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Nachruf

Abschied eines Pioniers! Tourismus-Vordenker Josef Plischke 1928 - 2020

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Österreichs Reisebranche – Incoming wie Outgoing - wäre ohne ihn nicht dieselbe: Josef Plischke, der mit REISEN+FREIZEIT Jahrzehnte hindurch an vorderster Front das Geschehen mitgeprägt hat, ist am 30. November in seinem 93sten Lebensjahr verstorben. Engelbert „Bertl“ Egger (Liberty Event Reisen) hat als langjähriger Wegbegleiter die wichtigsten Lebensstationen in enger Abstimmung mit Plischkes Familie festgehalten.

Pionier und Vordenker

Josef Plischke (Jahrgang 1928) stammte aus Zwittau (Svitavy) in Sudentendeutschland (heutiges Tschechien) und entdeckte in den 1950er Jahren bei einem Busunternehmen im Allgäu seine Liebe zum Tourismus - als Reiseleiter im hinteren Ötztal.

Ende der 1960er Jahre gründete Plischke zusammen mit seiner Frau Anke eine Incoming Agentur in Sölden. Bertl Egger: „Er war damals verantwortlich für die Marken Hummel Reisen, Scharnow, Touropa und Dr. Tigges, also die heutige TUI.“ Mit sechs MitarbeiterInnen hatte Plischke als Vollagentur die Verantwortung für Betteneinkauf, Vertragsverhandlungen mit Hoteliers, Bettensicherung und Betreuung der Gäste während des Aufenthaltes über.

Da das Vorhaben, weitere Gebiete als Agentur zu erschließen, seitens der genannten Partner nicht möglich war, wechselte Josef Plischke 1974 als Agentur zu Neckermann + Reisen. Gleichzeitig wurde der Standort nach Innsbruck verlegt, da die Agentur Plischke nunmehr für ganz Österreich zuständig war.

Durchbruch mit REISEN+FREIZEIT

Als neuer Namen wurde von Plischke REISEN+FREIZEIT gewählt. „Eine geniale Marke“, erinnert sich Engelbert Egger, „dahinter steckte die Idee, neben Reiseservice irgendwann auch als Ausstatter für alles, was man für die Freizeit braucht, zu fungieren.“

REISEN+FREIZEIT unterzeichnete einen Incoming-Vertrag für die Quellmärkte Deutschland, Holland und Belgien, wo Neckermann bereits tätig war. Es war laut Egger „die erste ‚General Agentur‘ in Österreich, die für das gesamte Gebiet verantwortlich war.“ Weitere Regionen, - wie die Dolomiten, Südtirol, der Gardasee und die Ligurische Küste sowie Ungarn -, kamen bald danach dazu.

Egger: „In den besten Jahren war die Agentur REISEN+FREIZEIT für über 500.000 Gäste und 28.000 Hotelbetten zuständig und somit in den 1980er Jahren das größte Incoming Reisebüro Österreichs.“ Rund 250.000 Gäste wurden in Italien betreut.

Revolutionäre EDV

1978 wurde der Standort nach Salzburg verlegt. Hier begann Josef Plischke mit dem Aufbau einer eigenen Reisebüro Kette in Österreich. „R+F war das erste Reisebüro mit einem Computerreservierungssystem, welches mittels Standleitung nach Frankfurt zur NUR Touristik verbunden war, und konnte daher die Kunden bereits direkt in das gesamte Angebot von Neckermann einbuchen“, erzählt Bertl Egger, „das war revolutionär! Ich erinnere mich noch, wie ich 1981 bei R+F begonnen habe, als die Kunden fragten, ob Sie bei der Eingabe der Daten ihrer Reise zusehen dürfen.“ TraviAustria (heute Travelport) oder START (Amadeus) waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Österreich als Veranstalter Buchungstool vorhanden.

