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So ist der Klimawandel sicher nicht zu verhindern

Print-Ausgabe 17. Dezember 2021

Auch wenn derzeit niemand eine Prognose wagt, die Pandemie werden wir los – irgendwann. Dann tritt ein Problem wieder in den Vordergrund, das uns mit Sicherheit immer begleiten wird, ohne Chance auf eine erlösende Impfung: Der Klimawandel. Medial zugedeckt von der Virenberichterstattung fand im schottischen Glasgow die 26. UN-Weltklimakonferenz statt, die in einem entscheidenden Punkt Klarheit brachte: So lässt sich ein ruinöser Klimawandel sicher nicht verhindern, nicht einmal einbremsen. Wer sich die Frage stellte, was eine Ansammlung von 40.000 (!!) Teilnehmern aus gut 200 Ländern bewirken kann, außer einem kräftigen CO2-Schub, erhielt bei der Präsentation der Schlusserklärung eine deutliche Antwort: Mit „gebrochener Stimme“ entschuldigte sich Konferenzpräsident Alok Sharma bei den Delegierten für den Verlauf des Prozesses und das magere Ergebnis. Es erschöpft sich in der Erklärung, dass das bereits beim Klimagipfel in Paris vereinbarte Ziel für eine Begrenzung der Erderwärmung bis zur Jahrhundertwende bei 1,5 Grad beibehalten wird. In den seither vergangenen  vier Jahren ist nichts Konkretes geschehen, nur die CO2-Konzentration in der Atmosphäre erlebte  eine Rekordsteigerung. Und die vagen Absichtserklärungen der Konferenz lassen auch nicht erwarten, dass sich künftig daran viel ändert. Die UN-Klimaorganisation sagte voraus, dass die angepeilten 1,5 Grad sogar dann schon 2040 überschritten werden, wenn alle bereits abgegebenen Klimaversprechen eingehalten würden, 2100 wären es bereits 2,7 Grad. Als Erfolg wurde auch vermerkt, dass über 100 Länder zugesagt haben, die Entwaldung zu stoppen – allerdings erst ab 2030. Unterschrieben hat auch Brasiliens Präsident Bolsonaro, unmittelbar danach wurde ein neuer Abholzungsrekord des Regenwaldes gemeldet. So viel zur Glaubwürdigkeit.

Nicht als „Meilenstein“ wie behauptet, sondern eher als totale Bankrotterklärung der Klimapolitik wird bewertet, dass es nicht einmal gelungen ist, den seit Jahrzehnten diskutierten Ausstieg aus der Kohleverbrennung als schlimmste Dreckschleuder durchzusetzen. Lediglich zu einer „Reduktion“ bekannte sich eine Gruppe von über 2o Ländern, allerdings erst in  den nächsten 20 Jahren. Nicht dabei sind China, das die Wartezeit zum Bau von weiteren 600 Kohlekraftwerken nützen will, und die anderen Mitglieder der Spitzengruppe, die den höchsten Anteil an der Nutzung der Kohle als Energiequelle haben: Indien, dass vor Konferenzende einen echten Ausstieg durch ein Veto verhinderte, die USA und  Australien.

Bei der Schuldzuweisung, dass die Politik durch den Druck der Öl- und Kohle-Lobbys daran gehindert wird, mehr als unverbindliche Absichtserklärungen zu liefern, sollte man aber ehrlich sein: Unbestritten ist nur die Tatsache des Klimawandels. Schon bei der Frage, ob die propagierten Maßnahmen überhaupt zielführend sind, gehen die Meinungen weit auseinander. Dass etwa die E-Mobilität nicht der Erfolgspfad zur Klimarettung ist, wird immer deutlicher, dass für einen Ausstieg aus der Raumheizung (und Kühlung?) mit Gas und Öl die nötige Technologien fehlen ebenso. Selbst wenn die Richtung grundsätzlich stimmen sollte glauben nur wenige Experten daran, dass damit die angestrebten Klimaziele erreichbar sind, dafür müssten die Anstrengungen etwa beim „Energiewandel“ vervielfacht werden.

Das Haupthindernis für einen Erfolg wurde beim Klimagipfel auch erstmals erkennbar: Ein Katastrophenthema ist das Klima nur in Europa und für etwa 40 Entwicklungsländern, die bereits akute Existenzprobleme durch den steigenden Meeresspiegel oder lebensbedrohende Dürre haben. Die Vorreiterposition Europas hat sich daraus ergeben, das nirgendwo anders die Grünbewegung so großes politisches Gewicht erreicht hat. Zu einer wirklich einheitliche Haltung hat aber auch das nicht geführt: Aktuelles Gesprächsthema in der EU ist beispielsweise die vor allem (aber nicht nur) von Frankreich erhobene Forderung nach Anerkennung der Atomkraft als „grüne“ und damit förderbare Energie, ohne die eine Klimaneutralität gar nicht erreichbar wäre. Im Gegenzug kommt aus Deutschland (auch nicht nur) der Wunsch, auch dem Erdgas als „Brückentechnologie“ (bis sich ein tauglicher Ersatz findet) diesen Status zu geben. Auf die von Österreichs „Klimaministerin“ Gewessler angekündigte Klage gegen eine solche Sabotage der Klimapolitik kann man gespannt sein. Ein typisches Beispiel dafür, wie mit einer von der absoluten Richtigkeit der eigenen Überzeugung und entsprechendem Sendungsbewusstsein getriebene Ideologie der Sinn für Realität und Machbarkeit verloren geht.

