Print-Ausgabe 8. April 2016
Das Reisebüro verbucht derzeit in Österreich und Deutschland ein bemerkenswertes Comeback – die professionelle Beratung gilt dabei als entscheidender Faktor
Mit neuem Spielzeug spielt man gern, lautet eine alte Binsenweisheit, und so verhält es sich mit den Online-Buchungen von Reisen. Deren Höhenflug war in den zurückliegenden eineinhalb Dekaden extrem, sodass viele Beobachter dem klassischen Reisebüro kaum noch Zukunftschancen attestierten. Sie übersahen dabei die – trotz aller Herausforderungen – bestehenden Stärken des stationären Vertriebs, vor allem im Bereich der professionellen, persönlichen Beratung und nicht zuletzt als erste Anlaufstelle, wenn – wo auch immer in der Welt – vor und während der Reise Probleme auftreten. Jetzt schwingt das Pendel zurück (siehe auch TAIPURA-Entwicklung).
Besonders eindrucksvoll ist dies in Deutschland sichtbar, wo – anders als in Österreich – zwischen 2004 und 2013 die Anzahl der Reisebüros um ein knappes Drittel von 13.753 auf 9.729 zurückgegangen ist. In Österreich blieb sie mit rund 2.000 aktiven Mitgliedern im Fachverband unverändert (davon 1.602 mit voller Berechtigung).
Doch da wie dort stiegen die Zahlen zuletzt deutlich an. Während in Österreich die Pflichtmitgliedschaft bei der Kammer im Falle der Ausübung des Reisebürogewerbes eine wichtige Rolle spielt (hier stieg die Anzahl der aktiven Reisebüros laut Fachverband zuletzt auf 2.093) und damit das tatsächliche Bild verzerrt ist (nur rund 1.100 Agenturen gelten als touristisch relevant), entsprechen die Standorte in Deutschland dem tatsächlichen Vertriebs-Bedarf. Der seit zwei Jahren dort feststellbare signifikante Zuwachs um mittlerweile mehr als 15 Prozent auf jetzt 9.880 Reisebüros ist umso bemerkenswerter.
„Ich glaube, viele Kunden fühlen sich bei der Bewertung der zahlreichen Angebote im Internet zunehmend überfordert und kehren aus dem Netz zurück“, sieht der stellvertretende DRV-Präsident, Ralf Hieke (Geschäftsführer IVR Reisebüro/Lufthansa City Center, einen wichtigen Grund für den Trend.
Der Online-Verkauf von Reisen wächst zwar weiter (laut DRV liegt sein Anteil an den gebuchten Umsätzen inzwischen bei 35,5 Prozent, vor drei Jahren waren es noch 28,6 Prozent), doch auch der stationäre Vertrieb legt zu. Dessen Umsatz kletterte in der Bundesrepublik 2015 um weitere 3 Prozent auf den Rekordwert von 23,7 Mrd. Euro. Im Jahr 2010 lag er noch bei 20,5 Mrd. Euro. Hieke: „Einzelbuchungen für Flug oder Bahn sind in klassischen Reisebüros seit Jahren rückläufig. Das Hauptgeschäft für den stationären Handel sind Pauschalreisen.“
Dabei kommt die Beratung ins Spiel und die gewinnt angesichts der Informations-Flut im Internet sowie der dort vorherrschenden Mühsamkeiten im Falle von Umbuchungen und Stornierungen zunehmend an Bedeutung. „Wir hören immer wieder von unseren Kunden, dass Endverbraucher, die eine Reise im Web gebucht haben, vor vollendete Tatsachen und unbeantwortete Telefonschleifen gestellt werden, wenn es darum geht, ihre Reise wieder zu stornieren oder zu ändern“, schildert Rudolf Mertl, Geschäftsführer von TraviAustria, die Situation.
Sie bietet gleichzeitig die Chance, dem Kunden gegenüber die Stärken des Reisebüros bezüglich Beratung und Betreuung auszuspielen. Mertl: „Deshalb zählt mehr denn je, dass sich Reisebüros mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen wieder zurück in den Vordergrund drängen – da, wo sie hin gehören.“
Mit seinem in Zusammenarbeit mit Kuoni Österreich entwickelten neuen Tool „ExpertContent“ bietet TraviAustria seit Ende vorigen Jahres dafür auch eine optimal darauf ausgerichtete technische Lösung. Vor kurzem wurde mit ExpertContent+ das Einsatzfeld durch noch umfassendere Möglichkeiten erweitert. Mehr darüber in der kommenden Ausgabe der T.A.I.
Erstellt am: 08. April 2016
v.l. Ralf Hieke und Rudolf Mertl
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