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Eine eigene Ministerin – endlich! Oder?

Print-Ausgabe 7. September 2019

Über Jahrzehnte hat die Tourismuswirtschaft einen eigenen Minister oder einen Staatssekretär gefordert, der ihre Interessen vertritt, vor allem auf Regierungsebene. Dass es nie dazu kam, wurde geradezu als Missachtung dieses vitalen Wirtschaftszweiges angesehen. Ziemlich plötzlich und unerwartet ist der Wunsch kürzlich in Erfüllung gegangen: Mit der Neuordnung der Regierungskompetenzen wurde ein „Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus“ geschaffen, mit einer Ressortchefin, die nicht nur diese Materie betreut, sondern ganz offiziell auch Tourismusministerin heißt.

Die Tourismusagenden waren immer im Wirtschaftsministerium angesiedelt, gemeinsam mit den Sektionen Handel, Gewerbe und Industrie. Bis 1999 allerdings nur als „Gruppe Fremdenverkehr“. Erst Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner machte daraus eine Sektion, „um den Stellenwert des Tourismus zu unterstreichen“. Die Interessenvertreter müssen den ehemaligen Kammerbeamten ordentlich genervt haben, um ihn dazu zu bewegen. Ministrabel wurde der Tourismus trotzdem nicht. Das mag daran liegen, dass das Argument, das gegen ein eigenes Ressort immer angeführt wurde, richtig ist: Laut Verfassung ist Tourismus Landessache, die Eingreifmöglichkeiten des Bundes konzentrieren sich auf Gewerberecht und Förderung und damit – die Österreich Werbung fällt in diesen Bereich – auf Marketing. Außerdem ist Tourismus eine „Querschnittsmaterie“, in der sich mehrere Kompetenzbereiche überschneiden. Das macht die Zusammenfassung in einem Ressort besonders schwierig.

Welche Zuständigkeiten soll man sich unter einem „Bundesministerium für Digitalisierug und Wirtschaftsstandort“ vorstellen? Man muss lange suchen, um einen Bereich zu finden, der von diesen Allerweltsbegriffen nicht betroffen wäre. Und beim bisherigen „Lebensministerium“ ist es nicht anders: Ob sich die imagebewussten Bauern, die in der Nomenklatur nicht mehr vorkommen, in einem Ministerium zum überstrapazierten Thema „Nachhaltigkeit“ wohl ausreichend repräsentiert fühlen?

Zwei Jahrzehnte verschlafen?

Wozu die Übersiedlung des Tourismus vom „Wirtschaftsstandort“ zur „Nachhaltigkeit“ gut war, ist noch nicht ganz durchschaubar. Die Behauptung, dass damit der bisher auf mehrere Abteilungen aufgeteilte Bereich aufgewertet wurde, weil er nun als „eigene Sektion“ im Ministerium „gebündelt“ wurde, kann nicht ernst gemeint sein: Da hat jemand zwei Jahrzehnte verschlafen, in denen es eine tadellos funktionierende Sektion Tourismus im Wirtschaftsministerium gab. Nicht zuletzt war der Tourismus bisher unter einem Ministeriumsdach mit ähnlich strukturierten Wirtschaftsbereichen, während nun neben der Landwirtschaft auch Umwelt, Klima und Energie zu bewältigen sind – lauter Querschnittsmaterien, die ineinander laufen, aber mit gegensätzlicher Interessenlage. Das unter einem Hut zu halten verlangt multiple Spagatleistungen.

Wie ein derart kompliziertes Gemenge funktioniert, hängt natürlich stark von den handelnden Personen ab. Die junge Ministerin Elisabeth Köstinger beeindruckt durch einen sicheren, sympathischen Auftritt und spürbares persönliches Engagement. Die Kärntner Bauerntochter hat ihr politisches Leben im Bereich der Landwirtschaft verbracht, ist Vizepräsidentin des Bauernbundes und in den acht Jahren im Europäischen Parlament war sie im Landwirtschaftsausschuss tätig. Bei dieser Prägung sind die geforderten Spagatleistungen eine besondere Herausforderung. Als ihre rechte Hand wurde die Leitung der Sektion Tourismus Ulrike Rauch-Keschmann übertragen, die als langjährige Leiterin der Unternehmenskommunikation der Österreich Werbung mit der Materie in allen Details vertraut ist. Was bleibt, ist den beiden Damen viel Erfolg zu wünschen – damit der Tourismus weiterhin so gut läuft.

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