Geschäftsreisen

TMC-Markt in Bewegung! 2024 wird das Jahr der Ausschreibungen

Print-Ausgabe 20. Oktober 2023

„Viele TMCs wollen nach Österreich expandieren und Unternehmen betreuen, ohne hier eigene Büros zu eröffnen“, berichtet Peter Tolinger

Travel Optikum-Chef & ABTA-Generalsekretär Peter Tolinger geht davon aus, dass im kommenden Jahr neue Player nach Österreich kommen werden

Österreichs Geschäftsreisebranche darf 2024 mit neuen Marktteilnehmern rechnen. Davon ist Peter Tolinger, Chef und Gründer des auf Strategieberatung spezialisierten Unternehmens Travel Optikum sowie Generalsekretär der ABTA (Austrian Business Travel Association), überzeugt. Der Grund liegt in turnusmäßigen Ausschreibungen zahlreicher Businesstravel-Etats.

In Österreich hatte sich das Feld der TMCs (Travel Management Companies) zuletzt verdichtet: Einsam an der Spitze steht seit Übernahme von Verkehrsbüro Business Travel und AX Travelmanegement die BTU (Business Travel Unlimited), gefolgt von TUI Reise­center/BCD Travel, CWT Österreich und FCm Columbus. Danach folgen Mondial und Gärtner. Dies lässt viele Unternehmen bei ihren Ausschreibungen über die Landesgrenzen hinwegblicken: „Viele TMCs, die auf europäischer Ebene tätig sind, wollen nach Österreich expandieren und Unternehmen betreuen, ohne hier eigene Büros zu eröffnen“, so Tolinger.

Die „crème de la crème“ ist bekannt. Laut BTN Europe (Business Travel News Europe) stand im Vorjahr vom gemanagten Umsatz her in Europa Amex GBT (American Express Global Business Travel) mit 10,8 Mrd. Euro an der Spitze, gefolgt von BCD Travel (4,67 Mrd. Euro) und CWT (3,8 Mrd. Euro). Doch schon an vierter Position folgte mit Navan (2,8 Mrd. Euro) ein Top-Player, der erst vor acht Jahren gegründet wurde.

Ein weiterer Business Travel-Anbieter, der nach Ansicht von Peter Tolinger in Zukunft in Österreichs Geschäftsreisewelt eine Rolle spielen wird, ist TravelPerk. Wie Navan 2015 gegründet, gilt das spanische Startup längst als „Einhorn“ (Unternehmenswert mehr als 1 Mrd. Dollar) und verfügt heute neben dem Hauptsitz in Barcelona über Geschäftszentren in London, Birmingham, Edinburgh, Berlin, Chicago, Boston und Miami.

Navan ist zwar rund achtmal so groß (es verwaltete im April 2023 Geschäftsreiseausgaben in Höhe von rund 8 Mrd US-Dollar, während TravelPerk auf rund 1 Mrd. US-Dollar kam), aber was beide für Österreichs Geschäftsreisesparte interessant macht, ist beider Fokus auf mittelständische Betriebe, die etwa 60 % der Kunden beider Unternehmen ausmachen. Und wie Navan setzt TravelPerk stark auf Zukäufe: So wurden 2021 mit NexTravel (eine der größten Geschäftsreiseplattformen der USA mit Sitz im Silicon Valley), dem britischen Marktführer im Inlandsgeschäft, ClickTavel, und dem in London ansässigen Beratungsunternehmen Susterra gleich drei Anbieter übernommen, letzterer, um den TravelPerk-Fokus auf nachhaltige Reisen auf die nächste Stufe zu heben.

Womit wir – Stichwort Nachhaltigkeit – bei den fünf Punkten angelangt sind, denen zufolge Peter Tolinger für 2024 mit dem Auftreten neuer Marktteilnehmer unter den TMCs in Österreich rechnet. Der erste wurde bereits erwähnt (turnusmäßige Ausschreibungen).

Der zweite Grund: „Viele Unternehmen haben für ihre Geschäftsreisen 2023 mehr ausgegeben, als budgetiert. Dies hat einerseits mit den gestiegenen Ticket- und Hotelpreisen zu tun, aber auch weil wieder deutlich mehr gereist wird“, so Tolinger.

Drittens: Die TMCs müssen teurer werden. Peter Tolinger geht davon aus, dass kein namhafter Anbieter Gehaltskosten hat, die unter 60 % der Gesamtaufwendungen liegen. Und nach dem zuletzt eher moderaten Anstieg dürfte in der nächsten Tarifvertragsrunde die Abgeltung der Inflation für die Mitarbeiter:innen stärker ins Gewicht fallen.

Der vierte Punkt: Es werden von den Unternehmen Dienstleistungen nachgefragt, die zu liefern Reisebüros in Schwierigkeiten bringen, weil diese noch nicht in den Arbeitsablauf integriert sind, wie etwa die von den Airlines mehr und mehr zur Ausschöpfung neuer Möglichkeiten im Vertrieb eingesetzten NDC (New Distribution Capability) oder eben die Nachhaltigkeit. Tolinger: „Hier geht es um Lösungen, welches z.B. die Reisevariante mit dem geringsten C02-Ausstoß ist … das können viele noch nicht anbieten. Ähnlich verhält es sich mit Reportings, wo sich gerade welcher reisende Mitarbeiter aufhält.“

Als fünften Punkt nennt Peter Tolinger „Service-Defizite, die punktuell entstanden sind.“ Dies ist nicht zuletzt auf den, auch bei TMCs, während der Pandemie herrschenden Abgang erfahrener Mitarbeit­er:innen zurückzuführen, der in vielen Fällen noch nicht ausgeglichen werden konnte.

„All das wird den Markt ziemlich in Bewegung bringen“, ist der Travel Optikum-Chef überzeugt. Reichte einst der/die beste Mitarbeiter:in bei gleicher Technik als Produktvorteil eines TMC, so ist es heute umgekehrt: „Der beste Mitarbeiter ist ohne beste Technologie chancenlos.“ Unternehmen gehe es letztendlich darum, auch bei ihren Geschäftsreisen „sicher, nachhaltig und effizient aufgestellt zu sein.“ Nicht ohne Grund stehen diese drei Adjektiva übrigens auch auf der Visitenkarte des Travel Optikum-Chefs.

Facts zum expandierenden Startup-Unternehmen Navan

Bis heuer im Februar trat Navan als TripActions auf. Der neue Name ist eine Kombination der Wörter „navigieren“ und „avant“ und hat nichts mit der gleichnamigen Stadt in Irland zu tun. Im kalifornischen Palo Alto zuhause, wurde Navan im Frühjahr 2015 als klassisches Startup gegründet, verfügt mittlerweile über je sieben Büros in den USA und in Europa (darunter London, Paris und Berlin), drei in Asien sowie eines in Sydney. Der Fokus liegt unter anderem auf modernster Software: Dauert bei herkömmlichen Systemen die Buchung eines einzelnen Trips bis zu einer Stunde, beträgt die durchschnittliche Buchungszeit von Navan nur sechs Minuten. Und wie rasch expandiert wird – Navan ist erst seit acht Jahren am Markt –, verdeutlichte die heuer im April erfolgte Übernahme des auf modernes Reise- und Spesenmanagement spezialisierten indischen Anbieters Tripeur mit Sitz in Bangalore. Es war der fünfte (!) Kauf innerhalb von nur zwei Jahren. Zu den aktuell weltweit mehr als 9.000 Navan-Kunden zählen Größen wie Netflix, Adobe, Unilever, Thomson Reuters oder Heineken.

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