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„Go West“ ins gelobte Land freier Lehrstellen

Print-Ausgabe 1. Juli 2016

„Go West“ – mit dieser Initiative im Rahmen ihrer Aktion „Mach Karriere im Hotel“ möchte die ÖHV einen Beitrag zur Lösung des häufig kritisierten Problems leisten, dass in den östlichen Bundesländern – insbesondere Wien – ein Überhang an Lehrstellen Suchenden besteht, während in den westlichen – besonders in Salzburg und Tirol – viele  Lehrstellen unbesetzt bleiben. Als Ursache für diese Schieflage des Arbeitsmarktes wird immer wieder die mangelnde Mobilität der Mitarbeiter und Lehrlinge angeführt. Mit einem „Tag der offenen Hoteltüre“ am 9. Oktober soll jungen Leuten samt ihren Eltern am lebenden Beispiel gezeigt werden, dass die „Hotellerie weit mehr an beruflichen Möglichkeiten zu bieten hat, als Koch und Kellner“, beschreibt ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer die Zielsetzung.

Nur die Hälfte macht mit

Die statistische Basis lieferte Petra Draxl, Chefin des Wiener AMS, das die Aktion durch Information im Interessentenbereich unterstützt und auf gute Erfahrungen in der „überregionalen Vermittlung“ verweist. Von den im Mai gemeldeten 2.100 offenen Lehrstellen wird die Hälfte in Salzburg und Tirol angeboten, die Aufteilung nach Lehrberufen ist insgesamt und in den westlichen Bundesländern fast gleich: Drei Viertel Koch und Kellner, ein Viertel andere traditionelle Lehrberufe, der kaufmännische Bereich (HGA, Hotelkaufmann) erreicht kaum ein Prozent.

Wie groß sind nun die Chancen, über die „Offene Hoteltüre“ einen Lehrplatz oder – umgekehrt – Lehrlinge zu finden? Auf der Liste der teilnehmenden Hotels stehen 183 ÖHV-Betriebe, 14 Prozent der 1.350 Mitglieder. Nur die Hälfte gibt über einen Link Details an, was sie als Arbeitgeber an „Besonderheit“ zu bieten haben. Konkrete Angebote für Jobs oder Lehrstellen sind eher selten, fast alle Antrittstermine liegen vor dem Tag der offenen Türe. Immerhin wird angeführt, in welchen Berufen das Haus Lehrlinge ausbildet und per Mausklick gibt es ein Mailformular für eine „Initiativbewerbung“. Die zweite Hälfte der teilnehmenden Hotels bietet außer Namen und Standort keinerlei Information, nicht einmal Adresse oder Telefonnummer oder einen Link zur eigenen Homepage. Auf Tirol und Salzburg, für die ja die Aktion „Go West“ vor allem angelegt ist, entfällt ein Viertel der teilnehmenden Hotels, allerdings bietet auch hier nur die Hälfte mehr an Information als die Ortsangabe – das sind nicht mehr als 24.

Wie viele Lehraspiranten samt Eltern sich von diesem Angebot dazu motivieren lassen, sich ins Auto zu setzen und z. B. von Wien nach Tirol zu fahren, in der Hoffnung, an einem Sonntag zwischen 11 und 16 Uhr (Mittagsgeschäft?) in einem oder gar mehreren Hotels eine für eine Lehrstellenwahl ausreichende Information zu bekommen, sei dahingestellt. Den ersten Versuch einer Branche, sich selbst aktiv bei der Nachwuchswerbung zu engagieren, als wenig ambitioniert abzuqualifizieren, wäre nicht hilfreich. Daher nur eine Feststellung: Für das nächste Mal wäre noch v i e l Luft nach oben vorhanden.

Schlechtreden kein Erfolgsrezept

Man sollte die Kirche auch im Dorf lassen: Die Aktion „Mach Karriere im Hotel“ wurde von der ÖHV vor allem als Imagekampagne angelegt, mit dem Ziel, die für die Gewinnung von qualifiziertem Nachwuchs nachteiligen Defizite der Arbeit im Gastgewerbe durch das Herausheben der Vorzüge, die sie bietet, auszugleichen. Auch die Gewerkschaft Vida hat sich in einer eigens dafür veranstalteten Pressekonferenz für eine dringend notwendige „Imagepolitur“ ausgesprochen. Umso überraschender ist daher eine Stellungnahme, in der sie die Aktion der ÖHV als „abstruse Idee aus der Vergangenheit“ bezeichnet: Schon vor zehn Jahren habe es nicht funktioniert, „Jugendliche aus dem Osten aus ihrem gewohnten Umfeld zu reißen, um Lehrplatzlöcher im Westen zu stopfen“. Ursache des schlechten Berufsimages seien familienfeindliche Arbeitszeiten, geringe Karrierechancen, unzureichende Entlohnung und dass Lehrlinge oft nur als billige Arbeitskräfte herhalten müssten. Dieser Griff in die Mottenkiste vergangener Gewerkschaftergenerationen ist nicht einmal mehr bei Kollektivvertragsverhandlungen sinnvoll. Eine Imagekampagne kann nicht darauf warten, bis ein Produkt den Wunschvorstellungen entspricht, umso mehr, wenn Wesentliches – siehe Arbeitszeit – eben kaum veränderbar ist. Das Schlechtreden einer Branche ist kein Erfolgsrezept  – schade, dass die neue, junge Gewerkschaftsführung das von ihren Vorgängern nicht gelernt hat.

Günther Greul

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