Rottenbergs Roadbook

Kinder in die Holzklasse

Print-Ausgabe 12. Februar 2016

Eigentlich würde ich mich freuen, wenn mich die alte Dame anzeigen würde. Wegen „gefährlicher Drohung“. Schließlich habe ich ihr wirklich gedroht: „Wenn Sie das Kind berühren, berühre ich Sie“, habe ich gesagt, als die Frau mit zum Schlag erhobener Hand vor dem 7-jährigen Mädchen stand.

Ob ich zugeschlagen hätte? Eher nicht. Vermutlich hätte ich den Schlagarm der Tobenden festgehalten: Ich schlage niemanden. Keine Männer, keine Frauen. Keine Greisinnen. Nur sollte man in meiner Gegenwart die Hand nicht gegen ein Kind …

Worum es ging? Es hatte banal begonnen: Im Railjet von München nach Wien. Ausreserviert ab Salzburg. Da stieg die Alte zu, wanderte die noch leeren Reihen ab, zeterte, setzte sich in eine Vierergruppe und breitet sich aus: Jacke, Essen, Strickzeug.

Eine Minute später kam eine Familie. Eltern, vier Kinder.

Höflich fragte der Vater ob die Dame richtig säße. Die alte Frau wollte bleiben: Sie sei zuerst da gewesen und die Reservierung ungültig. „Wie bitte?“ Die Alte drehte auf: Kinder hätten in der ersten Klasse nix zu suchen. Die ÖBB-hätten die Reservierung nicht machen dürfen. Das Geld könne man zurückfordern – aber sie bleibe sitzen.

Es war Abend, die Kinder müde. „Setz dich einstweilen hier hin“, sagte die Mutter zur Jüngsten. Das Kind ging zum Sitz – und die Alte rieb auf. Da holte die Alte zum Schlag aus – und ich mischte mich ein.

Natürlich gab sie sofort klein bei. Und trollte sich. Zum Abschied kam die Drohung mit der Anzeige: Eigentlich fände ich es spannend, wenn sie sie wahr machen würde.   

Thomas Rottenberg

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