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Wie man auch den besten Tourismus ruiniert

Print-Ausgabe 29. Juli 2016

Naturbelassene Sandstrände, ein paar Menschen, die sich unter Palmen in der strahlenden Sonne räkeln – dieses in der Werbung für Badeurlaube strapazierte Klischeebild entspricht nur in den seltensten Fällen der Realität. Wo der Tourismus das Stadium von Strandhütten verlassen hat und in Vier- bis Fünfstern-Hotels stattfindet, sind Strukturen unvermeidlich, die einen angenehmen Strandaufenthalt mit Sonnenschutz und Liegemöglichkeiten, Versorgung mit Speis- und Trank und ordentlicher Strandpflege sichern – wie beispielsweise auf der Insel Phuket. Thailands Badeparadies ist aber auch ein Beispiel dafür, dass einiges aus dem Ruder laufen kann, wenn die Kontrolle versagt: Schirmreihen überwuchern den Strand, zu viele Strandbuffets ufern mit immer mehr Tischen im Sand aus, manches mutiert für die Gäste vom Service zur Belästigung. Das Meiste läuft außerhalb der Gesetze, es entwickeln sich mafiöse Strukturen, weil vor allem im lokalen Bereich viele mitkassieren.

Marine räumte die Strände ab

Als im Frühjahr 2014 das Militär das Ruder übernahm, war eines der ersten Ziele das Eindämmen der Korruption. Die Marine (!) begann die Strände zu „säubern“, mit dem Ziel, ihnen „ihre natürliche Schönheit“ zurück zu geben, in erster Linie aber, um die privaten „Unternehmer“ los zu werden, die den „öffentlichen Strand“ für ihre Geschäfte nutzten.

Was sich seither abspielt, ist touristische Inkompetenz in Reinkultur, getragen vom Zuständigkeitswirrwar der zahlreichen Behörden: Zunächst wurden alle Schirme, Liegen und Strandbuffets abgeräumt und alle kommerziellen Aktivitäten untersagt. Ein Marineadmiral erklärte, dass Gäste selbstverständlich ihre eigenen Schirme und Liegen mitbringen könnten. Die findigen Thais begannen, beides außerhalb des Strandes zu vermieten. Bei Kontrollen durch die Polizei gab es mit den verständnislosen Gästen groteske Auseinandersetzungen über die Frage, ob die Liegen und Schirme ihre eigenen oder gemietet seien. Der Gouverneur verhängte auf der Insel ein Totalverbot: Keine Schirme, keine Liegen, nur Handtücher oder Matten, Rauchen verboten, nur kleine Snacks und Wasser erlaubt – mitgebracht, denn der Verkauf am Strand ist verboten.

Die Proteste vor allem aus den ihrer Existenzgrundlage beraubten Teilen der Bevölkerung wurden so laut, dass sich der Gouverneur veranlasst sah, „Umbrella Zones“ im Ausmaß von zehn Prozent der Strandlänge zuzulassen, in denen kommerzielle Aktivitäten erlaubt sind – auch das Vermieten von Schirmen, aber keine Liegen. Ihre Einrichtungen ist den lokalen Behörden übertragen, die Art, wie die Zonen kaum merklich, aber stetig wachsen, nährt den Eindruck, dass das gebührenpflichtige Wegschauen wieder im Kommen ist. Vor nahezu einem Jahr wurde ein „Beach Management Research Team“ mit einer Studie beauftragt, die zu vernünftigen „Beach Rules“ führen soll. Die Veröffentlichung der Ergebnisse wurde mehrfach verschoben, vier Arbeitskreise, an denen sogar die Religionsgemeinschaften teilnehmen, kommen zu keiner Einigung.

Wie in vielen Sonnenländern ist den thailändischen Behörden offensichtlich nicht klar, welchen Stellenwert ein komfortabler Strandaufenthalt für einen am Meer gebuchten Badeurlaub für Gäste aus kühleren Weltgegenden hat. Ohne Schirm ist die Sonne kaum erträglich, ein Handtuch im Sand ist für ältere Menschen eine Zumutung – ohne fremde Hilfe kommen sie nicht mehr in die Höhe. In Phuket kommt noch dazu, dass nur sehr wenige Unterkünfte direkt am Meer liegen, der öffentliche Strand ist seit Jahnzehnten ein wichtiger Teil ihres Angebotes. Die Einschränkungen treffen keineswegs nur „Billigurlauber“, auf die man nach Meinung der Tourismusbehörden angeblich ohnedies nicht besonders scharf ist, sondern ebenso die Gäste von internationalen Luxushotels.

Hoffnung auf Vernunft

Die Empörung der Gäste zeigt sich am deutlichsten in den Postings auf Bewertungsportalen. Wie viele Gäste wie angekündigt abwandern, ist nicht belegbar, deutlich erkennbar ist es jedenfalls. Aktiv hingewiesen wird auf die restriktiven Strandregeln nicht, weder in den Hotelbeschreibungen noch in den Informationen der Reiseveranstalter. Angekündigte Schadenersatzforderungen dürften gute Chancen auf Erfolg haben. Inzwischen hofft die Tourismuswirtschaft in Phuket, dass bei irgendjemandem doch Vernunft einkehrt und das Lehrstück, wie man auch einen Tourismus mit optimalen Voraussetzungen ruinieren kann, ein Ende findet.

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