ANA
Standpunkt

Ratlose Experten

Print-Ausgabe 24. Februar 2017

Manchmal überschlagen sich die Ereignisse. Von den Schikanen im Bus-Incoming durch die neuen Entsende- und Mindestlohnregelungen (einige Hürden sollen jetzt abgemildert werden), über die für die Hotellerie problematischen Winkelzüge rund um die Neuregelung der Nebenrechte im Zusammenhang mit der Gewerbeordnung und den Rückzieher der EU bezüglich getrennter Bezahlvorgänge für Einzelleistungen bei der Pauschalreiserichtlinie, bis hin zum CO2-Urteil gegen den Neubau der 3. Piste am Flughafen Wien.

So unterschiedlich diese Materien auch sind, eines zieht sich durch sie wie ein roter Faden: ihre Komplexität. Diese hat einen Level erreicht, der selbst Experten ratlos macht.

So zielten die geänderten Entsende- und Mindestlohnregelungen vorrangig auf unsaubere Praktiken im Baugewerbe ab. Dass damit gleichzeitig das Bus-Incoming getroffen wurde, war den Akteuren nicht bewusst. Zumindest findet sich in der seinerzeitigen Stellungnahme der WKÖ zum Begutachtungsentwurf kein Hinweis darauf.

Bei der Neuregelung der Nebenrechte liegt der Fall anders. Hier geht es um ein Tauziehen „Kammer gegen Kammer“ oder besser gesagt: Gewicht von 330.000 Gewerbe- und Handwerksbetrieben gegen Gewicht von 90.000 Unternehmen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Es ist keine Kunst vorherzusagen, wer gewinnt.

Anders gelagert sieht es mit der EU-Pauschalreiserichtlinie aus: die Stellungnahme der WKÖ zum Begutachtungsentwurf stellt beiden – Richtlinie und Gesetzesentwurf – ein vernichtendes Urteil aus. Der Grund: die Formulierungen sind selbst für Juristen und Experten kaum verständlich, geschweige denn für Unternehmen und VerbraucherInnen. Dazu kommen legistische Fehler, die zum Teil 1:1 von der Richtlinie in den Gesetzesentwurf übernommen wurden. Ein einziges Fiasko und das Gegenteil von Rechtssicherheit.

Womit wir beim CO2-Urteil angelangt wären. Folgt man dessen Logik, müsste mit sofortiger Wirkung jedes Bevölkerungswachstum untersagt werden. Alleine in Wien nahm die Zahl der EinwohnerInnen seit 2006 um knapp 190.000 zu. Hochgerechnet mit der CO2-Verursachung pro Kopf ergeben sich daraus an die 2 Millionen Tonnen zusätzliche CO2-Belastung pro Jahr – der zehnfache Wert des für die 3. Piste im Jahr 2025 errechneten Volumens. Bis dahin soll Wiens Bevölkerung um weitere 140.000 EinwohnerInnen zulegen.

All dies ist eine Folge der erwähnten Komplexität. Sie ist dadurch entstanden, dass aufgrund der leidigen „Klientelpolitik“ stets eine Vielzahl an Interessen unter einen Hut gebracht werden muss, die oft diametral gegeneinander stehen. Eine politische Quadratur des Kreises. Geglückt ist sie noch keinem, lediglich die daraus erwachsenden höchst unerfreulichen Konsequenzen, bedauert feststellen zu müssen der

Lupo

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