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Pauschalreisen: Tretminen überall

Print-Ausgabe 9. Februar 2018

Mit 1. Juli wird das „Rundum-sorglos-Paket“ für Reisende in der EU wirksam: So bezeichnete der Wiener Anwalt und Reiserechtsexperte Eike Lindinger das Ergebnis der Bemühungen, die aus dem Jahr 1990 stammende EU-Pauschalreise-Richtlinie so auszubauen, dass dem Kunden möglichst jedes Risiko abgenommen wird. Das war zumindest das Ziel, denn was beim neuen Pauschalreisegesetz herausgekommen ist, bringt wenige substantielle Veränderungen für die Reisenden, aber eine Fülle an Informations- und Dokumentationspflichten und diffizilen rechtlichen Abgrenzungsproblemen, deren Bewältigung den Anbietern einen bürokratischen Supergau beschert. Das erste Praxishandbuch zum Thema „Das neue Pauschalreisegesetz“, das Eike Lindinger und der Manz Verlag vorstellten, geben davon einen Eindruck: Sich in der neuen Pauschalreisewelt ohne juristischen Guide zu bewegen und keine der eingebauten Tretminen auszulösen, ist schwer möglich. Der kleinste Fehltritt macht das Reisebüro, den Hotelier oder die Tourismusorganisation zum Veranstalter einer Pauschalreise, der für die gesamte Leistungskette haftet, auch wenn der gebuchte Leihwagen ein Rad verliert.

Der Leihwagen ist eine der wenigen substantiellen Veränderungen bei der klassischen Pauschalreise: Bisher wurde als Pauschalreise gewertet, wenn aus den drei Kategorien Beförderung, Unterbringung und „sonstige Reiseleistungen“ zwei in einem Reisevertrag zusammengeführt werden. Nun wird die KFZ-Vermietung zur eigenständigen Kategorie: Die Verknüpfung mit e i n e r anderen genügt, um den Status einer Pauschalreise zu begründen, etwa Flug und Auto (Fly & Drive). Für die klaglose Leistung eines Autovermieters auf einer Insel im Rahmen einer Pauschalreise zu haften, ist weder für eine Airline, noch für ein Reisebüro verlockend. Umso mehr, als es für die Hauptkategorien keine wertmäßige Begrenzung gibt, wie bei den „sonstigen Reiseleistungen“: Diese begründen erst dann eine Pauschalreise, wenn ihr Wert mindestens 25 Prozent des Gesamtwertes aller Reiseleistungen ausmacht. Wenig erfreulich für die Hotellerie: Im Zuge der Reform der Gewerbeordnung wurde am letzten Drücker erkämpft, dass bestimmte sonstige, taxativ aufgezählte Reiseleistungen im Rahmen des normalen Berechtigungsumfanges ohne Betragsgrenze erbracht werden können. Es ging dabei vor allem um Skiliftkarten und den Verleih von Sportausrüstungen. Das betrifft allerdings nur das Gewerberecht und was vorauszusehen war, steht nun im Gesetz: Wenn Skipass und Leihausrüstung mehr als 25 Prozent des Gesamtwertes des Arrangements ausmachen, ist die Pauschalreise fix und der Hotelier kann sich überlegen, ob er sich die Haftung für die Leistungen der Seilbahn und des Skiverleihers und eine Insolvenzabsicherung antun möchte. Wenn das nicht bereits ohnedies der Fall ist, weil die „sonstige Leistung“ als „wesentliches Merkmal“ der Leistungskombination angeboten wurde: Ein „Theaterwochenende“ ist automatisch eine Pauschalreise, auch wenn die Theaterkarte weit unter der Wertschwelle liegt.

An sich sollte man meinen, dass eine genaue Definition der Pauschalreise genug sein müsste. Aber nein – im blinden Eifer der Konsumentenschützer, auch dort noch Fallgruben in die Pauschalreisehaftung einzubauen, wo diese gar nicht vorgesehen ist, wurde als Neuheit die „verbundenen Reiseleistungen“ eingeführt: Wenn bei einem Kontakt aus mehreren Leistungen ein individuelles Reiseprogramm zusammengestellt wird, ist das nur dann k e i n e Pauschalreise, wenn n a c h der Unterschrift des Kunden für die erste Reiseleistung für jede weitere ein eigener Vertrag mit separater Rechnung abgeschlossen wird. Auch die umfangreichen Informationspflichten müssen erfüllt und vor allem das richtige der acht amtlichen Formblätter überreicht werden, in dem der Kunde informiert wird, dass er keine Pauschalreise gebucht hat und jeder Vertragspartner selbst für seine Leistung haftet.

Ob es gelingt, Kunden diese komplizierte Rechtslage verständlich zu machen, ist weniger wichtig: Perfekt geschult müssen die Reisebüromitarbeiter sein, wenn sie nicht unversehens Haftungsverpflichtungen auslösen sollen, noch dazu – ein rechtliches Kuriosum – für Leistungsträger, zu denen nicht einmal ein direktes Vertragsverhältnis besteht.

Für kleinere stationäre Reisebüros werden die bürokratischen Herausforderungen jedenfalls schwerer zu bewältigen sein, als für größere Unternehmen. Wo’s zu kompliziert wird, werden Angebotsformen verschwinden, vermutlich auch Anbieter. Ein Anlass, sich „rundum sorglos“ zu fühlen? Sicher nicht für alle.

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