Print-Ausgabe 14. Juni 2019
Woran misst man die Leistungen einer Experten-Regierung? Danach, ob sie wie Experten handelt. Ein diesbezüglicher Elchtest steht unmittelbar bevor: die Neuregelung der Margensteuer. Auf Vorgeschichte und Einzelheiten einzugehen, erübrigt sich. Das ist bereits zur Genüge geschehen. Fakt ist, dass Deutschland und Österreich ihre Margenbesteuerung an die Erfordernisse der EU-Rechtsprechung anzupassen haben. In Deutschland wurde dafür der 1. Jänner 2022 als Termin fixiert, in Österreich derzeit der 1. Mai 2020. Damit droht für zwei Jahre das, was Thomas Cook Austria CEO Ioannis Afukatudis „ein schiefes Preisbild“ nennt. In Österreich ansässige Reiseveranstalter müssten – im Gegensatz zur bundesdeutschen Konkurrenz – aufgrund der Margensteuer ihre Preise erhöhen. Nicht um Eckhäuser, aber für Konsumenten absolut spürbar.
Was die Lage zusätzlich prekär macht: Jene Veranstalter, die als GSA ihrer deutschen Konzernmütter agieren, wie TUI Österreich, Dertour Austria oder FTI, sind von der österreichischen Margensteuer-Regelung 2020 nicht betroffen. Anders verhält es sich bei Thomas Cook Austria oder der REWE Austria Touristik: Sie haben zwar ebenso deutsche Konzernmütter, sind aber hierzulande als Reiseveranstalter (und nicht nur als GSA) tätig. Dazu kommen alle „local heroes“, von Gruber über Springer, Kneissl, ASI Reisen, Herburger und Rhomberg bis Idealtours und nicht zu vergessen Jumbo/Ruefa und Eurotours. Während Thomas Cook die Möglichkeit ins Auge fasst, seine Veranstalter-Aktivitäten ins Ausland zu verlegen (inklusive Abbau zahlreicher Arbeitsplätze in Österreich), bleibt ihnen dieser Schritt verwehrt. Es droht ein massiver Wettbewerbsnachteil gegenüber der bundesdeutschen Konkurrenz.
Der Fachverband der Reisebüros hat die damalige Wirtschaftsministerin kurz vor Sturz der Bundesregierung darauf hingewiesen. Ihr Resort war und ist – auch wenn es ein eigenes Tourismusministerium gibt – ebenso dafür zuständig wie das Finanzministerium. Der Vorstoß erfolgte zu spät, das Ibiza-Video forderte seinen Tribut.
Mehrmals wurde das Abgabenänderungsgesetz, das die Margensteuer betrifft, bereits verschoben. Zuletzt im Vorjahr auf Mai 2020. Da hatte sich bereits abgezeichnet, dass Deutschland 2022 als Zeitpunkt ins Auge fasst. Derzeit ist dort das Gesetzgebungsverfahren voll im Gange und soll im Laufe dieses Jahres abgeschlossen werden. In Österreich ist die Experten-Regierung an der Reihe. Eine neuerliche, letztmalige Verschiebung des Termins wäre der einzig logische Schritt. Österreichs einst stolze Veranstalter-Szene ist aus verschiedensten Gründen auf ihre heutige Größe geschrumpft. Es wäre kein Ruhmesblatt für die Experten, würden sie dem verbliebenen Rest den Todesstoß versetzen. Mögen sie den Elchtest rund um die Margensteuer bestehen, hofft nicht alleine der
Lupo
Erstellt am: 14. Juni 2019
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