Retail, Veranstalter, Incoming

Die Reisebüro Kette R+F entwickelte sich bestens. Innerhalb relativ kurzer Zeit gab es 14 Standorte mit 85 MitarbeiterInnen in Österreich sowie weitere 3 Büros in Deutschland. Gleichzeitig begann das Zeitalter der Veranstalter-Tätigkeit bei R+F, mit einem Spezial Programm „Tavernen Urlaub“ in Griechenland, auf der Peleponnes und auf Kreta, mit wöchentlichen Charterflügen ab Linz und Wien. Egger: „Rund 14.000 Gäste wurden jährlich verwöhnt.“

Auch das Incoming-Geschäft verzeichnete enorme Zuwächse. Deshalb wurden weitere Märkte, speziell im Gruppen- und Incentive-Geschäft erschlossen sowie Büros in Paris, London, Frankfurt und Los Angeles eröffnet (1983).

Engelbert Egger: „Damit gab es 25 Incoming-Büros international sowie 20 Reisebüros in Österreich und Deutschland.“ Zu diesen Zeiten hatte R+F bereits ca. 200 MitarbeiterInnen, zuzüglich rund 150 FreelancerInnen in der Saison.

Die weitere Expansion

1984 wurde der Reiseveranstalter „Neckermann Österreich“ von R+F gekauft (1988 an Kuoni wiederverkauft), 1985 wurde die Agentur GSA von Delta Airlines (zweigrößte US-amerikanische Fluggesellschaft, die damals in Österreich Offline Carrier war und gerade Frankfurt und München bediente).

1989 unterzeichnete Plischke unter dem Motto „R+F goes Worldwide“ mit der damalige Thomas Cook PLC (sie stand im Besitz der Midland Bank) einen Generalagentur-Vertrag für Österreich und wurde gleichzeitig zum CEO des European Advisory Boards ernannt. Damit war Plischke für den Aufbau einer europäischen Incoming Agentur verantwortlich

In Salzburg etablierte Plischke sein erstes First-Class-Reisebüro, ein Rund-um-Service für besondere Kunden bis hin zu Hochzeitsreisen. Ende der 1980er Jahre wurde die R+F Gruppe berechtigt, das Salzburger Landeswappen zu führen. Anschließend startete Plischke ein neues Projekt mit großzügigen Reisecenters in den großen österreichischen Städten. Damit wollte er das ursprüngliche Ziel vorantreiben, den zweiten Teil der Marke, die Freizeit, zu forcieren.

Den weiteren Aufstieg verhinderten wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge des ersten Golf-Krieges 1992 verkaufte Plischke (damals bereits 64) seine Unternehmensanteile an die Dr. Degener GmbH (heutige TUI). Er blieb für die Touristik aber beratend im China-Reisen-Geschäft tätig und plädierte bereits Anfang der 2000er Jahre für den Aufbau eines Incomings künftiger Reisender aus China.

Danke „Papa Pli“

Josef Plischke konnte also auf ein erfülltes Leben zurückblicken. Er hinterlässt seine Frau Anke, die beiden Söhne Stefan und Markus sowie drei Enkelkinder. Trotz vieler Aufgaben, Visionen und Umsetzungen war Josef Plischke die Familie immer am wichtigsten, vor allem die Ausbildung seiner Söhne.

„Er war auch im Unternehmen neben seinen konsequenten Schritten für viele eine Vaterfigur“, erinnert sich Bertl Egger, „ein Boss, aber auch jemand mit dem man gerne ein oder zwei Bier getrunken hat. Josef Plischke war Vollblut-Touristiker, einer der ‚seinen‘ Weg gegangen ist.“

Viele ehemalige MitarbeiterInnen trauern um den „Papa Pli“, wie er genannt wurde. „Für viele ist bei R+F wohl die schönste berufliche Zeit gewesen“, so Egger. Jetzt wird Josef Plischke – O-Ton Egger – „seine letzte REISE(N) antreten, damit er die FREIZEIT genießen kann. Reise in Ruhe und schlafe in Frieden.“

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