ANA
Rottenbergs Roadbook

Alternative Facts

Print-Ausgabe 6. April 2018

Die Wahrheit hat ein Problem: Sie unterhält oft nicht. Langweilt. Dafür gibt es kein „Like“. Das bestraft der Algorithmus – und lässt sie verschwinden. Was nicht gesehen wird, das gibt es nicht. Der Umkehrschluss gilt – weil er funktioniert: „Alternative Facts“ werden geglaubt, weil sie sichtbar sind. Verschwörungstheorien – von Chemtrails bis zu Reptiloiden – ebenso wie Donald Trumps Ansagen: Was fasziniert wird konsumiert. Wird geliked und geteilt. Und, weil man es oft liest, irgendwann geglaubt: „Mag sein, dass das die Fakten sind“, antwortete mir einst eine Dame, als ich ihr schrieb, dass es einen laut ihrem Facebook-Posting von Asylanten geplünderten Supermarkt in der Steiermark gar nicht gibt und die Story wortgleich mit dutzenden Ortsangaben kursiert. „Die vielen ‚Likes‘ zeigen aber, dass die Leute das wollen. Das ist Demokratie: Die Mehrheit sagt, wo es lang geht.“

Die Dame hat so unrecht nicht: Soziale Netze simulieren Demokratie, weil Algorithmen, oben halten, was Klicks macht und bringt. Likes bestimmen, was sichtbar bleibt. Quote wird Relevanz, Aufmerksamkeit zu Wahrheit: Wahrnehmung schafft Wirklichkeit. „Fake oder Fakt?“ ist irrelevant: Likes bekommt, wer lauter, greller, plakativer postet.

„Here we are now, entertain us“, sang die Grunge Band Nirvana. In den 90ern war das Gesellschaftskritik. Heute ist es ein Rezept: Was nicht unterhält, geht unter. Weil es langweilt. So wie die Wahrheit.  

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