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Neue Tourismuswährung dringend gesucht

Print-Ausgabe 5. Oktober 2018

Nur mehr ein knappes halbes Jahr steht zur Verfügung, wenn Tourismusministerin Elisabeth Köstlinger ihre Zusage einhalten will, den neuen „Masterplan“ im Rahmen der ITB in Berlin zu präsentieren. Was von den Vorarbeiten bekannt wurde, lässt kaum Schlüsse auf das Ergebnis zu. Auffallend ist immerhin, mit welchem Nachdruck die Vertiefung der Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft in den Vordergrund gerückt wird. Dass bei der Befragung von 600 Unternehmern 72 Prozent dem Mitarbeitermangel einen Spitzenplatz auf der Masterplan-Agenda gaben, ist keine Überraschung. Dass die Vertiefung der Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft mit 87 Prozent mit Abstand den Höchstwert erreichte, hingegen schon. Es ist kein Wunder, dass manche hinter dem Ranking eine lenkende Hand vermuten und nun darauf warten, wie lange es dauert, bis die Bauern ihre alte Forderung nach obligater Kennzeichnung ihrer Produkte auf den Speisekarten durchdrücken.

Dass Nächtigungszahlen keine wirklich taugliche Währung für die Darstellung des Erfolges im Tourismus sind, wird seit Jahrzehnten beklagt. Köstinger hat bereits kurz nach der Übernahme des Tourismusministeriums festgestellt, dass sie sich da Besseres wünscht. Und tatsächlich ist ein Themenkreis einem „zukunftsgerichteten Indikatorsystem für die Tourismussteuerung“ gewidmet. Bei der Unternehmerbefragung wurden die Wertschöpfung, die Auslastung der Betriebe oder die Ertragszahlen als geeignete Indikatoren angeführt. Das alles und noch mehr wurde bereits versucht und ist immer gescheitert: Durch zum Teil groteske Unterschiede bei den Erhebungsmethoden entsteht ein Datenchaos. Nicht einmal die Zahl der Betten lässt sich eindeutig fixieren. Besonders fragwürdig sind Wertschöpfungsdaten, die immer strapaziert werden, um eine Branche oder eine Region „schön zu rechnen“. Vor allem die für eine politische Argumentation nötige Vergleichbarkeit ist nicht gegeben und wenn man über den nationalen Bereich hinaus geht, wird’s noch ärger: Nicht einmal die simpelste Währung funktioniert, in der EU-Statistik werden nur die Nächtigungen in gewerblichen Betrieben gezählt, damit fallen in Österreich gute 15 Prozent unter den Tisch. In vielen außereuropäischen Ländern werden daher überhaupt nur die Gäste gezählt. Unter diesen Umständen einen gültigen Indikator zu finden, wäre Nobelpreis-verdächtig.

Partizipativer Dialog

Die Methode, mit der die Tourismusministerin im Eilzugstempo von einem halben Jahr zu einem „Masterplan“ für die künftige Entwicklung eines sehr komplexen Wirtschaftszweiges kommen möchte, heißt „partizipativer Dia­log“. Man muss ausgiebig googeln um herauszufinden, dass es sich dabei um einen Prozess handelt, bei dem die Teilnehmer ihre Standpunkte zu einem Thema so lange diskutieren, bis sie zu Lösungen finden, die beide Seiten verantworten können. Ein zeitaufwendiges Verfahren, vor allem, wenn zu neun breit angelegten „Themensettings“ alle „Stakeholder und Involvierten“ eingeladen sind, sich einzubringen. Und eine verfahrenstechnische Herausforderung, wenn zu jedem Themenkreis eine einzige Diskussionsveranstaltung vorgesehen ist, jeweils in einem anderen Bundesland. Der Eindruck liegt nahe, dass es vor allem darum geht, allen das Gefühl der Mitwirkung zu geben. Es gibt Workshops, bei denen man die Teilnehmer bis zur Erschöpfung diskutieren lässt und schließlich ein bereits vorgefertigtes Papier auf den Tisch legt, das abgenickt wird, weil sich unter den breit gehaltenen Überschriften, die viele Möglichkeiten offenlassen, alle wieder finden – sie waren ja dabei. So wird es beim neuen Masterplan natürlich nicht sein, denn Überschriften gibt es schon mehr als genug.

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