ANA
Standpunkt

Zwei Bücher, viele Anregungen

Print-Ausgabe 4. Mai 2018

Es lohnt sich, ab und an ein Buch zu lesen. Eines, das nicht mit dem beruflichen Umfeld zu tun hat und dessen Handlung über das Genre eines Liebes- oder Kriminalromans hinaus reicht. Der Lohn liegt nicht alleine im geistig anregenden Zeitvertreib, sondern auch in vielen Inputs, die derartige Literatur quasi frei Haus mitliefert.

Besonders empfehlenswert ist aktuell „Das Peripetie Prinzip – Die Kunst wirksamer Führung“ von den Brüdern Alexis, Raphael und Severin von Hoensbroech. Darin wird auf lockere, unterhaltsame Art beschrieben, wie sich Krisensituationen für kreative, konstruktive Prozesse nutzen lassen. So ganz nebenbei erhält man noch einen ersten Eindruck davon, wie der künftige CEO von Austrian Airlines tickt. Um den handelt es sich im Falle von Alexis von Hoensbroech nämlich.

Ganz anders gelagert ist das jüngste Werk des für seine Romane, Essays und Reportagen bekannten iranisch-stämmigen Kölners Navid Kermani. „Entlang den Gräben – Eine Reise durch das östliche Europa bis nach Isfahan“ ist grandios geschrieben und liefert wertvolle Inputs zum historischen Verständnis sowie zum aktuellen Zeitgeschehen.

Weshalb „Entlang den Gräben“ aber an dieser Stelle erwähnt wird, hat einen anderen Grund. Der hat mit Tourismus zu tun. Konkret mit dem Städtetourismus. Denn anhand eines Spaziergangs durch Krakau beschreibt Navid Kermani, wie sich viele europäische Innenstädte unter Aufgabe der eigenen Kultur in miteinander austauschbare „Freizeitparks“ verwandelt haben: überall „die gleichen coffee shops, quality hamburger und Filialen der einschlägigen Modeketten, die verkehrsberuhigten Zonen und getrennten Müllcontainer, die identische Auswahl an Restaurants mit eingesprenkeltem local food, dieselben Fahrradverleihstationen und Segways, auf denen helmbewehrte Touristen durch die Gassen rollen, dieselben Fußballtrikots von Real, Barcelona, Bayern und Manchester, die Kinder aus ganz Europa tragen. Selbst die Popsongs, Opernarien und Zaubertricks der fahrenden Künstler sind überall in Europa gleich.“

Damit hat er nicht Unrecht. Leider. Auch wenn es sich „nur“ um den persönlichen Eindruck eines Schriftstellers handelt: ähnlich empfinden es wohl die meisten anderen Touristen. Nur können sie es nicht so artikulieren. Und irgendwann wird die Situation kippen.

Kommunen und Touristikern sollte dies zu denken geben. Für sie ist es höchste Zeit, Überlegungen anzustellen, wie sie ihren Innenstädten – abgesehen von kulturellem Erbe und Architektur – wieder eigenständige, emotionale Erlebniskomponenten verschaffen und dem uniformen Einheitsbrei Einhalt gebieten, der sich – alles Lokale erstickend – über den Kontinent ergießt.

Zwei Bücher, viele Anregungen und einiges, was uns zum Umdenken animiert. Die bevorstehenden Mai-Feiertage lassen sich optimal dafür nützen, erlaubt sich die Empfehlung der

Lupo

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