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Reisebüros

Corona-Krise als Chance für Reisebüros! Social Media, Storytelling und neue Schwerpunkte

T.A.I. 24 TOP News

Es gibt sie, die Erfolgsgeschichten von Reisebüros auch in Zeiten der Corona-Pandemie. T.A.I. ist bei der diesbezüglichen Recherche vorerst auf den „Rosen Report“ von Cheryl Rosen gestoßen. Die Kernaussagen der darin zu Wort kommenden Reisebüro-Profis: Social Media-Aktivitäten, Storytelling und zum Teil auch das Setzen neuer Schwerpunkte sorgen für frische Impulse, die den Geschäftsgang wieder auf Touren bringen.

Verhaltene Erwartungen

Dass 2020 für die Reisebranche das Katastrophenjahr schlechthin war, ist kein Geheimnis. Wie Felix König, Geschäftsführer der „Reisewelt“, stellvertretender Fachgruppenobmann-der Reisebüros in der WKOÖ sowie Mitglied der Fachgruppe Reisebüros in der WKO, Anfang Jänner gegenüber dem ORF betonte, verbuchten die Retail-Büros seit Beginn der Krise 2020 monatliche Einbußen zwischen 92% und 97%.

Im neuen Jahr werde sich die Situation zwar entspannen („Die Buchungen haben im Dezember wieder angezogen“), aber die aktuellen Erwartungen für den Sommer 2021 gehen laut Felix König von lediglich „zumindest der Hälfte des Umsatzes von 2019“ aus: „Das Jahr 2021 wird natürlich weit noch nicht dort sein, wo das letzte vernünftige Jahr für die Reisebranche war.“ Vieles werde von den Rahmenbedingungen (u.a. Einreisebeschränkungen, Quarantänevorschriften etc.) für Reisende abhängen, „die Bestimmungen ändern sich immer wieder. Und das macht das Verreisen schwierig.“

Erfolgsbeispiele

In diesem Umfeld sind die Erfolgsbeispiele nicht uninteressant, welche Cheryl Rosen in ihrem „The Rosen Report“ erwähnt. Sie war früher u.a. Executive Editor bei „Business Travel News“, Chefredakteurin von „Travel Market Report“ und verfasst nun regelmäßig Beiträge über Reisebüros für Magazine wie „Luxury Travel Advisor“, „Insider Travel Report“ oder „Travel Agent“. Die Erfolgsbeispiele, die sie in dem Report anführt, beziehen sich durchwegs auf Kleinst- und Kleinunternehmen.

Storytelling über den Wert der Reisebüros

Eines dieser Erfolgsbeispiele betrifft „CIRE Travel“. Laut dessen Chef Eric Hrubant war „der April ein Nullmonat, aber ab Mai hatte ich einen Firmenkunden, der viel Geschäft in Abu Dhabi macht. Auch das Freizeitgeschäft scheint sich zu erholen, jeder Monat ist besser als der vorherige."

Die Akquisition des Geschäftsreise-Kunden war kein Zufall. Eric Hrubant hat mit Ausbruch der Krise sein Online-Marketing intensiviert, wobei er auf Storytelling setzte, um „eigene Erfolgsgeschichten zu erzählen, wie ich Kunden beim Reisen während der Corona-Pandemie geholfen habe. Corona ist eine goldene Gelegenheit für Reiseberater, ihren Wert durch das Erzählen von Geschichten zu zeigen.“

Besagter Firmenkunde hatte Hrubants Beiträge auf LinkedIn gelesen und kurzerhand entschieden, künftig für seine Reiseplanungen auf ein professionelles Reisebüro anstatt eines Callcenters zu setzen. Eric Hrubant: „Jetzt ist die Zeit, um als Reisebüro zwischenmenschliche Kontakte zu fördern und zu erzählen, wie man verfügbar ist, wie professionell, und dass man ein Verbündeter der Reisenden ist.“

Auch „altmodische Mailings" ziehen

Seine besten Kunden schenkte Eric Hrubant mittels „altmodischem Mailing" das Buch „1.000 Places to See Before You Die", inkl. Begleitschreiben, dass „hier 1.000 Orte sind, die Sie sehen können, wenn Sie dazu wieder bereit sind." Das Mailing kostete laut Eric Hrubant 1.500 Dollar, der schätzt, damit „bereits das Vierfache an Buchungen erhalten“ zu haben, darunter ein Segel-Trip nach Kroatien, eine Reise nach Spanien und eine private Villa in Mexiko. Obwohl der Umsatz 2020 unter den 20 Mio. US-Dollar von 2019 liegt, ist Eric Hrubant mit den mehr als 10 Mio. Dollar zufrieden, die er 2020 eingenommen hatte.

