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Kein Tourismus ohne Mobilität – das braucht man niemandem mehr zu erklären. Der moderne Tourismus entwickelte sich parallel zur Eisenbahn. Ihre Funktion als touristische Lebensader ging mit der Individualisierung der Mobilität durch den PKW kontinuierlich verloren, eine für Menschen und Umwelt immer problematischer werdende Verkehrsbelastung macht sie zum Dauerthema. Zuletzt beim „Trend Forum“ der Fachzeitschrift „Hotel und Touristik“, bei dem die „neue Mobilität“ im Tourismus gesucht wurde. Kompetente Experten kamen zum letztlich gleichen Ergebnis, wie bei allen ähnlichen Veranstaltungen: Eine mit dem Tourismus weiter mitwachsende Verkehrsentwicklung ist nicht zu halten, die einzige erkennbare Alternative für eine Verlagerung wäre die Bahn.

Die statistischen Basisdaten lieferte Romain Molitor vom Büro für Verkehrsplanung. Die Gesamtsituation hat sich seit den 80er Jahren kaum geändert, drei Viertel der Gäste reisen mit dem eigenen PKW an, neun Prozent mit dem Flugzeug und nur acht Prozent mit der Bahn. Wirklich verlässliche Daten gibt es auf Grund der unterschiedlichen Befragungsparameter kaum, eine Tendenz ist aber klar erkennbar: Der PKW verliert an den Flugverkehr, die Bahn stagniert und wird sogar vom Bus überholt. So weist die Reiseanalyse als Verkehrsmittel für die deutschen Urlaubsreisenden zu 45 Prozent den PKW aus, bereits 40 Prozent erreicht das Flugzeug, sieben Prozent der Bus und nur mehr fünf Prozent die Bahn.

Einen entscheidenden Grund dafür, dass die Bahn vor allem im grenzüberschreitenden Verkehr zurückfällt, sieht der Verkehrsplaner im Mangel tauglicher Lösungen für die Bewältigung der „letzten Meile“. Wie der Reisende vom Endbahnhof zum Urlaubsquartier kommt, müsste in jedem Gesamtangebot für eine Bahnreise enthalten sein.

Ansätze dafür zeigte er an zwei Beispielen: Von der Tirol Werbung wurde mit einer Reihe von Partnern – darunter auch die Bahn – die Aktion „Tirol auf Schiene“ entwickelt. Sie setzt primär auf die Information der Hotellerie über Anreisemöglichkeiten mit der Bahn, mit denen sie ihre Gäste motivieren soll. Dass das genügt, um den in Tirol bei fünf Prozent liegenden Anteil der Bahngäste bis 2020 zu verdoppeln, ist schwer vorstellbar.

Der Praxis näher ist der „Kärntner Bahnhofsshuttle“, der im Vorjahr probeweise von der Kärnten Werbung mit zahlreichen Partnern etabliert wurde, darunter das Land Kärnten, zahlreichen Tourismusregionen und das Umweltministerium. Angeboten wird ein online buchbarer Sammeltransfer zwischen zehn Bahnhöfen und über 4.500 Unterkünften. Da diese beiden Projekte immer wieder angeführt wurden, liegt der Verdacht nahe: Mehr gibt’s nicht.

Weltmeister Schweiz

Unbestrittener Bahntourismus-Weltmeister ist die Schweiz. Insider halten den Anteil der Bahngäste mit 10 bis 15 Prozent für realistisch. Das liegt nicht nur, aber auch an der Qualität des Angebots: Die sensationellsten Bergerlebnisse werden mit der Bahn erschlossen. Wie die Schweiz diesen USP vermarktet, erläuterte Maurus Lauber, Chef der „Swiss Travel System AG“ (STS), die 2010 von dem „Switzerland Tourismus“ gemeinsam mit der Schweizer Bahn und anderen Partnern gegründet wurde. Als Erfolgsfaktoren führte er u. a. an, dass Marketingaktionen ausschließlich in Kooperation mit Partnern durchgeführt, selbst aber keine Tickets verkauft werden, und dass der Köder dem Fisch schmecken muss und nicht dem Fischer. Politische Einflüsse auf Marketinginhalte müssen ausgeschlossen sein.

Diese Binsenweisheiten alleine reichen nicht aus, um die Erfolge zu erklären. Auch nicht der Grundsatz, dass es nicht erfolgsversprechend ist, für Produkte Kunden zu suchen, sondern für die Kunden die von ihnen gewünschten Produkte. Wenn man die nicht hat, wird’s schwierig, was gerade die Problematik der „letzten Meile“ zeigt, die auch in der Schweiz und in Deutschland kaum brauchbare Lösung findet. Valerie Hackl, Chefin des Personenverkehrs bei den ÖBB, räumte ein, dass hier eine „systemische Lücke“ besteht. Vor allem das „Tür zu Tür-Service“ müsste weiter erschlossen werden. Das betrifft vor allem das Reisegepäck: Urlauber, die angesichts absurder Zustelltermine und exorbitanter Kosten nicht das ohnedies vor der Türe stehende Auto vorziehen, müssen hemmungslose Bahnfreaks sein.

Ernsthafte Ambitionen, diese Lücke zu schließen, sind nicht erkennbar. Bis von einer „neuen Mobilität“ im Tourismus die Rede sein kann, garantiert das Thema noch Diskussionsstoff für viele Veranstaltungen.

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