Kann man es Politikern zum Vorwurf machen, dass sie bei einem solchen Szenario nicht leichtfertig in einen Zug einsteigen, der trotz eines enormen Fahrpreises nach Meinung der meisten praxisnahen Experten sein Ziel nicht erreichen kann?  Noch dazu, wenn die Erfahrung mit der Pandemie deutlich machte, wie begrenzt die Bereitschaft in der „breiten Öffentlichkeit“ ist, Belastungen zu akzeptieren, selbst wenn eine tödliche Krankheit droht.

 Wenn man realistischer Weise nicht davon ausgehen kann, dass ein ruinöser Klimawandel verhindert oder auch nur eingebremst werden kann – was dann? Die Antwort liegt auf der Hand: Dafür vorsorgen, dass möglichst viele Menschen unter halbwegs erträglichen Bedingungen die Probleme überstehen. Den Anfang von dem, was droht, erleben wir bereits hautnah in Form von Wetterextremen, sintflutartigen Niederschlägen,  großflächigen Überschwemmungen und Flutkatastrophen, verheerenden Tornados, Waldbränden und wachsender Hitze- und Dürregebiete. In Österreich kennt man geeignete Schutzmaßnahmen seit langem, wenn auch in weit geringerem Ausmaß, als dies künftig notwendig sein wird. Vor allem wird sicher zu stellen sein, dass die Grundversorgung funktioniert, nicht nur für den täglichen Lebensbedarf, auch im Gesundheitswesen, mit Energie und nicht zuletzt in der Mobilität. Die Erfahrungen während der Lockdowns in der Pandemie haben einen kleinen Vorgeschmack vermittelt, was passiert, wenn „Lieferketten“ nicht funktionieren. Ein großflächiger Stromausfall ,–  ein „Blackout“ , der das Leben vor allem in den Städten total lahmlegt – ist nach Ansicht der Experten nur eine Frage der Zeit. Die Gefahr nimmt durch die Aktionen um eine „Energiewende“ stark zu, wenn klimaschädliche Energiequellen abgedreht werden, bevor ein verlässlicher Ersatz sichergestellt ist. Die unmittelbaren Auswirkungen sind extremer, als bei Klimaproblemen. Es muss die vordringlichste Aufgabe der Politik sein, die Menschen so weit wie möglich vor diesen Gefahren zu schützen. Sicherheit bekommt einen höheren Stellenwert, auch für einen funktionierenden Tourismus. Es ist durchaus vorstellbar, dass eine hochwassersichere Lage oder ein Notstromaggregat für ein Angebot im Tourismus attraktiver werden, als ein Wellnessbereich. Eine solche Ausrichtung der Zielsetzung von Schutzmaßnahmen hätte  den Vorteil, dass jedes Land für sich erfolgreich sein könnte, während das globale Klimaproblem nur in globaler Zusammenarbeit beeinflussbar sein würde. Europa alleine könne die Klimaentwicklung auch dann kaum verändern, wenn sein nur achtprozentigen Anteil an den Treibhausgasen auf null gestellt würde.         

Das überhaupt größte Problem kommt zwar gelegentlich in den Medien zur Sprache, eine breite Diskussion darüber will aber offenbar niemand: Die extreme Übervölkerung. Die Zahl der Erdbewohner hat sich von vier Milliarden 1974 in den rund 50 Jahren bis zur Gegenwart auf nahezu 8 Milliarden verdoppelt, jährlich werden es um 80 Millionen mehr. Damit ist auch in der Zukunft jedes Ökosystem überfordert, so viel Treibhausgas kann gar nicht eingespart werden, um nur den  mitwachsenden Mehrbedarf an Energie auszugleichen. Auch den kreativsten Science Fiction-Autoren ist bisher keine Idee zum Bremsen dieser Entwicklung eingefallen, über die man beim gültigen Wertekanon auch nur laut nachdenken könnte, ohne Empörung auszulösen.

Unser HBP hob als besonderen Vorzug der Österreicher hervor, dass sie sich ihren Humor – ihren „Schmäh“ – trotz allem nicht nehmen lassen. Dazu ein Versuch: Zwei Planeten kommen sich auf ihren Umlaufbahnen nahe. Sagt der eine: „Du schaust aber gar nicht gut aus. Fehlt dir was?“ Der andere: „Ich fühl mich auch gar nicht wohl, ich glaube, ich habe Homo Sapiens.“ Der erste: „Oh je. Aber reg dich nicht auf, das geht von selbst vorbei.“ Darüber lachte man schon, als nur von „Umweltverschmutzung“ und nicht von Klimakatstrophen die Rede war. Lachen kann man darüber noch immer, aber es ist schon viel anstrengender.

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