Interesse wecken

„Dream Vacations“ von Dave Operach (er betreibt es als Franchise-Unternehmen) verlagerte seinen Geschäftsschwerpunkt von Kreuzfahrten ins All-Inclusive-Segment. Um das Interesse dafür zu wecken, reise er mit seiner Ehefrau Donna nach Orlando sowie Cancun und berichtete auf Facebook und in Newslettern darüber. Dave Operach: „Unsere Reisen haben den Kunden definitiv geholfen, zu sehen, wie es in der ‚neuen Normalität' aussieht, und ihre Ängste gemildert.“ Dave Operach setzt vor allem auf Direktmarketing (online und per E-Mail) sowie auf virtuelle Veranstaltungen zusammen mit Leistungsträgern.

Expansion mitten in der Krise

Expandiert mitten in der Krise hat Kathleen Scanlon von Somerset Tours in Massachusetts. Zuvor in einem kleinen Büro (2019 lag ihr Umsatz bei etwa 300.000 Dollar), ergriff sie die Chance, als ein Büro von Liberty Travel direkt an einer Hauptstraße in der Innenstadt aufgegeben wurde. „Ich bin ins kalte Wasser gesprungen, ohne Rettungsinsel", sagt Kathleen Scanlon.

Das neue Büro ist doppelt so groß wie ihr bisheriges und kostet doppelt so viel Miete. Dass die Umsätze nicht nur zurückkehren, sondern gegenüber 2019 stark steigen werden, davon ist Kathleen Scanlon überzeugt: „Meine Kunden buchen alle für 2021, also mache ich mir keine Sorgen um die Einnahmen. Bis dahin muss ich das Boot einfach rudern. Ich weiß, dass die Reisetätigkeit wieder stark zunehmen wird.“ Covid sei „nur ein riesiger Stolperstein auf dem Weg. Wenn jeder tut, was er tun muss, wird die Welt wieder in Ordnung kommen."

Schwerpunkt verlagern

Bei „Plenty of Fun Travel“, Dallas, hat A. Scott Asplund ebenfalls (wie Dave Operach von „Draem Vacations“) seine Nische weg von Kreuzfahrten hin zu All-Inclusive-Reisen verlagert. 2019 erwirtschaftete er etwa 7 Mio. US-Dollar Umsatz, davon 15% mit All-Inclusive-Resorts´. Als 2020 aufgrund von Corona Kreuzfahrten gestoppt wurden, ließ er alle Agents Online-Kurse über All-Inclusive Reisen in der Karibik und Mexiko absolvieren. Ergebnis: „Allein im September und Oktober haben wir 1 Mio. Dollar verkauft.“ Der Umsatz für 2020 erreichte etwa 85% des Wertes von 2019. Scott Asplund: „Man muss sich den Gegebenheiten anpassen.“

Boomende Hochzeitsreisen

VIP Vacations aus Pennsylvania etwa verzeichnen laut ihrer Chefin Jennifer Doncsecz „ein Rekordjahr im Bereich Hochzeiten.“ Sie konnte „bis auf fünf alle 100 Gruppen, die für 2020 gebucht waren“, auf 2021 verlegen. Im Juli und August buchten bei VIP Vacations 25% mehr Gruppen als in den Vergleichsmonaten 2019. Treiber der Nachfrage sind Empfehlungen zufriedener KundInnen sowie Posts in diversen Social Media-Kanälen. Ein weiterer, entscheidender Punkt, ist laut Jennifer Doncsecz, „dass wir ein physisches Büro haben – und dass es geöffnet ist: In jeder E-Mail steht, dass wir geöffnet haben.“

Dazu kommen telefonische Beratungsgespräche mit Hochzeitspaaren, die oft bis zu 90 Minuten dauern. Doncsecz: „Ich habe noch nie mit so vielen Bräuten gesprochen. Ich glaube, sie sind einsam.“ Die persönliche Beziehung hat einen Stellenwert erreicht, wie seit langem nicht: „Es ist wahrscheinlich 12 Jahre her, dass ich den Namen jeder Braut sagen konnte – und jetzt sind wir wieder bei dem Punkt.“

Ähnliches berichtet Cheryl Rosen in ihrem „The Rosen Report“ über die „All Travel Company“ von Susanne Haire. 2020 hatte sie 4,4 Mio. Dollar an Hochzeiten für 2021 abgeschlossen. Von 18 für 2020 geplanten Hochzeiten konnte sie 13 auf 2021 verschieben: „Jetzt habe ich 43 Hochzeiten für 2021 und es kommen immer mehr.“ 70% der KundInnen kommen über Facebook (nicht nur von ihrer eigenen Seite, sondern auch von Kommentaren, die sie auf Tourismusseiten und Reiseseiten postet), 30% über Empfehlungen. Die Abschlussquote liegt aktuell bei 91%.

Einladung an Österreichs Reisebüros

Erfolgsbeispiele gibt es auch in Österreichs Reisebüro-Landschaft, in Deutschland und in der Schweiz. T.A.I. berichtet gerne auch über diese. Zuschriften unter norden@tai.at.

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