Standpunkt

Weihnachtsbotschaft

Print-Ausgabe 18. Dezember 2020

In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Ein Hochfest der Familie. Doch es wird heuer leider kein Weihnachten sein, so wie wir es gerne haben möchten. Auf den Christbäumen wird ein schönes Päckchen voll Sorgen hängen.

Sorry. Diese Zeilen stammen nicht vom Autor dieser Kolumne. Sie sind auch nicht neu, sondern 75 Jahre alt. Sie waren Teil jener Weihnachtsbotschaft, mit denen sich 1945 der damalige Bundeskanzler Leopold Figl an die ÖsterreicherInnen wandte.

Figl an dieser Stelle zu zitieren, hat einen Grund: Gerne wird die Corona-Krise, mit der sich die Welt seit Jahresbeginn konfrontiert sieht, als die schwerste seit dem damaligen Trümmerjahr und der Schreckenszeit, die ihm vorausgegangen war, verglichen. Wie unzutreffend und anmaßend dies ist, wird klar, sobald einem die Situation von damals vor Augen geführt wird.

Zugegeben: Niemand hat sich auch in den kühnsten Albträumen auch nur annähernd ausmalen können, in welch Schieflage unser aller Gegenwart geraten kann. Doch bei all den Sorgen, die uns quälen, dem Unmut über das Unvermeidliche, den Stimmungsschwankungen angesichts der mega Herausforderungen – egal ob wirtschaftlich oder privat –, der Kritik an „denen da oben“, die angeblich „alles falsch“ machen, sollten wir uns eines Umstands bewusst sein: das Niveau, auf dem die Welt durch die Corona-Krise schreitet, ist Lichtjahre von jenem entfernt, das 1945 herrschte. Nicht nur, aber vor allem auch hierzulande.

„Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben, ich kann Euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben, kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben nichts.“

Mit diesen Worten beschrieb Leopold Figl in besagter Weihnachtsbotschaft die damalige Lage. Christbäume kann heute jeder haben, der einen will, Brot haben wir im Überfluss, zum Heizen benötigen wir keine Kohle, sondern nur einen Griff zum Thermostat, und wenn ein Fenster zu Bruch geht, kommt a) der Glaser und b) zahlt’s die Versicherung.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: natürlich gibt es Obdachlose und viele, viele Mitmenschen, die unsere Hilfe dringend benötigen. Aber vergleichen mit der Situation von damals lässt sich dies alles nicht. Auch nicht im Tourismus. Der war damals – alles lag in Trümmern – nämlich nicht existent.

„Ich kann Euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich“, forderte Leopold Figl in der Ansprache von 1945 die MitbürgerInnen auf. Die Botschaft kam an. Heute ist dieses Österreich eines der reichsten Länder der Welt. Eines, das sich leisten kann, seinen BürgerInnen und UnternehmerInnen mit gewaltigen Summen ein Durchtauchen durch Corona zu ermöglichen. Dass diese nicht immer zielgerichtet sind, auf wichtige Bereiche vergessen wird (auch im Tourismus), ändert nichts daran, dass – so bitter die aktuelle Lage auch ist – hierzulande die Auswirkungen deutlich besser abgefedert werden, als nur wenige zig Kilometer entfernt, gar nicht zu reden von ärmeren und wirklich armen Regionen.

In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Werden wir uns in einem stillen Moment des Privilegs bewusst, was es bedeutet, Corona in Österreich durchtauchen zu können, empfiehlt der

Lupo

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben