ANA
Standpunkt

Ohne Abwehrhaltung

Print-Ausgabe 23. September 2016

Wenn’s tatsächlich stimmt, dann wird Österreichs Bundesregierung heuer im Herbst die Reform der Gewerbeordnung in Angriff nehmen. Das ist gut so, hat sie doch an manchen Stellen bereits mehr als 150 Jahre auf dem Buckel. Letztmals tiefergehend reformiert wurde sie 1994, seither wurden über 80 Änderungen eingeflochten.

Die GewO regelt in ihrer aktuellen Fassung für insgesamt 103 Tätigkeiten, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, damit man ein Gewerbe ausüben darf, wie etwa „das Feilbieten von Kartoffeln und Brennholz … im Umherziehen von Ort zu Ort oder Haus zu Haus“. Gehen wir also davon aus, dass sich hier einiges an Reformbedarf aufgestaut hat.

Auch der Tourismus ist davon betroffen, von der Beherbergung und Gastronomie, über die Luft- und Schifffahrt, bis hin zu FremdenführerInnen und Reisebüros.

Letztere sind im Zuge der geplanten Novellierung bereits als Kandidat für ein „freies Gewerbe“ mit gelockerten Zulassungsbedingungen genannt worden. Der erste Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten: Mitte September hat der ÖVT (Österreichischer Verein für Touristik) in einem Schreiben an Wirtschaftsminister Mitterlehner Bedenken rund um die Lockerung bzw. Freigabe des Gewerbes geäußert, und beim Fachverband der Reisebüros sowie beim ÖRV bezüglich eines gemeinsamen Vorgehens vorgefühlt. Auch das ist gut so. Doch bevor im Vornherein eine Abwehrhaltung eigenommen wird, sollten wohl überlegt alle Vor- und Nachteile abgewogen werden.

Dazu gibt es Benchmarks. Denn nicht nur in Deutschland gilt das Reisebüro als freies Gewerbe, auch in der Schweiz kann jedermann ein Reisebüro eröffnen, es braucht keine Lizenz dazu. Liegt deshalb jenseits der Grenzen alles im Argen? Gehört dort Pfusch beim Verkauf von Reisen zum gelebten Tourismusalltag? Wie stehen die Branchenverbände der Eidgenossen und der Bundesdeutschen zum Status als freies Gewerbe?

Fest steht, dass es weder in Deutschland noch in der Schweiz zu einem Wildwuchs an Reisebüros mit allen daraus unerfreulichen Folgen gekommen ist. Bei den Eidgenossen hat sich die Zahl der Agenturen vielmehr zwischen 2002 und 2015 auf 1.994 halbiert, Tendenz weiter sinkend. In der Bundesrepublik kam es im selben Zeitraum zu einem Rückgang um ein Drittel auf 9.880 Reisebüros, Tendenz zuletzt leicht steigend.

Und Österreich? Hier gab es mit 2.400 Reisebüros Ende 2015 nahezu gleich viele, wie 2002. Damals wurden 2.409 gezählt. Während es also in den beiden Nachbarländern mit freiem Gewerbe zu einer Marktbereinigung bzw. Anpassung kam, ist hierzulande diesbezüglich nichts feststellbar.

Experten sind sich einig, dass die GewO, – laut „Profil“ Österreichs meistgehasstes Gesetzeswerk –, auf einem weißen Blatt Papier beginnend, neu geschrieben gehört. Mit allen Tabubrüchen, die eine derartige Vorgehensweise mit sich bringt, und klug überlegt. Wenn sich dabei herausstellt, dass das Reisebürogewerbe weiterhin an eine Befähigung gebunden sein sollte, dann gehört dies so umgesetzt; wenn das Gegenteil als sinnvoller erscheint, gilt es dem nachzukommen, ohne voreingenommene Abwehrhaltung, erlaubt sich festzustellen der

Lupo

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