ANA
Zollfreie Gedanken

Ängste

Print-Ausgabe 18. November 2016

Gleichsam mit zusammengebissenen Zähnen mailt es der Internet-Branchendienst Skift am Morgen des 9. November in die Welt: Die Zukunft der Reisebranche steht ab heute auf dem Spiel. Und dann geht es ganz pathetisch weiter: Unserer Rolle ist es, für das Recht auf Reisefreiheit der Menschen zu kämpfen - für alle, egal von welcher Hautfarbe, Rasse oder Ausrichtung sie auch sein mögen, und das sowohl innerhalb Amerikas und darüber hinaus. Und für die Zukunft einer vernetzten Welt, jenseits der neo-isolationistischen Blase. Wer dieses Manifest liest, könnte leicht den Eindruck gewinnen, der soeben gewählte 45. Präsident der USA hat als eine seiner ersten Amtshandlungen die Einführung einer Tausend-Dollar-Sperre für alle Mitbürger angekündigt, die außer Landes reisen wollen. Die Angst scheint übertrieben, es hat seit dem noch nie eine Zeit gegeben, in der die Einwohner der Vereinigten Staaten nicht frei reisen durften. So sie denn reisen wollen, denn rund zwei Drittel der Bevölkerung verlassen das Land erst gar nicht und von den restlichen nur ein kleiner Teil Richtung Europa. Schließlich gibt es ja auch zu Hause viel Reizvolles zu entdecken.

Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben, sagt ein Sprichwort. Untergangsphantasien sind trotz der gegenwärtigen weltpolitischen Lage nicht angebracht. Wohl aber wäre ein Blick auf die unbestreitbaren Fakten durchaus geeignet, sehr real begründete Ängste auszulösen. Hier ist nicht die pessimistisch gefärbte Prognose für die beginnende Wintersaison gemeint, die derzeit angesichts der ungünstigen Feiertagskonstellationen mit Weihnachten und Neujahr jeweils am Wochenende und Ostern im April verbreitet wird. Das fällt eher in die Kategorie strategischer Ankündigungspolitik bzw. Frühwarnung, so nach dem Motto: Wenn es – wie meistens – am Saisonschluss ein gutes Ergebnis gibt, lassen wir uns gerne loben; im gegenteiligen Fall haben wir es sowieso schon lange vorausgesagt. Nein, die wirklich Angst machenden Tatsachen verbergen sich in dürren Zahlenreihen der Statistik Austria. Danach sind die durchschnittlichen realen Einkommen in Österreich in den letzten zehn Jahren gesunken. Nicht viel, aber stetig und durchaus merkbar. Da handelt es sich nicht um Ängste, auf die, wie in Sonntagsreden herumgefaselt wird, endlich einmal eingegangen werden muss. Sondern um schmerzhaft gefühlte Realität. Selbstverständlich auch mit negativen Auswirkungen auf den Tourismus, das zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Aufenthaltsdauer und die Ausgabefreudigkeit des Publikums. Und noch etwas steht wortwörtlich in demselben Bericht, den Touristiker aufmerksam lesen sollten: Österreich wird schlicht und einfach zubetoniert. Mit 16 Hektar zusätzlich verbauter Fläche pro Tag, knapp weniger als eine Landwirtschaft im Schnitt bearbeitet. Und das ist jetzt wirklich zum Fürchten.

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