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Standpunkt

Integrierter Irrweg und retour

Print-Ausgabe 6. September 2019

Mitten in Brexit-Kabarett, Ösi-Wahlkrampf und Trumps „Trade War“ gegen China erscheint die Meldung über die sich abzeichnende Einigung rund um die künftige Struktur von Europas zweitgrößtem Touristik-Konzern Thomas Cook wie reinstes Balsam. Der Einstieg des chinesischen Partners ist ebenso fix wie die Abspaltung des Airline-Bereiches und in weiterer Folge der Rückzug von der Börse.

Die Vorgeschichte dazu ist leider in Vergessenheit geraten. Sie gleicht von Größenwahn und Verantwortungslosigkeit her frappant den aktuellen politischen Trauerspielen. Rückblende: Um die Jahrtausendwende herum kam im Umfeld von Europas großen Reiseveranstaltern die Idee zur Schaffung „integrierter Reisekonzerne“ auf. Der schwerreiche Mischkonzern Preussag wurde von deren CEO Michael Frenzel bei gleichzeitiger Versenkung von Milliardenwerten zur TUI (die zuvor von Preussag als Tochter gekauft wurde) umgemodelt, Neckermann mit Condor zur C&N Touristik verschmolzen und unter CEO Stefan Pichler in Thomas Cook umbenannt, den zuvor viel zu teuer gekauften britischen Veranstalter (was später zu einem Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 1 Mrd. Euro führte).

Die Vision „integrierter Reisekonzerne“ erwies sich als Irrweg. TUI konnte dies dank der noch von Preussag vorhandenen Milliarden-Werte leichter wegstecken, während Cook von Anfang an finanziell auf erheblich dünnerem Eis unterwegs war.

Was sich zwischen Vision und Verlustorgien – von denen TUI ebenso betroffen war wie Thomas Cook – zusätzlich geändert hatte, waren die Spielregeln am Markt. Stichwort Internet und dessen neue Online-Giganten. Die Weichenstellung in Richtung „integrierter Reisekonzerne“ erfolgte just zu dem Zeitpunkt, als Booking.com an den Start ging und Expedia zum ersten noch zaghaften Höhenflug ansetzte. Heute repräsentiert Booking einen Börsenwert von rund 77 Mrd. Euro, nahezu das 15-fache der TUI. Expedia kommt auf 16,6 Mrd. Euro, das 200-fache von Cook.

Ob das Formen „integrierter Reisekonzerne“ anders geendet hätte, hätte es die Online-Revolution und die Low Cost-Revolution am Himmel nicht gegeben, sei dahingestellt. Fest steht, dass der Vertrieb heute komplett anders tickt, als vor 15 bis 20 Jahren, ebenso wie die Airline-Welt in ihrer extremen Volatilität.

Was geblieben ist und sich für die Reisekonzerne als Erfolgsmuster entpuppt hat, ist der Fokus auf eigene starke Hotelmarken. TUI hat sie, alltours hat sie, die DER Touristik, FTI, Schauinsland und auch Cook – und alle bauen sie, wo es geht, massiv aus. Aus gutem Grund: Die Hotellerie ist und bleibt – airbnb hin, Sharing Economy her – der stabile Kern aller touristischen Aktivitäten. Weltweit.

So gesehen kann die Abspaltung des Flugbereichs von Thomas Cook als Schlussstrich eines integrierten Irrwegs gesehen werden, mit der Chance, in aller Ruhe (sprich: abseits von Quartalsberichten) sein Hotel-Portfolio und damit das unique Angebot weiter auszubauen, als Basis für eine erfolgreichere Zukunft, ist überzeugt der

Lupo

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