Print-Ausgabe 10. Februar 2017
Fast wäre sie in der medialen Hektik rund um das neue Regierungsprogramm untergegangen: Die vom Wissenschaftsfond (FWF) geförderte Studie “Alpine Skiläufer und die Umgestaltung alpiner Täler im 20. Jahrhundert“. Die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter, Wissenschafterin des Jahres 2013, und ihr Kollege Robert Groß, Humanökologe am Zentrum für Umweltgeschichte der Alpen-Adria Universität Klagenfurt haben am Beispiel dreier Skigebiete in Vorarlberg die Auswirkungen des Skisports auf den Naturraum, das gesellschaftliche Gefüge, die regionale Wirtschaft und die Menschen in den neunzig Jahren zwischen 1920 und 2010 analysiert. Gaschurn und Sankt Gallenkirchen im Montafon, Lech am Arlberg und Damüls lebten um 1920 so recht und schlecht von Alm- und Elektrizitätswirtschaft, auch Holzgewinnung und Säumerei trugen zum Überleben bei. Das alles entscheidende Ereignis für die weitere Entwicklung war der Bau mechanischer Aufstiegshilfen – der erste Schlepplift Österreichs ging 1937 in Lech am Arlberg in Betrieb. Damit wurde ein Prozess eingeleitet, der aus bis dahin kaum bekannten Alpentälern florierende Wintersportzentren machte. Eine Dynamik, die in weiten Teilen Österreichs und des ganzen Alpenraums in ähnlicher Form verlaufen ist.
Soweit bietet die Studie nichts aufregend Neues, wenn auch wissenschaftlich vorbildlich aufbereitet und bis ins letzte Detail dokumentiert. Wirklich sensationell, und je nach persönlicher Einstellung schockierend oder einfach nur von notwendiger Klarheit sind jedoch die Schlussfolgerungen: „Wir erkennen eine Industrielandschaft, die nach Kriterien der Effizienz bebaut wird, wobei das Produkt `Touristische Zufriedenheit´ heißt“. Mit immer höherem Einsatz von finanziellen Mitteln, natürlichen Ressourcen, Menschen und Maschinen, so die Verfasser weiter. Das hat sich, auch wenn es nur eine prägnant formulierte Wahrheit ist, in dieser Form noch niemand zu sagen getraut. Zumindest bei uns. Auf Englisch heißt die Branche immer schon Tourism beziehungsweise Hospitality Industry. Die beiden Autoren wollen, wie sie selbst sagen, nicht nur Fortschrittskritik üben (und weisen außerdem auf einige Gemeinden hin, für die Wachstum nicht die einzige Option ist). Doch mit ihrem Blick von außen ist es ihnen gelungen, die Gästebranche auf jenen Platz zu stellen, der ihr ja tatsächlich zukommt – nicht als Tummelplatz halbprofessioneller Trinkgeldempfänger, sondern als gleichwertiger Partner der Güter erzeugenden Industrie. Ebenso leistungsstark und innovationsfreudig, darüber hinaus aber noch mit allen Herausforderungen konfrontiert, die dem sensiblen Produkt, das sie verkauft, geschuldet sind. Wobei sie sich bis dato mit dem Balanceakt zwischen touristischer Zufriedenheit und Erhaltung der natürlichen Grundlagen eigentlich ausnehmend gut geschlagen hat.
Erstellt am: 10. Februar 2017
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