aus und kann jederzeit und überall passieren. Wir rechnen aber ebenfalls erst ab 2022 mit einem Prämienvolumen wie 2019.“

T.A.I.: Sie sind traditionell sehr stark im Bereich der Hotelstorno-­Versicherung verankert. Wie entwickelt sich dieser Bereich heuer?

Sturmlechner: „Im Bereich der Hotelstorno-­Versicherung erleben wir derzeit eine sehr gute Entwicklung. Zahlreiche neue Hotelpartner kommen hinzu und die Abschlussquoten sind höher denn je. Seit Juni liegen wir mit den Hotelstorno-­Prämien deutlich über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres.“

T.A.I.: Laut Google Play wurde die „Meine Urlauberia“-App bisher nur rund 5.000 Mal heruntergeladen, die Bewertungen sind mit 2,8 nur durchschnittlich. Worin liegt Ihrer Meinung nach die Reserviertheit der KundInnen gegenüber der App?

Sturmlechner: „Insgesamt verwenden die ‚Meine Urlauberia‘-App aktuell 7.500 Android- und 7.200 Apple-Nutzer. Bei 2 Millionen KundInnen pro Jahr könnte die Download­-Rate der App tatsächlich höher sein, sie steigt aber kontinuierlich. Insbesondere dann, wenn wir Erweiterungen ausrollen. Bei der Vielzahl an Apps am globalen Markt ist es schwer aufzufallen. Wir sind aber sicher, dass sie sich durchsetzen wird, gerade weil sie das Leben der Reisenden mit ihren einzigartigen Möglichkeiten erleichtert.
Die App wurde von der Herstellerfirma AIONAV entwickelt, einem schweizerisch-österreichischen Start-up, dessen Technologie sogar von der Schweizer Armee genutzt wird. Dadurch sind diese Features, die Reisen erleichtern, erst möglich geworden. Unsere App ist weltweit einzigartig. Reisende nutzen im Durchschnitt ihr Smartphone fünf Stunden pro Tag und dabei zu 92% Apps. Grund genug für uns als Reiseversicherer, eine sinnvolle App bereitzustellen. Was die Bewertung betrifft: Es gab Fehlermeldungen, als das Android 8 auf den Markt kam, die behoben wurden. Inhaltlich gibt es bis dato keinerlei Kritik.“

T.A.I.: Zuletzt wurde die „Meine Urlauberia“-App um das Feature „Reisedoc“ sowie um ein Covid-19-­­Menü erweitert. Rechnen Sie dadurch mit einer deutlich höheren Nutzung der App?

Sturmlechner: „Ich denke ja. Die Vorteile liegen auf der Hand: Ein Arzt ist durch den ‚Reisedoc‘ nur einen Knopfdruck entfernt. Die KundInnen werden in maximal 30 Minuten zurückgerufen. UrlauberInnen profitieren von österreichischen Standards ohne Sprachbarrieren und das rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Und mit dem Covid-19-Menü können Reisende ihre Bewegungen auch im Ausland selbst aufzeichnen und zurückverfolgen. Die Daten werden ausschließlich lokal am Handy gespeichert und User haben volle Kontrolle darüber, ob und mit wem das Bewegungsprotokoll geteilt wird. Aber wie heißt es so schön: Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“

T.A.I.: Im Reisebürovertrieb ist der Verkauf von Reiseversicherungen ein wichtiger Ertragsfaktor geworden. Corona wird allgemeinen Erwartungen zufolge für große Umstrukturierungen und eine Marktbereinigung sorgen. Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie in diesem Bereich?

Lackner: „Wir sind überzeugt, dass aktuell nicht mögliche Reisen nachgeholt werden und die Reiselust der Menschen ungebrochen ist. Die sich aufstauende Neugier auf die Welt wird sich durchsetzen. Das Sicherheitsbedürfnis wird noch größer sein und damit werden höhere Abschlussquoten einhergehen. Der Ertragsfaktor im Reisebüro wird ein noch größerer sein.“ 

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